I don't care
Go on altear us apart
I don't care if you do
Cause in a sky
Cause in a sky full of stars
I think I saw you
- A Sky Full Of Stars by Coldplay -
Mein Atem stieg in sanften Wasserdampfwölkchen in den sternenklaren Nachthimmel und mein Blick folgte ihm, heftete sich auf die Sternbilder, die sich mir boten. Ich liebte es den Nachthimmel zu betrachten und mal nicht umgeben vom alltäglichen Londoner Straßenlärm zu sein.
Ein Kälteschauer zog sich über meine von der Winterjacke bedeckten Arme und unter der hauchdünnen Strumpfhose an meinen Beinen bildete sich eine Gänsehaut. Es waren Minusgrade und ich stand in meinem roten Kleid, der Strumpfhose und meiner Winterjacke mitten auf einer Wiese. Mein Kleid hatte einen Riss an der Seite und ich spürte leichten Schwindel durch die Mengen an Alkohol, die ich zuvor konsumiert hatte. Sicherlich hätte ich verhindern können, dass ich um vier Uhr Nachts am Arsch der Welt war und darauf wartete, dass meine Eltern mich abholten und mich dann zusammenscheißen konnten, aber ich hatte es darauf angelegt. Es war meine eigene Schuld, dass der Typ mich aus seinem Auto geworfen hatte und stehen ließ. Hätte ich meinen Mund gehalten, dann wäre ich jetzt sicher und warm in einem fremden Bett und hätte ein bisschen Spaß in der Nacht. Stattdessen hatte ich ihm vor den Kopf gehalten, wie viel er in seinem Leben falsch gemacht hatte.
Es war normal für ihn jede Nacht eine andere bei sich Zuhause zu haben und er hatte auch kein Problem damit Auto zu fahren, obwohl er schon einen gewissen Pegel hatte. Seine Moralvorstellungen waren komplett im Eimer und sein gutes Aussehen reichte einfach nicht aus, um seinen Charakter egal werden zu lassen. Es war unfair, dass genau solche Leute immer mit einem makellosen Gesicht gesegnet waren und die wirklich guten Menschen gerieten in den Hintergrund.
Genau das hatte ich ihm gesagt, bloß deutlich angreifender und negativer. Es war also kein Wunder, dass er eine Vollbremsung unternahm und mich aus dem Auto schmiss. Ich hätte ihm auch im Club all diese Dinge sagen können, aber stattdessen wollte ich seinen Abend gänzlich ruinieren. Dass meiner somit auch im Eimer war, hatte ich irgendwie ignoriert. Was mir außerdem klar wurde war die Tatsache, dass ich nicht mal den Namen des Typen wusste.
Es war dumm gewesen, aber das war mir egal. Mir war auch egal, dass ich vermutlich morgen eine dicke Erkältung haben würde. Das Einzige was zählte waren die Sterne über mir, denn sie nahmen mir das Gefühl der Einsamkeit. Ich fühlte mich weniger alleine, wenn ich mich auf die Sterne konzentrierte, so absurd das auch war.
Zumindest solange, bis ich zu meiner Linken die Scheinwerfer eines Autos immer näher kommen sah. Innerlich wappnete ich mich bereits auf das, was gleich mit größter Wahrscheinlichkeit auf mich zukommen würde. Nämlich großer Anschiss meiner Eltern. Ich war 18, aber irgendwie fühlte ich mich wie 16 und mein Verhalten deutete auch nicht wirklich an, dass ich tatsächlich erwachsen war. Meine Eltern sahen es genauso und so hatte sich ab meinem Geburtstag Zuhause nicht viel geändert. Außer der Tatsache, dass ich Abends einfach loszog ohne Bescheid zu sagen und schließlich mitten in der Nacht bei meinen sorgenvollen Eltern durchklingelte und Geschrei am anderen Ende der Leitung zu hören war, dass im Auto fortgesetzt wurde.
Umso beunruhigender war es, dass meine Mutter diese Nacht einfach nur schwieg. Sie hatte den Blick auf die Straße geheftet, das Lenkrad mit beiden Händen fest umschlossen und schwieg verbissen. Erst, als wir eine halbe Stunde später Zuhause waren, bat sie mich mit einem angestrengten Gesichtsausdruck doch bitte ins Wohnzimmer zu kommen. »Wir müssen reden«, sagte sie und ich zog die Stirn kraus.
Ich fühlte mich unwohl, als ich Platz nahm und meinen Vater ansah, der im Wohnzimmer bereits gewartet hatte.
