2 Kapitel

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Die ersten Sonnenstrahlen krochen in mein Zimmer; sie zogen Linien, als wollten sie etwas zeichnen. Still beobachtend prägte ich sie mir ein, wie sie sich veränderten nach der Zeit.

Ich wusste, dass der Urlaub mit meinem Vater hier bald vorbei sein würde. Meine Freude hielt sich in Grenzen wieder nach Hause zu gehen.

Natürlich hatte ich noch niemandem erzählt, wie verrückt ich mich fühlte, und dies hatte ich auch nicht wirklich vor.

Als mein Vater mich nach meinem nächtlichen Ausflug gefragt hatte, ob alles okay wäre, da ihn ein Schrei geweckt hatte, hatte ich ihm erzählt, dass ich einfach in einen roten Farbentopf gefallen war. Ganz geglaubt hatte er mir nicht. Ok, ich gab es ja zu. Es war vielleicht nicht die glaubhafteste Lüge, aber wie sollte man sonst erklären, wieso man über Nacht plötzlich feuerrote Haare hatte? Er hatte bloß genickt und nicht einmal verlangt zu wissen, wo dieser vermeintliche Farbeimer denn sei.

Das Schlimmste jedoch war, dass ich mich unheimlich zusammenreißen musste, um nicht auf irgendjemanden loszugehen. Ich wusste nicht, woher dieser Drang kam, töten zu wollen, aber es machte mich irre. Es war unerträglich, wie es sich anfühlte; als würde ein grausames Wesen in einem sitzen und alles herumkommandieren wollen.

Da ich mich nicht länger mit diesen Gedanken beschäftigen wollte, beschloss ich das Haus, welches der Familie meines Vaters gehörte, zu erkunden. Die Villa hatte bestimmt schon über 300 Jahre am Buckel, wenn nicht sogar mehr. Sie wurde hin und wieder renoviert, dennoch merkte man, wie alt sie war. Nachts, wenn alles still war, war das teilweise laute Knarren der Holzbalken zu hören und der Luftzug, der durch die Gänge huschte.

Mit einem plötzlichem Energieschwung erhob ich mich von dem Platz, auf dem ich seit Stunden gesessen hatte, rannte aus meinem Zimmer und sprang die Treppen zum Wohnzimmer hinunter. Niemand war zu Hause, also konnte ich mich beruhigt austoben. Soweit man das austoben bezeichnen konnte. Da zwischen den Treppengeländer ein Spalt frei war, könnte dies jeder nachmachen, mit dem Unterschied, dass er danach Ähnlichkeiten mit einem Palatschinken hätte.

Von dort aus sprintete ich weiter, ohne zu wissen wohin ich wollte. Diese Villa war zum Verlaufen gebaut worden.

Ein Gefühl der Freiheit breitete sich in mir aus, denn es war traumhaft die Geschwindigkeit eines Überschallflugzeuges anzunehmen; jedenfalls stellte ich mir vor, dass Überschallgeschwindigkeit sich so anfühlte. Leider konnte ich dieses Gefühl nicht lange auskosten; auch das größte Haus hatte Wände.

Mit den Fersen bremsend kam ich vor einer großen Ziegelmauer zum Halt. Noch vollkommen berauscht schaute ich mich um. In diesem Teil der Villa war ich noch nie zuvor. Es war wahrscheinlich der Keller. Überall waren rote, kahle Ziegelmauern, die, wenn ich ehrlich war, nicht sehr stabil auf mich wirkten. Der Boden war von einer dicken Staubschicht bedeckt und die Decke war ziemlich weit oben. Im Moment jedoch wirbelte der Staub durch die Luft und die Höhe des Raums konnte ich nicht verstehen, da ich geglaubt hatte, das Wohnzimmer wäre oberhalb. Mitten in diesem riesigen Raum lagen vereinzelt meterlange Holzbalken, die genauso alt ausschauten, wie das gesamte Haus. Zu diesem Zeitpunkt, bemerkte ich, dass es keine Lichtquelle gab.

Ich konnte im Dunkeln sehen? Na klar...

Ich wollte mich gerade umdrehen, als ich etwas in meinem Blickwinkel wahrnahm. Ruckartig drehte ich mich wieder um und ging auf die Mauer, vor der drei Holzbalken lagen, zu.

Auf einem Ziegel war etwas eingeritzt, man konnte es jedoch nicht ganz erkennen, da der größte der drei Holzbalken genau davor an der Wand lag. Mit Leichtigkeit schob ich denn schweren Holzbalken, was nicht einmal der stärkste Mensch der Welt geschafft hätte, weg. Naja, das war auch so eine Eigenschaft eines Vampirs.

Plötzlich Vampir?!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt