𝙲𝚑𝚊𝚙𝚝𝚎𝚛 𝟷

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𝙏𝙖𝙚𝙝𝙮𝙪𝙣𝙜

Teilnahmslos starrte ich auf den leeren Teller vor mir. Er war genauso leer, wie ich mich gerade fühlte.
Außer den leisen Kaugeräuschen meines Vaters, war es mucksmäuschenstill im Esszimmer. Es schien beinahe so, als wäre die Zeit stehen geblieben, und nur mein Vater und ich gingen weiterhin unseren Gewohnheiten nach. Ich war diese Stille nicht gewohnt, ich fühlte mich nicht wirklich wohl.
Stumm betrachtete ich das gekochte Essen auf dem großen Familientisch. Ich hatte keinen Hunger. Ganz im Gegensatz zu meinem Vater, der sich mittlerweile die zweite Portion auf seinen Teller schöpfte.

Mit einem kaum wahrnehmbaren Seufzen, ließ ich meinen Blick das Gesicht meines Vaters fallen. Er hatte mir während des gesamten Essens noch kein Wort geschenkt. Geschweige denn mich eines Blickes gewürdigt.

Ich musterte ihn langsam.
Seine dunklen, fast schwarzen Haare, wurden am Ansatz langsam grau. Sie standen durcheinander in alle Richtungen ab, er hatte sich seit Tagen nicht mehr gekämmt. Unter die Dusche war er auch seit Ewigkeiten nicht mehr gestiegen. Das war ihm allerdings herzlich egal, immerhin lungerte er sowieso nur auf dem Sofa herum.

Ich presste die Lippen aufeinander. Seit meine Mutter mit meinen restlichen Geschwistern abgehauen war, hatte er sich gehen lassen. Manchmal zweifelte ich wirklich daran, ob er überhaupt noch irgendeinen Sinn im Leben fand. Das einzige was er machte, war essen und schlafen. Und das in einem unregelmäßigen Rhythmus. Es gab Tage, an denen er sich selbst fürs Essen zu schade war, und lieber im Bett liegen blieb. Was ich dann machen sollte, war ihm scheinbar egal.

Traurig dachte ich an die Zeit vor einigen Monaten zurück. Ich hatte schon seit längerer Zeit gewusst, dass meine Mutter unglücklich war. Doch dass sie einfach verschwinden würde, hätte ich nicht erwartet. Und dass sie ausschließlich meine zwei kleinen Geschwister mitnehmen würde, erst recht nicht.

Wo sich mir die Frage stellte, wieso sie mich hier zurück gelassen hatte. War ich ihr etwa nicht wichtig genug?

Das Verhältnis zu meinem Vater war sowieso noch nie sonderlich gut gewesen. Er würde mir nicht wirklich fehlen. Zumindest nicht so sehr, wie es mir meine Mutter gerade tat. Ich hatte sie immer geliebt, und ich war davon ausgegangen, dass es ihr bei mir ebenfalls so ging. Es gab nie einen Grund für mich, das in Frage zu stellen. Doch anscheinend hatte ich irgendetwas in unserer Mutter-Sohn Beziehung übersehen, denn ich hatte mich wohl geirrt.

Ruckartig ließ mein Vater das Besteck auf den Tisch klirren und stand auf. Ich zuckte leicht zusammen, und blickte zu ihn empor, nur um dann zuzusehen wie er ohne weiteres das Esszimmer verließ.

Laut seufzend ließ ich meinen Blick über den Tisch gleiten. Pflichtbewusst stand ich ebenfalls auf, und stellte die Teller ineinander. Müde räumte ich die Sachen in die Küche, und spülte alles gründlich ab.

Nachdem ich alles aufgeräumt hatte, verzog ich mich in mein Zimmer.
Ich legte mich mit dem Rücken auf mein Bett und versank in meinen Gedanken. Der einzige, auf den ich mich zur Zeit verlassen konnte, war Jungkook. Er war schon seit der sechsten Klasse mein bester Freund, und würde es wohl immer bleiben. Ein Leben ohne ihn könnte ich mir nicht mehr vorstellen.

Ich lächelte leicht. Er war älter als ich, und hatte letztes Jahr seinen Abschluss gemacht, während ich immernoch in meinem Abschlussjahr festsaß. Er war allgemein, mit seinen zwanzig Jahren, schon viel selbstständiger als ich. Er lebte alleine in einer kleinen Wohnung in der Nähe, und hatte sich mittlerweile ein Auto gekauft.
Ich selber wurde in ein paar Wochen erst neunzehn.

Ich blinzelte leicht, und stand von meinem Bett auf. Ich hatte in den nächsten Wochen einige Prüfungen, für die ich noch lernen sollte. Meine Noten in diesem Jahr waren nur mangelhaft, bis zu den Abschlussprüfungen sollte ich das eventuell noch ändern. Und dabei wusste ich sowieso noch nicht, was ich danach mit meinem Leben anfangen sollte. Früher wollte ich Arzt werden, genau wie meine Mutter. Leider waren meine schulischen Leistungen dafür alles andere als ausreichend, weshalb ich auf diesen Beruf wohl leider verzichten musste. Mir fiel keine Alternative dazu ein, für ein Studium war ich sowieso zu faul. Ich wollte so schnell wie möglich genügend Geld für eine eigene Wohnung auftreiben, um endlich von hier weg zu kommen. Doch so, wie meine Noten momentan standen, musste ich meine Klasse wohl nochmal wiederholen. Was das anging, konnte meine Zeit in der Schule wohl noch ein Weilchen dauern.

Seufzend betrachtete ich die Umschläge meiner Bücher. Nicht ein einziges Thema interessierte mich. Nie hätte ich gedacht, dass ich einmal solche Probleme in der Schule bekommen würde.
Ich strich mit meinen Fingerkuppen über das kühle Material, mich dazu überwindend, endlich anzufangen.

Das zwanzigste Jahrhundert.

Ich konnte mich noch nie wirklich mit Geschichte anfreunden. Doch was gemacht werden muss, musste eben gemacht werden.

Plötzlich wurde die Tür zu meinem Zimmer aufgeschwungen, welche dann mit einem lauten Knall gegen Wand dahinter knallte. Erschrocken zuckte ich zusammen und fuhr zu meinem Vater herum, welcher von jetzt auf gleich in meinem Zimmer stand.

"Taehyung" brüllte er erzürnt, mit einem Kopf so rot wie eine Tomate. "Wo sind die 15000 Won, die auf dem Sofatisch lagen?"

Nervös presste ich die Lippen aufeinander. Ich hatte sie mir heute morgen genommen, da ich nie Geld für die Mittagspause hatte. Mir war von Anfang an klar gewesen, dass das noch Ärger geben würde. Allerdings wusste ich nicht was ich sonst machen sollte, irgendetwas musste ich ja essen. Vor wenigen Monaten hatte sich meine Mutter noch darum gekümmert, und auf meinen Vater konnte ich in diesem Thema sowieso nicht zählen.

Als ich meinem Vater nicht antwortete, machte er ein paar weitere, drohende Schritte auf mich zu.

"Ich will nicht, dass ein dreckiger Dieb unter meinem Dach lebt" murmelte er leise, und ich dachte fast, eine Woge Enttäuschung in seiner Stimme zu hören.

Ich wollte ihm gerade sagen, dass es doch nur 15000 Won waren und er nicht so übertreiben sollte, doch ich schloss meinen Mund schnell wieder. Das würde es nurnoch schlimmer machen.

"Verschwinde" flüsterte er nur. Erst jetzt roch ich den Geruch nach Alkohol, der ihn umgab.
Schockiert starrte ich ihn an. Das konnte er nicht ernst meinen. Wo sollte ich denn bitte hin? Ich war minderjährig! Es war illegal, mich einfach rauszuwerfen.
Nicht dass ich es hier vermissen würde. Aber ein Dach über dem Kopf wäre schon nicht schlecht.

Abwartend starrte mein Vater mich an. Er meinte es tatsächlich ernst. Er wollte mich rauswerfen.
Wie in Zeitlupe stand ich auf, beinahe unfähig zu atmen.

"Morgen früh bist du weg!" meinte er, meiner Meinung nach viel zu nah an meinem Gesicht. Seine Alkoholfahne schnürte mir beinahe den Atem ab. Vermutlich war es ganz gut, wenn ich verschwinden würde. Das hier war doch kein Leben.

Mein Vater verschwand ohne ein weiteres Wort wieder aus dem Raum, was mich erleichtert aufatmen ließ. Kurzerhand lief ich zu meinem Fenster und riss es auf, damit der ekelhafte Alkoholgestank sich wieder verflüchtete.

Ich genoss die kühle Sommerluft, welche sich augenblicklich an meinen Körper schmiegte. Entspannt seufzte ich, und betrachtete die Sonne, welche langsam hinter dem Horizont verschwand. Der Himmel war in dunkles rot getaucht, was der kalten Abendluft eine warme Athmosphäre verlieh. Nervös dachte ich darüber nach, wohin ich jetzt gehen sollte. Allerdings hatte ich diesbezüglich sowieso keine großen Möglichkeiten zu entscheiden.

Jungkook war in jedem Fall mein einziger Freund.

Er würde mich sicherlich mit offenen Armen empfangen, daran zweifelte ich nicht. Allerdings mochte ich es nicht wirklich, andere nach derartiger Hilfe zu bitten. Mir wurde in diesem Fall wohl keine andere Wahl geschenkt, zumindest keine denkbare. Ich würde Jungkook ganz klar dem Leben auf der Straße vorziehen.

Mit einem konstanten Unwohlsein warf ich mich zurück auf mein Bett, und versuchte all die unguten Gedanken, die langsam ihren Weg in mein Gehirn suchten, zu verbannen.

75% dieses Kapitels habe ich heute im Unterricht geschrieben. Das ich auf Grund der Klassenarbeit nächster Woche lieber zuhören sollte, ignorieren wir mal.
Jedenfalls bin ich todmüde, wie jeden Tag tbh. Aber Hey was soll man machen, wenn man lieber bis um 12 Nachts Netflix guckt, anstatt zu schlafen?
Ich hoffe jedenfalls, euch hat das erste Kapitel gefallen :) Und ich wünsche euch noch einen schönen Tag/Nacht~

𝗥𝗼𝗮𝗱𝘁𝗿𝗶𝗽 ᵛᵏᵒᵒᵏWo Geschichten leben. Entdecke jetzt