07 Guilt

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Help me polarize, help me polarize, help me down

Those stairs is where I'll be hiding all my problems

Help me polarize, help me polarize, help me out

- Polarize by Twenty One Pilots -

|| David ||

Mein Gesicht schmerzte, ich wollte nicht mehr lächeln. Am liebsten wollte ich mit Marcel diesen Ort verlassen und abhauen. Der Blick meines Vaters haftete intensiv auf mir, voller Missgunst und Enttäuschung und mein Bruder beugte sich zu Taylor Swift rüber und redete mit ihr über mich. Ich konnte aus den Augenwinkeln sehen, wie sie immer wieder zu mir sahen und dann fingen sie an zu lachen. In mir staute sich immer mehr auf, dennoch bewahrte ich das Lächeln und tat so, als würde ich an der Unterhaltung zwischen Helena und Marcel teilnehmen. Erst als mein Freund seine Hand auf meine Schulter legte und mich direkt ansah, da fing sich der Knoten in mir an aufzulösen. Ich liebte es, wie er mich ansah.

»Wir sollten Helena mal einladen zum Minigolf auf deinem Dach«, schlug er vor und alleine durch die Begeisterung der Blondine, die über ihr Gesicht huschte, musste ich zusagen. »Ich werde euch sowieso abziehen«, meinte ich und verschränkte siegessicher die Arme vor der Brust. Helena empörte sich: »Das wollen wir sehen! Ich habe oft mit Jo-« Sie verstummte ganz plötzlich und verschluckte sich. Nach einem kurzen Hustenschauer und einem tiefen Schluck Wasser hatte sie sich wieder beruhigt und murmelte mit einem schmalen Lächeln: »Ich bin nicht so schlecht, wie du glaubst!« Ich musterte sie einen Moment und überlegte kurz etwas zu sagen, entschied mich allerdings dagegen. Wir waren warm miteinander, aber ich kannte sie nicht gut genug, um so etwas richtig deuten zu können.

»So, ich bestelle uns jetzt einen Champagner!«, beschloss Anna auf einmal und am Tisch fingen die Leute an zu jubeln. Die übertriebene Freude bezüglich des Alkohols steckte mich an und nachdem drei Flaschen an unseren Tisch gebracht wurden, schenkte ich Marcel, Helena und mir etwas ein. »Oh, ich möchte nicht«, murmelte Helena und schob das Glas ein wenig zur Seite. Ich hob die Augenbraue und sah sie an, wie sie das Getränk fixiert hatte und schließlich ergeben seufzte. »Okay, vielleicht doch.« Marcel neben mir grinste. »Auf diesen Abend!«, erhob er das Glas und wir stießen an.

Erst später fing ich langsam an zu begreifen, wieso Helena gezögert hatte. Sie hatte ihren Alkoholkonsum überhaupt nicht unter Kontrolle. Immer wieder stieß sie mit uns an, war bei jedem Shot dabei und so war es kein Wunder, dass ich sie taumelnd in Richtung Klo laufen sah. Ein wenig besorgt folgte ich ihr und trat wie selbstverständlich in die Damentoilette ein. Ich wurde argwöhnisch beäugt, aber keine der anwesenden Damen sagte etwas. Nicht einmal Taylor, die mir auf einmal gegenüberstand und kurz die Augenbrauen hob. Ohne Beschwerde ließen sie mich passieren und ich blieb vor einer geschlossenen Kabine stehen, in der deutlich jemand schluchzte. Ich klopfte dagegen und hörte daraufhin kein schluchzen mehr. Es folgte Stille.

Ich räusperte mich, bemerkte, wie auch die letzte Dame die Toilette verließ und sagte dann ruhig: »Mach die Tür auf, Helena.«

Erst bekam ich keine Antwort und ich hatte einen kurzen Anflug von Panik, dass Helena vielleicht doch nicht in der Kabine war, aber dann hörte ich das Schloss klicken und eine verheulte, übel nach Alkohol stinkende Helena saß vor mir auf der zugeklappten Toilette.

Ich trat ein und schloss die Kabinentür wieder, obwohl es ein wenig eng war. Ich wollte jedoch anderen Damen Helenas Anblick und vor allem meiner Freundin die Demütigung ersparen.

»Was ist los?«, hörte ich mich sagen und blickte ihr in die Augen. Sie blinzelte und dann rollten erneute Tränen über ihre Wangen. »Ih hab's echt verucht! Ih hab verucht, sie zu vergess'n, aba es geh einfach nich!« Sie lallte stark und aus einem Reflex heraus, ging ich vor ihr in die Hocke und zog sie in meine Arme. Einige Sekunden passierte nichts, sie ließ sich schweigsam von mir umarmen, schluchzte mir ins Ohr, aber schließlich drückte sie sich an mich. Minutenlang hockten wir so da und erst, als meine Beine anfingen einzuschlafen, drückte sie mich sanft von sich weg. »Danke...«, murmelte sie leise und sah glasig zu Boden. »Ich bring dich ins Hotel«, schlug ich vor, aber sie schüttelte heftig den Kopf. »Nein! Sie soll mich nich so seh'n!« Ich brauchte einen Moment, bis ich begriff, dass sie von Anna sprach.

Show me the Stars | Shawn MendesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt