Kapitel 3

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*Emily*

Seit unserem Treffen hatte sich Johannes noch kein einziges Mal gemeldet. Drei Tage waren nun verstrichen ohne eine Nachricht von ihm. Ich hatte ihm vor einem Tag geschrieben, dass es mir gefallen hätte und ich es gerne wiederholen würde, doch es kam keine Reaktion. Dank der Whatsapp Funktion konnte ich sehen, dass er ständig online war, doch er antwortete mir nicht. Es machte mich traurig und wütend zu gleich.  Vielleicht hatte ihm der Kinobesuch nicht gefallen. Oder war der Kuss zum Abschied zu viel gewesen? , fragte ich mich. Hatte er sich überrumpelt gefühlt? Es türmten sich so viele Fragen in mir auf, dass ich Angst hatte daran zu ersticken. „So kann das nicht weiter gehen!“ sagte ich zu mir selbst und griff nach meinem Handy, in das ich eine Nachricht an Marie eintippte. Auf meine Bitte hin klingelte sie zehn Minuten später sturm an meiner Tür. Trotz meiner Verzweiflung musste ich grinsen. Marie war die chaotischste Person die ich kannte und das macht sie so liebenswert. Wäre sie nicht so chaotisch hätte ich meine beste Freundin schließlich gar nie kennengelernt. Die erste Begegnung fand in einem Sandkasten auf dem kleinen Spielplatz statt, der bis heute unser gemeinsamer Lieblingsplatz war. Marie hatte damals ausversehen meine Sandelsachen mit nach Hause genommen, worauf hin ich mit meinen zweieinhalb Jahren wie am Spieß schrie. So waren wir damals auf einander aufmerksam geworden und haben uns dann paradoxerweise angefreundet. Auch unsere Mütter haben damals auf dem Spielplatz Freundschaft geschlossen und so standen unsere Familien schon lange in Kontakt zueinander. Auch heute gingen wir wieder auf den Spielplatz der uns verbunden hatte. Wir setzten uns dort immer auf die Schaukeln wenn wir etwas Wichtiges zu besprechen hatten oder wenn einer von uns Probleme hatte. „Was ist denn los Emily? Du schreibst die letzten Tage so anders. Ist alles okay? Hat es mit deinem süßen Sänger zu tun?“ besorgt betrachtete meine beste Freundin mich. „Weißt du, das war so…“ Ich schilderte ihr unser Treffen bis ins kleinste Detail, nichts ließ ich aus. „Na das klingt doch alles super! Das mit dem Mädchen hinter euch ist ein bisschen komisch, aber mach dir doch deswegen keine Sorgen. Hast du Angst vor ihr oder was?“ fragte sie mich und lachte. „Nein, es hat nicht mit dem Mädchen zu tun. Er meldet sich nicht mehr“ klärte ich sie auf, woraufhin sie ein bedauerndes „Oh!“ von sich gab. Schweigend schaukelten wir vor und zurück. Nur das Quietschen der Scharniere und das Rauschen des Windes in den Bäumen war zu hören. Wir dachten beide angestrengt über eine Lösung des Problems nach. „Paul hat doch die Band organisiert, vielleicht kann er über einen der anderen Bandmitglieder etwas herausfinden“, platze Marie nach einer Weile Stille begeistert heraus. „Du Marie, ich wollte da jetzt eigentlich nicht noch jemanden mit reinziehen. Das ist doch voll peinlich.“ druckste ich herum. „Ach Quatsch mit Soße. Paul ist doch so ein verständnisvoller Junge. Hallo? Was glaubst du was er macht? Er wird dich sicher nicht auslachen oder so! Glaub mir.“ Mit diesen Worten zückte sie ihr Handy und tippte auf dem Display rum. „Marie lass das, ich will ihn nicht auch noch damit nerven….“ „Schon zu spät“, unterbrach sie mich und drückte auf senden der Nachricht. Marie und ich diskutierten ohne Unterlass ob das nun gut war oder nicht, als Paul bereits vor uns stand. „Hey Mädels, das hört sich ja nach einem eindeutigen Fall an: DU BIST VERLIEBT!“ begrüßte er uns und grinste mich dabei offen an. „Man Paul das stimmt doch gar nicht. Wir sind nur Freunde, es ist nur so dass… also dass“ blöderweise fiel mir in diesem Moment nichts passendes ein und Marie und Paul schauten mich grinsend und fragend an. „Ja? Das was Emily, das was?“ sie konnten sich nicht mehr zusammenreißen und prusteten los. „Ihr seid doch doof! Zwischen Johannes und mir läuft nichts! Wir sind Freunde das ist alles und mich wundert es einfach das er mir nicht antwortet.“ verteidigte ich mich. „Ok ok ich werde versuchen dein verliebtes Verhalten auszublenden“ zwinkerte er mir zu: „Also auf die Band bin ich durch Jakob gekommen. Er ist ein guter Freund von mir, wir waren in der Grundschule in derselben Klasse und er hat mir einmal von seiner Band erzählt. Naja und als wir dann deine Überraschungsparty geplant haben habe ich ihn einfach gefragt ob er nicht mit seiner Band spielen könnte.“. „Ja und? Mensch Paul jetzt komm mal zum Punkt“ nörgelte Marie: „Du bist ja noch schlimmer als ich was das Reden betrifft“. „Ja jetzt warte, jetzt kommt der Spannende Teil! Er meinte er kann das natürlich nicht alleine Entscheiden und dann hat er mir… das hier gegeben!“ stolz zog er während seiner Ansprache einen Zettel aus der Hosentasche den er mir nun überreichte. Schnell faltete ich das zerfledderte Papier auseinander und las den Text. Es war eine Adresse, und zwar die Adresse des Kellers in dem die Jungs immer probten. Unter der Adresse stand noch etwas, was man kaum noch lesen konnte, da der Zettel genau an dieser Stelle gefaltet worden war. „Was steht da noch? Ich kann es nicht lesen“ stellte ich enttäuscht fest. „Zeig mal her“ meinte Marie ungeduldig und rupfte es mir aus der Hand. „Mhm das kann man ja wirklich kaum lesen… Ah ich glaub ich habs jetzt. Teambesprechung und feste Probe ist jeden Donnerstag um 15:30 Uhr steht da.“ las sie uns vor und Paul schaute uns erwartungsvoll an. „Na was sagt ihr jetzt?“ wollte er von uns wissen und wir schauten ihn fragend an. „Naja was bringt uns das denn jetzt?“ überlegte Maire während sich Paul mit der flachen Hand an die Stirn schlug. „Kombiniert doch mal! Heute ist Donnerstag und zwar 15 Uhr. Wir haben also eine halbe Stunde Zeit dort hinzugehen und dann kannst du mit Johannes reden, wahrscheinlich gibt es eine ganz einfache Erklärung für das ganze“ klärte Paul uns auf. „Nee lass mal. Wie kommt das denn wenn ich da jetzt einfach…“ „Keine Widerrede! Du kommst jetzt mit“ sagten die beiden und zerrten mich gemeinsam aus der Schaukel hoch. Zu zweit waren sie stärker als ich und so machten wir uns auf dem Weg zu Revolverheld, was mir nicht so geheuer war.

*Johannes*

Ich machte mich direkt nach der Arbeit auf dem Weg zu unserem Probenraum. Heute war mal wieder so ein Tag an dem ich Überstunden machen musste, weil so ein großer Betrieb im Café herrschte. Dadurch hatte ich nicht einmal mehr Zeit mich zu duschen, da ich nicht zu spät kommen wollte. Ich hatte noch zwanzig Minuten Zeit und setzte mich in den erstbesten Bus, da ich damit beschäftigt war meine Kopfhörer aus meiner Hosentasche zu pfriemeln. Eine Haltestelle weiter hatte ich es dann geschafft und verfluchte mich schon selbst das ich ausgerechnet heute nicht das Auto hatte nehmen können. Genervt steckte ich die Kopfhörer in mein Handy um Musik zu hören, als ich aus dem Fenster blickte. Mist! In welchem Bus saß ich eigentlich gerade? Schnell fragte ich die alte Dame die neben mir saß und musste mit Bedauern feststellen, dass ich in einem falschen Bus saß. An der nächsten Station stieg ich wieder aus und bemerkte, dass ich mich in einer Wohngegend befand, die ich früher öfter betreten hatte. Hier wohnte Jennifer meine Exfreundin, wegen der ich Emily nun nicht mehr treffen wollte. So schnell wie es mir möglich war machte ich mich auf den Weg diese Umgebung zu verlassen. Hastig bog ich um die Ecke, wo ich Jennifer direkt in die Arme lief. „Hallo Johannes! Schön dich mal wieder zu sehen. Wolltest du mich besuchen kommen?“ begrüßte sie mich mit einem fiesen Lächeln. „Wie hatte ich mich damals nur auf sie einlassen können?“ fragte ich mich und versuchte mich einfach an ihr vorbei zu drücken. Ich wollte einfach nur weg. Denn inzwischen hatte ich nur noch fünfzehn Minuten um zum Probenraum zu kommen. „Warte doch mal. Wo willst du denn hin?“ versuchte sie mich vom Gehen aufzuhalten woraufhin ich nur antwortete: „Das geht dich nichts an!“. „Hey, jetzt sei doch mal nicht so unfreundlich. Ich möchte mich doch nur ein bisschen mit dir unterhalten. Man Johannes jetzt bleib doch mal stehen.“ „Jennifer! Ich habe einen Termin und den will ich nicht versäumen, um Zeit mit dir zu verbringen. Das mit uns ist aus und ich weiß nicht worüber wir noch reden sollten.“ Verabschiedete ich mich von ihr, doch so leicht ließ sie sich nicht abwimmeln. „Dann komme ich eben einfach mit. Erzähl mal, wie geht es dir?“ total entnervt presste ich ein „Gut!“ durch die Zähne. „Neulich im Kino, war das deine Freundin?“ kam sie auch schon zu dem Thema über das ich absolut nicht mit ihr reden wollte. „Nein, es war ein rein freundschaftliches Treffen“ stellte ich unzufrieden klar. Sie stellte mir noch alle möglichen Fragen, wo ich sie kennengelernt hätte und warum ich mit ihr alleine im Kino war usw. Ich wich ihren Fragen so gut es ging aus und verriet nichts was sie nicht wissen durfte, ich wollte nicht das sie herausfand, wer Emily war. Zehn Minuten zu spät, bogen wir dann endlich in die Zielstraße ein und ich erklärte Jennifer, dass ich nun gehen müsste. Sie nahm es erstaunlich gut auf und lächelte mich sogar mit einem echten Lächeln an und zog mich dann in eine Verabschiedungsumarmung. Diese Umarmung war mir zwar nicht recht, doch ich ließ sie zu, in der Hoffnung sie würde mich nicht mehr lieben. Genau in diesem Moment zischte sie mir scharf ins Ohr: „Ich weiß alles über sie! Lass die Finger von Emily!“ mit schnellen Schritten entfernte sie sich und ich schaute ihr entgeistert hinterher. Erst einige Minuten später konnte ich mich aus der unheimlichen Starre lösen.

*Emily*

Wir standen um punkt halb vor der Tür des Hauses in dessen Keller Revolverheld probte. Kris war der erste der kam. Er erkannte uns sofort und lud uns mit ins Innere des Probenraumes ein. „Wollt ihr was trinken?“, fragte er und kam schließlich mit vier Colaflaschen von dem Kühlschrank zurück, der in der Ecke des Raumes neben dem Schlagzeug stand. „So und jetzt erzählt mal wieso ihr euch in diese Gegend verirrt habt. Steht noch ein Geburtstag an“ zwinkerte er uns zu und überreichte jedem von uns eine der Flaschen. „Ach wir wollten uns einfach nochmal bei euch bedanken. Ihr wart super an Emilys Geburtstag und naja wenn ihr nichts dagegen habt würden wir mal ein bisschen bei eurer Probe zuschauen“ erklärte Paul die Situation während ich ihn ein wenig verwirrt anschaute. Erst jetzt wurde mir bewusst wie bescheuert die Idee eigentlich war. Was sollte ich denn zu Johannes sagen? Nachdenklich ging ich zu dem kleinen Fenster durch das man auf die Straße schauen konnte. Ich beobachtete einen kleinen Vogel, der vor dem Fenster auf und ab hüpfte und hörte im Hintergrund wie sich die anderen unterhielten. Auch die drei anderen Jungs waren bereits gekommen, nur Johannes selbst fehlte noch. Alle meinten dass es kein Problem wäre und wir gerne zuschauen konnten, als der Vogel seine Flügel ausbreitete und sich in die Lüfte erhob. Mein Blick folgte ihm wie er auf die andere Straßenseite flog, doch plötzlich wurde ich abgelenkt, durch zwei Personen die eng umschlungen dort standen wo der kleine harmlose Vogel seine Runden flog. Ich hörte die Hintergrundgeräusche nur noch vorbeirauschen, ich konnte weder denken, noch konnte ich mich bewegen. Ich stand da ohne eine einzige Bewegung und bekam kaum mit, wie mir die Colaflasche langsam aus der Hand rutschte, um dann mit einem lauten Klirren auf dem Boden zu zerspringen. Alle anderen Geräusche verstummten und ich spürte wie sich die Blicke der anderen in meinen Rücken bohrten.

Revolverhelden zum Verlieben #Wattys2015Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt