Startschwierigkeiten

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Als Steve und Melanie an ihrem Wagen ankamen, rief Agent Tyrell nach ihnen und brachte sie somit zum Warten. Melanie verdrehte kurz die Augen, was Steve zum Lächeln brachte, doch er stieß ihr auch kurz gegen die Schulter und ermahnte sie somit zu etwas Freundlichkeit.
„Commander McGarrett, ich habe leider keinen Wagen, mit dem ich zum Tatort fahren könnte, wären Sie so nett und würden mich mitnehmen?"
Steve blickte kurz zu Melanie, welche sich tonlos auf den Fahrersitz fallen ließ und erwiderte: „Natürlich, steigen Sie ein, Agent Tyrell." Die junge Agentin setzte sich auf den Rücksitz und lächelte unentwegt, sie hatte genau das bekommen, was sie wollte. Sie durfte an den Ermittlungen teilhaben und niemand würde sie einfach übergehen, stehts wäre sie auf dem neusten Stand. Und wenn ihre neuen Partner sie nervten, würde sie sich überlegen, wie man sie am besten loswurde. All das wäre kein Problem für sie.
Melanie blickte immer wieder in den Rückspiegel und krallte sich dabei so sehr ans Lenkrad, als stelle sie sich vor, es wäre Agent Tyrells Hals. Für Melanie war klar, dass diese Frau etwas vor hatte und würde nicht abwarten, bis die Agentin den ersten Schritt tat.
Im Gegensatz zu seiner Schwester, schien Steve sich eher auf den Fall zu konzentrieren und blendete seine beiden Mitfahrerinnen gekonnt aus. Mit Agent Tyrell mussten sie nun auskommen, ob sie wollten oder nicht, aber mögen musste er die Frau nicht.
So verging auch der Rest der Fahrt schweigend.

Am Tatort angekommen, sprang Steve förmlich aus dem Auto und lief schnellen Schrittes auf Danny zu. Dieser blickte ihn lächelnd an, zumindest so lange, bis er den Gesichtsausdruck seines Freundes bemerkt hatte. Egal was geschehen war, Steve war nicht gut gelaunt. „Alles klar, Steve?", fragte er sofort und wartete bis sein Freund vor ihm stand. „Wir haben ein neues Teammitglied", gab Steve nur zurück, lief an Danny vorbei und strich ihm flüchtig über die Schulter. Danny hatte nicht viel Zeit sich darüber zu wundern, bevor Melanie ihn erreichte, mit Agent Tyrell im Schlepptau. Melanies Blick schrie förmlich um Hilfe, während Agent Tyrell irgendwas von fehlender Kooperationsbereitschaft faselte. Fast hätte Danny Mitleid mit Melanie gehabt, wenn sie sich nicht zu Agent Tyrell umgedreht hätte, um zu fauchen: „Gehen Sie mir noch einmal auf die Nerven, reiß ich Ihnen höchstpersönlich ihr Erbsenhirn raus!"
„Sie sind nichts weiter als ein respektloses Miststück!", erwiderte Tyrell gereizt und verschränkte mit zornesblitzenden Augen, die Arme. „Zügeln Sie ihre Zunge, Tyrell", warnte Melanie sie bloß, ehe sie ihr wieder den Rücken zudrehte und Ausschau nach Kono hielt. Wahrscheinlich war diese die einzige, die Melanie nun beruhigen konnte.
„Zügeln Sie doch einfach ihr Temperament, McGarrett! Und wenn Sie schon dabei sind, versuchen Sie unter der ganzen Arroganz noch ihre Menschlichkeit zu finden."
„Sagt die Richtige", murrte Melanie nur und trat langsam davon. Sie interessierte sich weder für die Leiche, noch für Danny, den sie nun mit der Neuen allein ließ.
Seufzend blickte Danny zu der Agentin und meinte: „Normal ist Mel nicht so, Sie haben es sich nur echt mit ihr verscherzt, nach der Nummer gestern."
„Hab ich mir bereits gedacht, aber ich bin auch nicht hier um mir Freunde zu machen. Es geht nur darum, diesen Serienkiller zu finden und solange mir ihre Freunde dabei nicht im Weg stehen, sind sie mir ziemlich egal", erklärte Agent Tyrell und schaute sich gleichzeitig etwas am Tatort um. Die Leiche wurde gerade abtransportiert, weshalb sie sich diese nicht mehr anschauen konnte, doch das würde sie so bald wie möglich nachholen, nun, wo sie Zutritt zu allen Beweismitteln hatte. Niemand könnte sich ihr mehr verweigern.
„Schonmal dran gedacht, dass es vielleicht einfacher ist den Killer zu finden, wenn wir gut miteinander auskommen?", Danny war selbst nicht überzeugt davon, dass er gut mit dieser Frau auskommen wollte, doch besser wäre es. „Nein, es wäre bedeutend einfacher, wenn ihre Freundin sich nicht wie ein sturer Esel benehmen würde, um mich aufzuregen. Ihre fehlende Kooperationsbereitschaft wird auf jeden Fall Erwähnung in meinem Bericht finden."
„Und Sie glauben, Mel juckt es, ob Sie irgendeinen Blödsinn in Ihren Bericht schreiben? Anfangs hab ich auch noch versucht Mel zu ändern, aber irgendwann wird Ihnen klar, dass Mel ihre Arbeit am besten macht, wenn niemand ihr verbietet so zu sein, wie sie nun mal ist." Danny erhoffte sich Einsicht, doch Agent Tyrell, schien darauf keine Lust zu haben. „Sehr interessant", desinteressierter hätte ihr Tonfall nicht sein können. Kopfschüttelnd machte Danny sich auf den Weg zu seinem Team. Mit diser Frau konnte und wollte er keine Freundschaft beginnen.

Nachdem das Team die Anderen auf den neusten Stand gebracht hatte, wollten sie wieder zurück zum Hauptquartier fahren, doch zuerst galt es zu regeln, wer sich von nun an mit Agent Tyrell rumschlagen musste. Leider gab es keine Abstimmung.
Agent Tyrell befand sich gerade nicht in Hörweite, als Steve und Danny neben Melanie traten. Steve sagte ihr sofort: „Da du die Einzige ohne Partner bist, wirst du dich mit Agent Tyrell rumschlagen müssen." Diese Aussage brachte ihm nur einen geschockten Blick seitens seiner Schwester ein. „Schau nicht so, wir haben alle einen Partner, es wäre schwachsinnig sie einem von uns zuzuteilen."
„Mich der Furie zum Fraß vor zu werfen ist da natürlich die bessere Lösung", knurrte Melanie gereizt und blickte zu Agent Tyrell, welche irgendwas auf ihrem Notizblock notierte. Der Hass auf diese Frau war unbeschreiblich, dennoch wusste sie, dass Steve recht hatte und sie irgendwie mit ihr auskommen musste, wie sehr es ihr auch missfiel.

Kaum waren sie im Hauptquartier angekommen, verteilte Agent Tyrell ihre Nummer an das Team, damit sie zu jeder Zeit auf dem neusten Stand gehalten wurde. Melanie war versucht den Zettel vor Tyrells Augen zu zerreißen, doch es würde die eh schon angespannte Lage, nur noch mehr aufheizen.
Als Agent Tyrell jedoch munter Befehle erteilte, platzte Melanie vollends der Kragen. „Was bilden Sie sich eigentlich ein, Tyrell? Sie kommen hier her, fordern uns auf Sie zu akzeptieren, Ihnen zu helfen und was nicht alles, aber treten unsere Meinung mit Füßen, befehlen über uns, als wären wir Ihre Lakaien. Was glauben Sie, wer sie sind?" Agent Tyrell lächelte. „Nun, ich bin zumindest schonmal nicht so gestört wie Sie, Miss McGarrett. Das sind Sie doch, oder? Sonst bräuchten Sie schließlich keinen Therapeuten, wenn in ihrem kranken Hirn alles in Ordnung wäre. Was haben Sie? Irgendein Trauma von Ihren Einsätzen in Afghanistan? Hässliche Erinnerungen an ihre gescheiterte Beziehung? Schuldgefühle, weil Menschen wegen Ihnen gestorben sind? Die Liste ist wahrscheinlich ewig lang."
Melanie stand das Entsetzen ins Gesicht geschrieben. Woher wusste diese Frau all das? Wie konnte sie von Melanies Therapie wissen, von der nicht mal ihre besten Freunde wussten? Wer hatte ihr von ihrer gescheiterten Beziehung erzählt und von den geheimen Einsätzen in Afghanistan? Fassungslosigkeit machte sich in Melanie breit. Diese Frau hatte Informationen über sie, die sie nicht haben dürfte. Tyrell konnte nicht an sich halten und lachte, bei Melanies Gesichtsausdruck. Sie hatte ihr eindeutig den Wind aus den Segeln genommen. „Was ist los, Miss McGarrett? Sind Sie plötzlich nicht mehr so gesprächig? Wollen Sie vielleicht mit ihrer Therapeutin über diesen Vorfall sprechen? Vielleicht sollten Sie sich einen anderen Job suchen, wenn Sie es nicht verkraften, tote Menschen zu sehen", setzte sie noch eins drauf. Da von Melanie nichts zurückkam, drehte Agent Tyrell sich lachend um und machte sich auf den Weg zum Ausgang. Den Feierabend hatte sie sich in ihren Augen verdient.
„Tyrell", Melanies Stimme war so ruhig wie noch nie zuvor. Lächelnd drehte die Frau sich zu ihr um. „Ja, Miss Angsthase?"
„Ihnen ist nicht bewusst, was für einen Fehler Sie gerade begangen haben. Früher oder später, werde ich Sie dafür bezahlen lassen."
„Ich zittere vor Angst", lachte Tyrell und verschwand gut gelaunt aus dem Hauptquartier. Zurück blieb ein verwirrtes Team und eine vollkommen erzürnte Melanie.
„Diese Haoles denken wirklich, sie könnten sich alles herausnehmen", knurrte sie, doch vermied es, die Anderen anzusehen. Leider schien Danny es nicht auf sich sitzen lassen zu wollen und erwiderte: „Nicht alle Haoles sind so." Bevor Melanie ihre Wut an Danny auslassen konnte, ging Steve dazwischen, schob Danny beiseite und legte seiner Schwester eine Hand auf die Schulter. „Lass dich nicht von dieser Frau aufregen, genau das macht ihr am meisten Spaß, dich am Boden zu sehen. Bleib einfach ruhig ihr gegenüber, okay?"
„Genau, bleib ruhig und erklär uns, wieso wir nichts von deiner Therapie wussten", mischte Danny sich sofort wieder ein. Auch Steves Blick brachte ihn nicht zum Schweigen. Melanie seufzte deshalb frustriert, bevor sie sich zu den Anderen umdrehte. „Kann sein, dass mir vor dem Governor ein paar falsche Worte entwichen sind, die zur Folge hatten, dass er mir psychologische Hilfe anriet. Ich soll mit der Frau meine Vergangenheit aufarbeiten, um einige Sachen besser verarbeiten zu können. Es hilft mir nicht wirklich, aber es stimmt den Governor zufrieden, das ist das wichtigste. Ich habs euch verschwiegen, damit ihr euch keine Sorgen macht", erklärte sie.
„Keine Sorgen? Du hast jede Nacht Albträume, schwere Schlafprobleme, ständig Kopfschmerzen und bist gedanklich oft nicht bei der Sache. Wir machen uns mehr Sorgen um dich, als jemals zuvor", zählte Danny nur einen Teil der besorgniserregenden Zustände seiner besten Freundin auf. „Lasst mich einfach in Ruhe", ohne weitere Worte stürmte Melanie aus dem Hauptquartier und ließ ihre besorgten Freunde zurück.
„Ich wünschte, ich könnte euch irgendwie beruhigen, aber ich glaube auch, dass Melanie am Ende ihrer Kräfte ist", gestand Steve und blickte seine Ohana deprimiert an. Er wollte seiner Schwester helfen, doch sie ließ ihn nicht und je mehr Zeit verging, desto schlimmer wurde es. „Vielleicht, bringt ihre Geburtstagsüberraschung sie wieder auf andere Gedanken", hoffte Kono. Die drei Männer stimmten ihr zu. „Eine Woche noch, dann wissen wirs", murmelte Danny und war sich fast sicher, dass er Melanie an diesem Tag endlich wieder glücklich sehen würde.