»Deine Mutter und ich sind uns einig, dass es so nicht weitergehen kann«, erklärte er und ich verschränkte die Arme vor der Brust. »Können wir darüber nicht morgen reden? Ich bin tierisch mü-« Meine Mutter unterbrach mich harsch: »Nein! Helena das können wir nicht!« Ihre Stimme wurde gegen Ende immer höher vor Wut und ich sah, wie sie tief durchatmete und erst dann hinzufügte: »Du musst morgen früh deine Koffer packen, denn dann geht's für dich zu Tante Anna.«
Entsetzt starrte ich sie an. »Was?«, fragte ich nach und schluckte. Dad war es, der mir antwortete: »Wir glauben, dass du eine Auszeit brauchst. Du gehst jeden Abend weg, verballerst unser Geld und seitdem du mit der Schule fertig bist, hast du dich noch gar nicht darum gekümmert, wie es nun weiter geht.« Mum nickte: »Anna hat einen Job für dich, ein bezahltes Praktikum und mit etwas Glück übernehmen sie dich als Auszubildende.«
Ich sprang auf und schüttelte heftig den Kopf. »Das könnt ihr vergessen! Ich habe alle meine Freunde hier und ich reise doch nicht um die halbe Welt!« Mein Vater lachte trocken auf. »Wir haben den Flug schon bezahlt. Du wirst das gefälligst tun! Das Praktikum geht drei Monate und du kannst kostenlos bei Anna wohnen. Außerdem siehst du dann endlich mal andere Länder, das wolltest du doch schon immer.«
Ich atmete tief ein und aus und versuchte zu ignorieren, dass mein Vater zum Teil recht hatte. »Ich bin 18, ihr könnt mir nicht mehr vorschreiben, was ich tue und was nicht!«, protestierte ich und verschränkte die Arme vor der Brust. Nun war es wieder Mum, die antwortete: »Das stimmt, aber du wohnst unter unserem Dach und du hast zwei Optionen. Entweder du nimmst morgen den Flug oder du hast ab morgen kein Dach mehr über den Kopf und kannst zusehen wo du bleibst. Und Geld bekommst du dann auch nicht mehr von uns.« Ich blinzelte. Meine Kiefer malten stark aufeinander und ich atmete zischend aus. »Na schön!«, brummte ich und machte auf dem Absatz kehrt. »Der Flug geht morgen Abend, sei um 5 fertig!«, rief Mum mir noch hinterher, als ich die Stufen nach oben in mein Zimmer stampfte.
Ich sank auf meinem Bett nieder und legte mein Gesicht in meine Hände. Ich konnte die Tränen nicht unterdrücken und schniefte. Wieso taten sie mir das an?
Mein Blick richtete sich auf das Foto von Josie und mir. Sie strahlte in die Kamera, ihre blond gefärbten Haare umrahmten ihr rundes Gesicht und ich brauchte sie nur ansehen und lächelte automatisch leicht. Gleichzeitig spürte ich diesen heftigen Schmerz, den ich immer empfand, wenn ich an sie dachte. Ohne etwas zu sagen, hatte sie mich verlassen. Sie war von dem einen Tag auf den anderen einfach spurlos verschwunden und ich kämpfte immer wieder mit mir selbst, wenn ich daran dachte. Es war mittlerweile zwei Jahre her, als ihre Mutter mich anrief und panisch fragte, ob ich wusste wo Josie war. Wir suchten sie zwei Monate lang, hatten die Polizei eingeschaltet, aber sie war einfach weg. Es stand im Raum, ob sie entführt worden war oder selbst die Taschen gepackt hatte und abgehauen war.
Ich wusste nur, dass sie am Abend zuvor bei mir war und wir einen Streit hatten. Ich würde alles tun, um die Zeit zurückzudrehen und diesen Streit, diesen völlig belanglosen scheiß Streit aufzuhalten. Ich wusste nicht einmal mehr, wieso wir uns gestritten hatten, aber das letzte, was ich von Josie gesehen hatte, war ihr Rücken und wie sie mit schnellen Schritten den Garten verließ.
Ich vermisste sie.
Ich vermisste sie so sehr, dass es wehtat. Aber das Schlimmste daran war diese Ungewissheit. Nicht zu wissen, was mit ihr passiert war, ob sie irgendwo eingesperrt war oder vielleicht sogar tot. Das Einzige was half war Verdrängung und Ablenkung und so verbrachte ich Abend um Abend woanders. Manchmal war ich sogar ein ganzes Wochenende weg gewesen und um ehrlich zu sein konnte ich verstehen, wieso meine Eltern das nicht länger mitmachten. Vielleicht konnte ich bei Tante Anna neu anfangen.
Ich sah noch einmal zu Josie und seufzte. Es würde schwer werden, aber ich wollte es versuchen. Für sie.
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Show me the Stars | Shawn Mendes
Fanfiction»Sieh nach oben und sag mir was du siehst.« »Ich sehe den Sternenhimmel.« »Sieh genauer hin! Was siehst du?« »Ich sehe Alles.« Helena ist eine Träumerin, die ihre Antworten in den Sternen sucht. Doch nachdem ihre beste Freundin Josie verschwindet, b...