15. Kapitel

4.3K 240 8
                                    

Das war nicht ihr ernst oder? Ich verdrehe genervt meine Augen. Das war jetzt schon mehr als billig.
"Dort hinten stehen drei deiner Freundinnen. Da sie, meines Wissens nach, alle drei im Besitz von beiden Händen sind, können sie dich also genau so gut eincremen wie jeder andere. So und jetzt wäre es nett wenn ihr gehen könntet. Ich will heute allein schwimmen gehen!" sagt Chris und betont dabei das 'allein' ziemlich deutlich. "Achja allein, und wofür ist dann der zweite Helm? Ich sehe keinen zweiten Kopf an deinem Körper, der einen zweiten Helm benötigen würde!" sagt Lisa nun aber ihre Stimmlage hatte eine deutliche Wendung von verführerisch zu eingeschnappt genommen.
"Den zweiten Helm hatte ich das letzte mal hier versteckt, weil die zweite Person die mitgefahren ist schon vorher abgeholt wurde und ich einfach keinen Bock hatte einen Helm beim fahren am Arm baumeln zu haben." Er war wirklich gut, würde ich nicht die Wahrheit wissen hätte ich es ihm geglaubt. Das war Sau stark.
"Ahja, okay!"  "Könntest du dann endlich gehen?" Chris wurde immer genervter. Aber in seinem genervten Tonfall schwingt auch ein hauch von Angst mit. Hatte er vielleicht Angst das ich abgehauen bin? Oder.. Nein er würde niemals denken das ich ertrunken bin. Er wusste wie gut ich schwimmen kann.
Ich warte auf ihre Antwort aber es kam keine. 
Ich schwimme ein Stück zurück um zu sehen was passiert ist. Mit Erleichterung sehe ich das sich Lisa in Richtung ihrer Freundinnen zurück gezogen hat.  Ich glaube nicht das sie hier bleibt und noch schwimmen geht, mit Abweisung kam sie sehr schlecht klar.
Chris scheint mich wohl immer noch zu suchen. Ich beschließe aber, das er mich selbst finden soll. Ich werde mich nicht zeigen. Ich kichere wie ein kleines Kind das etwas verbotenes tut.
Kennt ihr diese Momente wenn ihr etwas tut und ihr euch plötzlich in eure Kindheit zurück gesetzt fühlt? Ja? Dann wisst ihr wie ich mich momentan fühle.
Nur das solche Momente für mich noch mehr bedeuten. Es bedeutet das meine Großeltern noch leben, das meine Mum noch lebt und das mein Dad noch dazu fähig ist zu lieben. Es bedeutet das er mit mir malt (obwohl ich darin total schlecht bin), das er mit mir Fahrrad und Inliner fährt und das wir Abends kleine Schattenspiele spielen. Ich bin von Glück und Liebe umgeben. Von dem Leben eines Kleinen Kindes was noch nichts erlebt hat was eine schlechte Auswirkung auf das spätere Leben haben könnte. Es war alles Perfekt.
Mein Inneres kribbelt vor Aufregung und Freude. In verstecken spielen war ich immer gut. Ich war ein echtes Naturtalent, nur das Problem an der jetzigen Situation ist, dass Chris genauso gut ist. Wenn nicht sogar besser. Ich hoffe er spielt mit. Ich wollte nicht das die Situation so schnell vorbei geht, wollte mich nicht fühlen wie das Ausgelaugte, leere Wesen was zwischen der Kindheit und dem Erwachsen sein gefangen ist. Ich wollte noch das kleine Kind bleiben. Wenn auch nur für kurz.
"Chris? Such mich!" rief ich also schnell und verstecke mich gut unter dem kleinen Felsvorhang der sich ein Stück über dem Wasser befindet.
Ich höre wie Chris ins Wasser springt und lache leise. Als ich nach ein höchstens einer Minute immer noch nichts weiteres höre reibe ich mir erfreut die Hände. Der findet mich nie.
"Buh!" schreit er plötzlich vor mir. Erschrocken schreie ich auf. Er muss getaucht sein. Verdammt das ist so fies. Das war so ein gutes Versteck.
"Wie-?" Bevor ich meine Frage auch nur ansatzweise beenden konnte unterbricht er mich. "Talia. Ernsthaft, du hättest im Wasser kein weiteres Versteck auswählen können. Es sei denn du wärst über 5 Minuten getaucht." "Weißt du ja nicht ob ich das kann! Vielleicht bin ich eine Meerjungfrau!" sage ich trotzig. "Und wo ist dein Fischschwanz?" fragt er mich grinsend. "Dann sehe eben nur ich ihn. Oder jeder außer dir sieht ihn weil du vielleicht unfähig bist!" "Klar. Warum bist du-" Doch bevor er seinen Satz beenden konnte sprang ich urplötzlich vor und drücke ihn unter Wasser. Sonst hätte ich ja eh keine Chance ihn zu ditschen. Dafür bin ich einfach zu schwach, deshalb musste ich solche Situationen einfach  ausnutzen.
Erst danach fällt mir ein das ich ja ziemlich dumm bin. Ja, sogar verboten dumm. Denn was passiert wenn man jemanden ditscht der um einiges stärker ist? Ja genau, man wird ebenfalls geditscht.
So schnell ich kann schwimme ich weg. Egal wohin Hauptsache es liegt ein großer Sicherheitsabstand zwischen uns. Ebenfalls unbedacht war das eine große Person ja auch automatisch größere  Schwimmzüge macht. Ich wiege meine Chancen ab die, wie ich dann mit einem mich selbst bedauernden Kopfschütteln feststellte, gleich Null lagen.