Steve und Danny saßen wie gewohnt zusammen auf der Couch, beide recherchierten noch für ihren Fall, auch wenn keiner von Beiden wirklich noch genügend Motivation dazu hatte. Der Fall zerrte zu sehr an ihren Nerven. Und der Mörder war zu schlau. „Glaubst du, Tyrell könnte unsere Mörderin sein?", warf Danny einfach in den Raum, blickte Steve dabei aber nicht an. Dieser wirkte kurz nachdenklich, ehe er den Kopf schüttelte. „Es käme mir merkwürdig vor, wenn sie es wäre. Früher oder später hätten wir Spuren die auf sie hinweisen und dann wäre sie zum greifen nah, es wäre viel zu gefährlich für sie, wenn es wirklich so wäre."
„Mag sein, aber zutrauen würde ich es ihr und so wüsste sie immer, wie viel wir über sie wissen", erwiderte Danny. „Schon, aber ich glaube es trotzdem nicht. Wie kommst du überhaupt darauf?"
„Melanie", meinte Danny nur und zuckte mit den Schultern. „Klar, wer sonst sollte auf sowas kommen."
Während die Beiden darüber diskutierten, ob Melanie in ihrem Zustand noch arbeitstauglich war, saß diese vor ihrem Laptop und grub brisante Informationen über Agent Tyrell ans Tageslicht. Mit einem müden Lächeln, blickte Melanie auf den Bildschirm und murmelte: „Interessant." Sie griff nach ihrem Handy, wählte Agent Tyrells Nummer und wartete geduldig, bis diese abnahm. „McGarrett, ich hab Feierabend, alles was Sie mir zu sagen haben, kann sicher bis morgen warten."
„Ich habe ein paar interessante Dinge über sie heraus gefunden, Tyrell. Wenn Sie im Laufe der nächsten Stunde nicht hier erschienen sind, gehen die Informationen direkt an den Governor. Ihre Entscheidung", Melanie wartete nicht auf eine Antwort und legte direkt auf. Tyrell wollte ein Spiel mit ihr spielen? Das konnte sie haben, aber Melanie stellte die Regeln auf. Diese Frau würde sich noch wundern, mit wem sie sich angelegt hatte. Und danach konnte Melanie endlich wieder in Frieden mit ihrer Ohana leben.
Sie ahnte nicht, dass bereits die nächste Frau ihr Leben lassen musste und der Mörder immer sicherer wurde in seinem Tun. Sich langsam aber sicher, auf sein großes Finale vorbereitete.

Das allwissende AugeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt