Kapitel 14

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Die Nachricht war von Lev.
"Na Kätzchen, bist du gut daheim angekommen?", schrieb er.
Ich hätte nicht gedacht, dass er mir heute noch schreiben würde.
"Ja, so zu sagen", war meine Antwort.
"Was heißt hier so zu sagen?"
Ich überlegte kurz, was ich ihm antworten sollte, als ich eine weitere Nachricht von ihm erhielt.
"Wurdest du etwa im Zug belästigt?", fragte er weiter.
"Was?! Nein. Wie kommst du darauf? Meine Mutter hatte mir danach ihre 'tollen' Einkäufe präsentiert", schrieb ich schnell, bevor er sich für das nächste Mal als mein Begleiter anbietet.
Ich wollte ihm keine Umstände bereiten.
"Da bin ich ja beruhigt. Und wieso solltest du nicht belästigt werden, immerhin bist du ein hübsches Mädchen", war seine Antwort, worauf ich ein wenig rot wurde.
"Hatte er gerade wirklich geschrieben, dass er mich hübsch findet?", war das Einzige an was ich denken konnte.
"Ich sollte dann mal Schluss machen für heute, denn ich habe Morgen früh Training. Guten Nacht"
"Guten Nacht", ich war immer noch wie paralysiert und brachte deshalb nicht mehr zustande.
Ein paar Stunden vergingen, es war bereits Mitternacht, bis ich mich von dem Chat losreißen konnte. Ich hatte ihn mir immer und immer wieder durchgelesen. Er findet mich tatsächlich hübsch, ich wusste nicht wieso vielleicht litt er an Geschmacksverirrung, oder etwas ähnlichem. Ich seufzte, darauf würde ich so schnell keine Antwort bekommen. Das Handy legte ich beiseite und versuchte zu schlafen.

Doch die Bilder des Unfalls holten mich wieder ein und raubten mir den Schlaf. Vielleicht sollte ich mit jemandem darüber reden. Aber mit wem? Lev kam nicht infrage, dafür kannte ich ihn noch nicht so gut. Nono würde wieder soetwas sagen wie: Tu, was du für richtig hältst. Und Sora kannte sich damit nicht aus. Meine Mutter hatte schon genug zu tun, deshalb wollte ich sie nicht noch damit belasten. Den Jungs aus dem Volleyballclub wollte ich mich nun wirklich nicht anvertrauen. Und bei Shimizu war es dasselbe wie bei Lev.

"Eines ist sicher, ich darf nicht mehr davor weglaufen. Ich muss mich meinen Problemen stellen. Und ich darf sie nicht mehr verdrängen. Ich muss mich mit Yumi aussprechen!", dachte ich selbst reflektierend.
Da ich sowieso nicht mehr schlafen konnte nutzte ich die Zeit und versuchte herauszufinden auf welche Schule Yumi jetzt ging. Es dauerte eine Weile, bis ich sie durch einen Zeitungsartikel fand. So wie es aussah, war sie ebenfalls seit kurzem Managerin eines Volleyballclubs. Ich verglich ihre Schule mit den Teilnehmern des Interhigh-Turniers. Und tatsächlich nahm ihre Mannschaft am Interhigh teil. Das heißt, ich werde sie treffen. Aber warum musste sie ausgerechnet auf die gleiche Schule gehen wie Nono. Wieso hatte er mir nichts davon erzählt, er wusste doch von dem Problem? Vermutlich wollte er nicht, dass ich mir Sorgen mache. Mir darüber weiter Gedanken zu machen, würde mir jetzt sowieso nicht weiterhelfen. Ich treffe ihn ja beim Interhigh, weshalb ich ihn auch einfach persönlich fragen kann.

Am Morgen bat ich meine Mutter, mir meine schulterlangen blonden Haare bis zum Kinn abzuschneiden und diese dann pink zu färben. Zuerst war sie etwas verwundert über meinen Entschluss, aber sie fragte nicht nach dem Grund. Ich hatte mich dazu entschlossen, um meine Vergangenheit hinter mir zulassen, auch wenn ich mich noch nicht mit Yumi getroffen hatte. Ich war bereit damit abzuschließen.

Zufrieden betrachtete ich das Werk meiner Mutter, man merkte, dass sie vor meiner Geburt als Friseurin tätig war. Natürlich bedankte ich mich auch bei ihr. Mir fiel ein, dass ich Sora noch nach den Lösungen für den Test fragen musste. Denn Ono-sensei würde bestimmt verlangen, dass ich den Englischtest gleich morgen  nachschreibe. Deshalb schrieb ich ihr, ob ich kurz vorbeikommen könnte, da meine Mutter zur Furie werden würde, wenn sie davon erfährt. Sora schrieb, dass es in Ordnung wäre und ich jederzeit kommen könnte.
"Ich geh kurz zu Sora", meinte ich nach einer Weile.
"Okay, aber nimm einen Regenschirm mit, die Farbe verläuft sonst, wenn deine Haare nass werden", gab sie zurück.
Also nahm ich den Schirm und ging bei Nieselregen zu Sora nach Hause. Diese wartete schon geduldig auf mich, sie hatte einen Zettel vorbereitet auf den alle Antworten standen. Aber natürlich musste sie mich ja ausfragen, wie das Trainingscamp war und ob ich auf irgendeinen Jungen ein Auge geworfen hatte. Ich erzählte ihr kurz, wie es für das Team gelaufen ist. Allerdings sagte ich ihr nichts über meine Bedenken und das mit Lev behielt ich auch erstmal für mich. Sie würde mich nur weiter mit Fragen löchern. Und die Frage nach dem Jungen verneinte ich, da ich kaum einen von den Jungs kannte und nicht viel mit ihnen zutun hatte.

Nach einer gefühlten Unendlichkeit, in der sie mir berichtete, wie schlimm sie es eine Woche ohne mich in der Schule fande, verabschiedet ich mich von ihr. Es hatte aufgehört zu regnen, was mich erfreute, denn ich hatte meinen Regenschirm bei Sora vergessen. Nur ist mir das erst auf der Hälfte des Weges aufgefallen und ich hatte nur wenig Lust zurückzulaufen. Also schrieb ich Sora, dass sie mir den Schirm irgendwann vorbeibringen sollte. Und da meine Mutter das mittlerweile gewohnt war, hatten wir ein paar Regenschirme auf Reserve. Ich freute mich schon riesig darauf wieder in die Schule zu gehen. Ich hoffe nur die Jungs stehen nicht wieder vor meinem Zimmer und schleifen mich zur Schule. Meine Mutter hatte von dem Theater bisher noch nichts mitbekommen, da sie ja auf Geschäftsreise war und wenn ich mich nicht irre hatte jetzt eine längere Zeit Frühschicht, weshalb ihr das Spektakel wohl noch eine Weile verwehrt bleiben wird.

Volleyball war ihr Leben, doch jetzt nicht mehr //Wingaward2019\\Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt