Mein Handy klingelt nach gefühlten zehn Sekunden Schlaf. Mit geschlossenen Augen taste ich nach der nervigen Melodie.
"Ja?", krächzte ich.
"Hey, Maya, warum gehst du die ganze Zeit nicht an dein Handy?", fragt Anna besorgt. Erschrocken reiße ich meine Augen auf und schaue auf den Wecker. 3 am, als ich angekommen bin, waren es 8 pm. "Oh, Mist Anna, ich hab vergessen dich anzurufen. Ich war so müde vom Flug, ich wollte mich nur kurz hinlegen. Da bin ich richtig weggepennt."
"Naja, ist ja nicht so schlimm. Hatte mir nur schon Sorgen gemacht."
"Ja, tut mir leid", murmel ich leise. "Wie ist es denn schon so?"
Ich blicke mich im Zimmer um, "Im Moment ist noch nichts passiert. Ich hab ein eigenes Bad und die Aussicht ist auch ganz nett", ich schaue aus dem Fenster.
"Und was habt ihr heute so vor?", fragt sie neugierig.
"Keine Ahnung. Wahrscheinlich zeigt sie mir die Schule", ich schlage die Hände über dem Kopf zusammen, "Oh nein, morgen muss ich ja schon zur Schule. Ich hab gar keinen Bock die Neue zu sein".
"Ach, das wird schon, mach dir da mal keine Gedanken. Du findest immer schnell neue Freunde. Am Anfang ist es ja immer schwer, aber ich kenn dich doch. In zwei Wochen willst du nicht mehr weg aus Kanada", sie lacht am anderen Ende der Leitung.
"Ich weiß nicht. Ich kann nicht so gut Englisch. Und hier weiß ich gar nicht, wie die Leute drauf sind. Bestimmt sind das voll die Hinterwäldler."
Anna wird sauer: "Was ist das denn? So kenn ich dich ja gar nicht. Du weißt doch gar nicht, wie die Leute da sind!"
Ich seufzte: "Ja, du hast ja recht. Ach, ich weiß auch nicht."
"Maya, geht es dir gut?"
"Ja, alles klar. Ich glaub ich muss einfach erstmal nur ankommen und mich aklimatisieren. Ich geh jetzt zu Tante Maggi runter."
"Ok, ich hab dich lieb. Machs gut und du schaffst das!"
"Ja, ich hab dich auch lieb", verabschiede ich mich von ihr.
Dann lege ich auf und schließe nocheinmal kurz die Augen. Ich habe mit meinen Klamotten, die ich schon im Flugzeug getragen habe, geschlafen. Jetzt fühle ich mich ein wenig ekelig.
Nachdem ich mich geduscht habe, gehe ich die Treppe runter in Tante Maggis Wohnzimmer.
Sie sitzt in ihrem weißen Ohrensessel und ließt die Tageszeitung. "Hey, Tante Maggi", begrüße ich sie.
"Ach Hallo Schätzchen. Hast du dich ausgeschlafen?", fragte sie mich und legte ihre Zeitung auf den dunklen Beistelltisch.
"Mhhh".
"Ich hatte gedacht, dass wir heute vielleicht ein wenig im Dorf bummeln können und dann noch auswärts essen?"
Ich nickte.
"Achso und vielleicht sollte ich dir noch den Schulweg zeigen, falls du dich morgen im Stande fühlst, zur Schule zu gehen?!"
Ich nickte wieder," Ich denke, je schneller ich zur Schule gehe, desto besser. Ich will nicht schlechter werden". Das einzige, was ich jetzt nämlich noch habe, ist die Zukunft, die ich mir nicht durch Schuleschwänzen versauen will.
"Also dann los", sie springt auf und hüllt sich in ihre warmen Winterklamotten und Stifel. Ich nehme wieder ihre alte zu große Jacke.
Draußen hat es wieder angefangen zu schneien. Von Weitem hört man einen Schneepflug arbeiten. Ich muss aufpassen, dass ich nicht auf dem festgefrorenen Eisstücken auf Straße und Bürgersteig ausrutsche. "Sag mal, du hast gar keine richtig warmen Wintersachen, oder", fragt mich Tante Maggi, während sie das Garagentor öffnet. Ich schüttel mit dem Kopf: "Nein, die Winter in Deutschland waren nie so kalt. Ich hab zwar einen Parker, aber ich glaube, der ist immer noch nicht warm genug für diesen Polarzustand."
Tante Maggi lacht. "Na gut, dann können wir dir ja sofort passende Sachen kaufen. Ich glaube nicht, dass du in meinen alten Fummeln als die olle Neue, die kein Geld für anständige Sachen hat, abgestempelt werden willst. Die Leute hier neigen manchmal zu voreiligen Schlüssen."
Ich bin froh über diesen Vorschlag. Tante Maggi überprüft nochmal ihre Schneeketten, "keine Panik, das sollte der letzte Schneefall dieses Jahr sein. Dann heizt Jasper richtig auf, warte nur ab", sie lacht und quetscht sich hinters Steuer. Dann fahren wir eine schmale, von Schnee überzogene Straße entlang ins Dorf. Es ist seltsam mit Tante Maggi shoppen zu gehen. Sie geht zielgerichtet auf bestimmte Klamotten zu und schmeißt sie mir in die Kabiene. Komischerweise passen und stehen mir alle Sachen und wir verlassen den Laden schon nach einer Stunde. Zuhause in Deutschland wäre ich für die drei Tüten mindestens sechs Stunden mit meinen Freundinnen durch alle möglichen Läden gerannt. "Jetzt muss ich erstmal auf die Toilette", schnauft Tante Maggi, als wir ein kleines Restaurant betreten haben, "Setz dich doch schonmal wo hin und lies dir die Speisekarte durch."
Ich steuere auf einen Tisch für zwei Personen zu.
"Hi", jemand tippt mir von Hinten auf die Schulter. Erschrocken fahre ich zusammen.
"Oh, sorry, ich wollte dich nicht erschrecken!", ein Junge mit großen grünen Augen und einer blonden Lockenpracht steht vor mir und grinst mich an.
"Schon gut", murmel ich und schäme mich für mein furchtbares Englisch. "Du bist die Neue aus Deutschland, oder". Ach perfekt, das fängt ja schon gut an.
Der Junge betrachtet meine Jacke. "Ist das deine?". Ich schaue an mir herunter. Mist, Tante Maggis Jacke, ausgerechnet jetzt spricht mich jemand an. Ich schüttel mit dem Kopf" Nein, das ist die Jacke meiner Tante. Ich hab heute neue Sachen gekauft."
Der Junge grinst immer noch: "Alles cool, ich mag alte Sachen", er streckt mir seine Hand entgegen, "Ich bin übrigens Zack. Und wenn du wirklich die Neue bist, dann gehen wir ab morgen in dieselbe Stufe." Ich schüttel seine Hand und lächel zaghaft.
"Mach dir mal keine Sorgen, das wird schon alles. Die Leute aus Jasper beißen nicht", er lacht.
Ich weiß nicht, was ich sagen soll, also stehe ich nur blöd da und gaffe den Jungen an.
"Ok, ich muss dann auch schon wieder los. Hausaufgaben machen und son Blödsinn", er grinst und verschwindet dann. Also wenn das so weiter geht mit mir, kann ich sofort wieder einpacken und zurück fliegen, denke ich mir. Dann fällt mir auf, dass ich mich dem Jungen gar nicht vorgestellt habe. Eine wirklich seltsame Begegnung.
Ich lasse mich auf den Stuhl fallen und zieh mir die Jacke aus.
Dann kommt auch endlich Tante Maggi und wir können etwas essen. Ich bin so hungrig, dass ich mir zu dem Hauptgericht noch einen Nachtisch bestelle.
"Na, bist du schon aufgeregt wegen morgen?", fragt Tante Maggi mich irgendwann. Ich nicke und erzähle ihr dann von Zack. "Ach, der", sie lacht, "den kenne ich noch aus Grundschulzeiten. Hat immer viel Unfug getrieben, aber einen guten Kern hat er trotzdem. Lustig, dass ihr euch hier trefft. Obwohl, hier in Jasper läuft man ständig den selben Leuten über den Weg". Satt streicht sie sich mit einer Serviette über den Mund. "Ach, das wird schon alles Maya. Die Leute in Jasper beißen nicht". Ich runzel die Stirn: "Das hat Zack auch gesagt".
"Das ist ein Insiderwitz. Weil es doch hier so viele Wölfe, Bären und anderes Viehzeug gibt. Alle beißen, nur die Menschen nicht."
Darüber mach ich mir noch Gedanken, bis ich müde in meinem neuen Bett einschlafe. Dass die Menschen hier nicht beißen, ist mir klar, trotzdem hab ich ein schlechtes Bauchgefühl, was morgen betrifft.
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Jasper's Traum
Teen FictionMaya zieht nach einem schlimmen Jahr in Deutschland zu ihrer Tante Maggi nach Kanada. In dem kleinen Dorf "Jasper"hofft sie die Vergangenheit endlich hinter sich lassen zu können und neu anfangen zu können. Doch Maya muss feststellen, dass das Verga...