Aber man sollte niemals vorher aufgeben sage ich mir optimistisch und schwimme so schnell ich kann. Leider wurde mein Optimismus gleich mal geohrfeigt, denn Chris hatte mich nur wenige Sekunden später grinsend erreicht  und ditscht mich erst mal eiskalt runter.
"Das ist nicht fair!" sage ich trotzig und laut.Meine kindliche Seite übernahm den vollen Besitz von mir. Wenn man man den heutigen Tag am See filmt und mir das Video später zeigen würde, würde ich wahrscheinlich nicht glauben das ich das bin.
Chris lacht und drückt mich gleich noch einmal unter Wasser. Was ich persönlich überhaupt nicht gut finde, aber mich fragt ja keiner. Ich finde, dass größere und stärkere Menschen die kleineren und schwächeren nicht unter Wasser drücken dürften, weil wir ja gar keine Chance hätten uns zu wehren.
"Stop Chris! Das ist unfair. Ich habe-" der Rest des Satzes wird durch blubbern ersetzt, da ich natürlich gleich noch mal eingetaucht werde. Aber das lasse ich mir jetzt nicht gefallen. Mit größter Kraft tauche ich nach oben, mache Chris mit meinen von Wasser getränkten Augen ausfindig und probiere ihn nach unten zu stoßen. Die Betonung liegt auf probiere, denn wenige Sekunden später war ich es die wieder unter Wasser war.
Schnell fülle ich meinen Mund mit Wasser und spucke es Chris dann eiskalt in sein Gesicht. Als er jedoch fies grinsend auf mich zukommt hebe ich beide Hände hoch. "Warte! Das war jetzt nur dafür das mich öfter geditscht hast wie ich dich!" rufe ich mit erhobenen Händen. "Außerdem hast du mich mit Klamotten hier rein geschmissen!" Ich hatte unschlagbar gute Argumente, das konnte er nicht abstreiten. "Gut okay!" gab er sich grinsend geschlagen. Irgendwie hatte ich das Gefühl das ich ihm nicht ganz trauen konnte.
"Warum hast du Lisa eigentlich nicht eingecremt? Nicht das sie jetzt wegen dir Sonnenbrand bekommt!" frage ich ihn grinsend. "Hör mir bloß auf. Und als ob die sich hier gesonnt hätte. Die geht doch eh nur in ihr Hauseigenes Solarium." sagt er genervt.
Ich frage mich wie sie auf Lisa reagieren würden wenn sie damals nicht Fremd gegangen wäre, naja und auch noch nicht mit dem Typen zusammen gewesen wäre. Ich meine sie ist hübsch und bevor der Typ, ich glaube er heißt Daren oder so, mit ihr, aus völlig verständlichen Gründen. Schluss gemacht hat, hat Sie sich total normal gekleidet. Ich glaube ja fast das sie Daren mit ihrem getue nur eifersüchtig machen will. Auf jeden Fall sollte sie aufhören sich unter ihrem Wert zu verkaufen.
"Auch wenn sie unsympathisch ist musst du ihr nicht das X-Beliebige Verhalten einer Schlampe aufdrücken!" verteidige ich sie. Bevor er was sagen kann was bestimmt noch in einem sinnlosen Streit geendet hätte, drücke ich meine Lippen auf seine und klammere mich an ihm fest wie ein Koalababy. Obwohl es eigentlich nur ein kleiner Halt-die-Fresse-Kuss sein sollte endet es in einer Leidenschaftlichen Knutscherei.
Gott ich hatte ihn so vermisst. Mein Kopf sagt mir das ich schleunigst Abstand nehmen soll, aber der Rest will Chris nicht wieder nach einem Tag aufgeben. Ich war so froh über die Mauer die ich um mich herum aufgebaut habe. Niemanden und nichts habe ich mehr an mich heran gelassen und das war auch gut so. Aber jetzt...Ich weiß nicht was ich machen soll.
Am besten warte ich ab. Vielleicht will Chris ja auch das es heute endet. Er wäre die letzte Hoffnung für meine langsam bröckelnde Mauer, weil ich selbst würde ihn nach heute wahrscheinlich nicht mehr gehen lassen. Dafür habe ich ihn viel zu lange unbewusst  vermisst.
Das einzige Problem wäre dann noch Chris Beliebtheit. Ich will in der Schule meinen Stand ganz unten Behalten. Chris an mich heran lassen ist schon zu viel dann brauch ich nicht auch noch den Rest meiner Ehemaligen Freunde zurück.  Außerdem glaube ich kaum das sie eine 'Prostituierende Babymörderin' wieder in ihren Beliebtenkreis aufnehmen würden. Also wäre das schon mal geklärt. Ob Chris wohl zu lassen würde das wir unsere Beziehung geheim halten?
"Was ist los?" reißt Chris mich aus meinen Gedanken. Ich schüttel meinen Kopf. Die Angst davor, dass er nach heute alles beenden könnte ist zu groß als das ich ihm sagen könnte was in mir vorgeht.
Plötzlich fällt mir ein das ich heute Tanzen habe. Gut das ich noch daran gedacht habe. "Wie spät ist es?" frage ich ihn. "Keine Ahnung, wahrscheinlich so gegen um 3." "Ich muss gegen 6 zu Hause sein!" teile ich ihm mit. Dann habe ich noch genug Zeit um mich zu Duschen, meine Tasche zu Packen und zum Club zu gehen.
"Kommst du am Abend wieder zu mir?" fragt er unsicher nach einem kurzen zögern. "Ich kann aber erst nach 11 kommen!" "Soll ich dich-" Ich wusste was er fragen will, aber vom 'Flash' bis zu Chris war es viel kürzer als  vom Club bis zu mir.
 


Königin der NachtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt