12. Kapitel

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»Wo geht’s denn hin?«, fragte der Typ mit diesen üppigen Lippen alias mein Babysitter, als ich mal wieder die Treppe hinunter stieg.

Sein Blick verweilte auf mir und somit auf meinem langen, luftigen violetten Kleid, das beim Ausschnitt einige goldene Schnörkel hatte. Es war beinahe rückenfrei, sparte jedoch auch bei der weite des Ausschnitts nicht, was Yves durchaus bemerkt haben musste. Dazu trug ich hohe, schwarze Pumps an, die eines meiner Lieblinsstücke waren. Meine braunen, schulterlangen Haare, hatte ich über mehrere Stunden mit sämtlichen Haarnadeln, die ich gefunden hatte, zu einem lockeren Knoten hochgesteckt und, damit sie nicht gleich wieder auseinander fielen, mit Haarspray befestigt. Ich musste mich selbst dafür loben, da ich einfach nur umwerfend aussah.

»Ich habe ein Date«, antwortete ich selbstsicher auf seine Frage.

Er nickte. Sah ich etwa richtig, oder waren meine Kontaktlinsen verrutscht? Nein, es war eindeutig, dass sein Kopf die Bewegung des immerwährenden Auf und Ab tat. Und gerade als ich mich fragte, wieso er nickte, sah ich, wie er meine Agenda in die Höhe hielt. Dieser…

»Ich korrigiere dich. Wir haben heute ein Date mit Mo, wenn ich mich nicht irre. Aber in dem Aufzug gehst du da sicherlich nicht hin«, unterbrach er meine Gedanken.

»1. Hast du nicht in meinen Sachen zu schnüffeln und 2. was bitte schön ist an meinem Outfit nicht in Ordnung?!?«, fragte ich.

Gegen Ende erhöhte sich meine Stimme, wie immer wenn ich aufgebracht zu reden begann. Auch wenn dies nicht gerade besonders respektvoll klang.

Ich verstand einfach nicht, wie er mein Auftreten bemäkeln konnte. Ich hatte mir sehr viel Mühe gegeben und dazu mehrere Stunden gebraucht. Meine perlend schimmernden Nägel hatte ich sogar ausnahmsweise selbst bemalt.

Was jedoch der absolute Höhepunkt war, dass er sich doch tatsächlich meine Agenda unter den Nagel gerissen hatte. Darin standen alle meine persönlichen Angelegenheiten unter anderem wann meine Menstruation wieder anfangen würde. Auch alle Termine und Verabredungen für das ganze Jahr standen dort drin.

Aber wie so oft war ihm meine Privatsphäre egal. Ansonsten hätte er wohl kaum gesagt, dass »wir« ein Date hatten. Er wollte also mitkommen, verdammt. Ich trat von einem Fuss auf dem anderen immer noch darauf wartend, dass er mir eine Antwort gab.

»Zu overdressed. Du weißt nicht einmal in welches Restaurant ihr geht. Die einzige Information, die du hast, ist die, dass es erst neulich geöffnet hat. Und ich bin mehr als nur sicher, dass du nicht im Internet nachgeschaut hast, welche neu eröffneten Lokale es hier gibt«, sagte er schliesslich, packte mich am Arm und schleppte mich die Treppe hinauf in mein Zimmer. Dort liess er mich los, suchte die kleine, handliche Fernbedienung, um den Rollladen meines Kleiderschranks zu öffnen. Ein weiterer Traum in Pink wurde freigegeben, in dem Yves auch sogleich verschwand. Was tat er da? War er tatsächlich der Meinung, ich könnte mir meine Kleidung nicht selbst aussuchen? Ich war im Stande dies zu tun und es beleidigte mich, dass er so wenig von mir hielt.

Aber womöglich hatte er recht. Es war sicherer, wenn ich etwas anzog, das weniger auffällig war, dafür aber zu jeder Art von Lokal passte. Aber dass nun Yves auch noch mit einem meiner Lieblingskleider herauskam, passte mir gar nicht. Am liebsten hätte ich ihn schadenfroh ausgelacht und ihm gesagt, was für einen schrecklichen Geschmack er doch hatte, doch dann hätte ich meinen eigenen Styl verschmäht und mich selbst damit diskriminiert.

So nahm ich einfach das Kleid, das er mir nun entgegenstreckte und lief von ihm davon zum Badezimmer. Dort zog ich besagtes Kleidungsstück an und betrachtete mich, so gut es ging, im Spiegel oberhalb des Waschbeckens. Anders als das violette war es bloss knielang. Das schlichte Weiss machte es in diesem ebenfalls hellen, weissen Raum fast unscheinbar. Nur die zarte, gehäkelte Verzierung, die in einem Dreieck unterhalb des runden Ausschnitts angebracht wurde, unterschied es zu einem völlig normalen, weissen Kleid. Es passte zu mir und genau das schien auch Yves zu denken, der plötzlich hinter mir stand. Er lächelte zufrieden, was mir keineswegs gefiel. Aber wieso gefiel es mir nicht? Sah er nicht einfach zum Anbeissen aus, wie er dort stand?

Ausgerechnet Mr.Babysitter!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt