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Seine privaten Daten waren natürlich in der Firma hinterlegt. Er atmete lange tief durch. Und wurde langsam ruhiger. Er musste mit Samantha sprechen. Vorher konnte er die Situation nicht einschätzen. Solange würde er auch nichts gegenüber Stefanie erwähnen. Solange musste er seine Furcht verbergen. Das Wochenende sich verhalten wie immer.

Montagmorgen auf dem Weg zur Arbeit dachte Finn, dass er das Wochenende erstaunlich gut bewältigt hatte. Stefanie war ganz offensichtlich nichts Besonderes aufgefallen. Sie hatte auch nicht bemerkt, dass er jedesmal zusammenzuckte, wenn das Telefon geklingelt hatte. Auch nicht, dass er mehrfach den Briefkasten kontrollierte. Und auch nicht, dass er insbesondere in der Nacht von Sonntag auf Montag kaum geschlafen hatte. Sich vor Sorgen dauernd umwälzte. Letztendlich war er froh, dass es nun Montag warund er hoffentlich einen Schritt weiterkommen konnte. Er hatte sich bemüht, sich nicht alle Höllenvarianten auszumalen, wie Samantha ihn attackieren konnte. Sondern sich mehr auf mögliche Antworten und Reaktionen konzentriert. Er hatte sogar seine Finanzen kalkuliert, falls Samantha ihn um Geld für ihr Schweigen angehen sollte. Der Arbeitstag fing ganz normal an. Nur Finn konnte sich schlecht konzentrieren, schaute immer wieder auf dem Flur Richtung Buchhaltung, traf aber nicht mit Samantha zusammen. Zur Mittagspause hielt er es nicht mehr aus und brachte außerhalb der Routine selbst eine freigezeichnete Rechnung in die Buchhaltung. Auch hier sah er Samantha nicht. Ganz nebenbei erkundigte er sich, wo denn der Sonnenschein der Abteilung sei. So erfuhr er, dass Samantha sich krank gemeldet hätte. Was von einer leichten Grippe gesprochen hätte. Mit einer Mischung aus Erleichterung und Frustration ging Finn an seinen Platz zurück. Keine Konfrontation - das erleichterte ihn. Aber auch keine Information, wie es weitergehen sollte. Misslaunig widmete er sich seiner Arbeit. Auch am Dienstag kam Finn nicht weiter. Wieder fehlte Samantha. Entweder sie hatte wirklich eine Grippe erwischt oder sie ging ihm und der Situation aus dem Weg. Morgen würde er mehr wissen, da müsste sie entweder eine längere Erkrankung melden oder erscheinen. Er wusste nicht, was ihm lieber war. Mittwochmorgen. Finn war übel gelaunt. Unruhig. Er hatte zudem eine schlechte Nacht hinter sich. Die Ungewissheit machte ihm zu schaffen. Stefanie hatte sich schon nach seinem Wohlbefinden erkundigt, doch er hatte etwas von stressigen Zeiten und vielen Problemen auf den Baustellen gemurmelt. Sie hatte ihm über den Kopf gestreichelt und gemeint, er müsste mehr für seine Entspannung tun. An dieser Stelle hätte er fast laut aufgelacht. Im Büro angekommen, mied er jeden Gang und Blick in Richtung Buchhaltung. Versuchte sich abzulenken. Da hörte er ihre Stimme auf dem Flur, sah sie kurz vorbeigehen. Samantha war da. Endlich. Er war elektrisiert, als ob er a ein offenes Kabel gefasst hätte. Heute hatte er keine Außentermine- nun war damit eine Begegnung mit ihr definitivunausweichlich. Er wusste nicht, was er erwartet hatte. Aber bis zum Mittag meldete sich Samantha nicht, bekam auch keine Mail und bekam sie auch sonst nicht zu Sicht. Schon war die Mittagspause vorüber und der Nachmittag angebrochen. Finn sah die Gefahr, dass der Tag einfach so zu Ende gehen würde. Er wollte aber nicht wieder warten. Auf morgen. Auf ein Gespräch. Er griff zur Tastatur und startete eine neue Mail.
"Hallo", war alles was er schrieb. Und sendete es an Samantha. Gebannt beobachtete er seinen Bildschirm. Nichts. Er versuchte, sich auf den vor ihm liegenden Bauplan zu konzentrieren, aber es fiel ihm sehr schwer. Dann, 10 Minuten später kündigte ein kleiner Pling eine neue Mail an. Ihre Antwort: "Hallo". Das sagte gar nichts. Er musste unweigerlich schmunzeln. Er war auch nicht viel besser. Sollte er rüber in die Buchhaltung gehen? Aber er hatte kein Interesse, ihr das erstemal wieder ins Gesicht zu schauen, wenn viele Kollegen drum herum stehen. Wieder griff er zur Tastatur. "Schön, dass es Ihnen wieder besser geht." Diesmal kam die Antwort umgehend. "Danke. Brauchte etwas Ruhe." Finn fasste seinen Mut zusammen und schrieb "Wir müssen sprechen." Die Antwort lies nicht auf sich warten "Ja. Wann?" Finn überlegte. Er wollte die Sache schnell angehen. Und heute Abend stand nichts Weiteres an. So schrieb er "heute? Später, wenn das Büro leer ist?" "Ich gehe heute früh, habe um 18.00 Sport". Er biss sich auf die Lippe. Nicht noch eine schlaflose Nacht. "Können Sie ... nachher noch mal kommen?" "Ok. 20.00 Uhr? Hier?" erleichtert tippte er seine Antwort "alles klar". Beide löschten die Mails. Man konnte nie wissen. Selten hatte er so einen Blödsinn geschrieben. Von wegen "alles klar". Ihm war nicht klar, was er Samantha sagen wollte. Was würde Samantha sagen? Was war ihr Plan? Gegen 17.00 Uhr rief er Stefanie an, um ihr aufzutischen, dass kurzfristig eine wichtige Besprechung für ein neues Projekt angesetzt worden sei und dass es mal wieder spät werden könnte. Seine Frau nahm die Nachricht gelassen. So etwas kam jeden Monat zwei, dreimal vor. Solange Finn dafür an den anderen Abenden so früh heim kam akzeptierte sie diese Überstunden klaglos. Die Zeit schien zu schleichen. 18.00 Uhr. Die meisten Kollegen gingen. 19.00 Uhr. Jetzt waren noch drei Personen im Haus. Finn holte sich ein Glas Wasser. Hunger hatte er keinen, er hätte jetzt keinen Bissen runter bekommen. Gegen halb acht verließ der Geschäftsführer das Haus und wünschte noch einen schönen Abend. Kurz danach ging auch sein Kollege Paul, Spezialist für öffentliche Aufträge. Er war nun allein. Noch 20 Minuten. Nervös spielte Finn mit einem Lineal. 20.00 Uhr. Würde Samantha kommen? Oder einfach diesen Termin verstreichen lassen? 20.05 Uhr. Finn spürte, wie ihm leicht übel wurde. 20.08 Uhr. Er hörte Schritte. Die Etagentür ging auf. Samantha kam herein. .Er lauschte dem Schlagen ihres strammen Schrittes. Sicher. Entschieden. Ihm wurde kalt. Sie war in einer grellbunten Jeansjacke gekleidet.Dazu eine enge Jeans und schwarze Stiefelchen. Sehr sexy. Aber dafür hatte Finn im Moment keine Augen.

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