Kapitel 1

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Das Feuer im Kamin knisterte. Es strahlte eine angenehme Wärme aus. Gerade jetzt, wo es doch so oft regnete. Alan kuschelte sich noch ein bisschen mehr in ihre Decke. Gedankenverloren starrte sie in die lodernden Flammen. Sie hörte ein leichtes Knarren, das sich deutlich vom Knistern des Feuers abhob, ließ sich jedoch nichts anmerken. Äußerlich sah es beinahe so aus, als würde sie ein wenig dösen. Doch innerlich war sie angespannt wie eine Feder. Der Grund dafür war wahrscheinlich ihre Kindheit. Aber darüber redete Alan nie. Chris verstand das. Er hatte selbst einige Dinge erlebt, die er am liebsten vergessen würde. Alan seufzte und stand auf. Als sie die Decke endlich zusammengelegt hatte, kam ihr Freund in den Raum gestürmt. Mit hochrotem Kopf schmiss er einen Rucksack auf ihr Bett.
"Was wird das, Chris?", fragte die 16-jährige verwirrt. Doch Chris hörte nicht. Er schlug die Zimmertür mit einem lauten Knall zu und schmiss gleichzeitig Alan's kniehohe Stiefel auf den Boden. Noch bevor die Tür ins Schloss gefallen war, bemerkte Al alle Details an Chris. Innerhalb von Millisekunden registrierte sie seine dunkelgrüne Cargohose, in die er sein schwarzes T-Shirt gesteckt hatte, darüber trug er ein ebenfalls schwarzes Sweatshirt. Seine Wanderschuhe waren mit Schlamm bedeckt, der, im Gegensatz zu den festen Schuhsohlen, noch sehr weich war und seine Haare waren zerzaust. Nun lehnte er sich schnaufend gegen die Tür, aber nur für ein paar Sekunden. Dann stemmte er sich von der Tür ab und hastete zur Kommode seiner Freundin, um die erste Lade aufzureißen. Doch Alan schnellte vor, schnappte sich Chris' Hand und drehte sie auf seinen Rücken, wobei er aufstöhnte.
"Was ist passiert?", fragte sie mit nervösem Unterton, dabei jedes einzelne Wort betonend. Als er ihr endlich ins Gesicht sah, konnte sie seinen hektischen Ausdruck und die Schweißperlen auf seiner Stirn sehen. Aber das Schlimmste war sein rechtes Augenlid. Es zuckte. Das bedeutete, er hatte Angst. Große Angst. Und Chris hatte nie Angst. Alan's Gesicht verdüsterte sich.
"Wie lange?", wollte sie wissen und ließ ihn los. Der 19-jährige atmete einmal tief ein und aus, schloss kurz die Augen und sagte dann: "13 Minuten". Alan nickte knapp und fing an, ihre spärliche Kleidung aus der kleinen Kommode in ihren Rucksack zu befördern. Dann streifte sie sich ihren schwarzen Hoodie über und zog ihre genauso schwarzen Stiefel an. Gemeinsam hastete sie dann hinunter ins Erdgeschoss, wo sie noch einige Kleinigkeiten in ihre Rucksäcke stopften. Es war nicht das erste Mal, dass Chris einen Drogendealerring ausfindig gemacht und der Polizei ausgeliefert hatte. Aber dieser war definitiv der schlimmste. Wahrscheinlich hatte es ein Mitglied geschafft zu entkommen und schwörte jetzt Rache an Chris. Aber Alan wollte sich nicht darauf festlegen. Sie wollte nicht unnötig überrascht werden. Das hatte sie schon zu oft erlebt. Und es waren keine schönen Überraschungen gewesen.

Zak schnaufte. Seine Hände hatte er auf seine Knie gestützt, sodass er vornübergebeugt dastand. Er hätte ihn beinahe gehabt. Aber wenn jemand anfängt, auf Dächer zu flüchten, konnte er seine Zielperson niemals einholen. Fury wird ausrasten.
"Agent Colsen?", hörte er plötzlich Fury's Stimme. Er biss sich auf die Lippen.
"Direktor Fury", gab er zur Antwort.
"Haben Sie ihn?", fragte sein Vorgesetzter.
"Nein, Sir. Aber ich bin fest davon überzeugt, dass der GPS-Sender funktionieren wird", erwiderte der Agent.
"Gut. Mr. Stark wird Sie am vereinbarten Treffpunkt abholen", erklärte Nick Fury kurz und bündig.
"Jawohl, Sir", meinte Agent Colsen. Er hörte ein kurzes Klicken in seinem Ohrstöpsel, dann machte er sich auf den Weg.

Chris schaute auf seine beleuchtete Armbanduhr. Ein paar Minuten nach Mitternacht. Er sollte langsam auch schlafen gehen. Doch er konnte nicht. Zu viele Gedanken kreisten durch seinen Kopf. Außerdem hatte er ein schlechtes Gewissen wegen Alan. Er hatte gelogen. Auf eine gewisse Weise. Es hatte lange gedauert, bis er das Augenzucken beherrscht hatte. Er wusste, dass Alan wahrscheinlich denken würde, dass er mal wieder einen Drogendealer bespitzelt hatte. Dabei war sein Verfolger nur sein Bruder gewesen. Aber er war Agent bei S.H.I.E.L.D., einer nicht öffentlich bekannten Organisation. Das bedeutete, Alan kannte sie nicht. Und allen Dingen, die sie nicht kannte, traute sie auch nicht. Wenn sie dann herausfände, dass Chris sie belogen hatte und mit denen in Verbindung stand, würde sie ihr gesamtes Vertrauen ihm gegenüber verlieren und das wollte er nicht. Der 19-jährige beendete seinen Gedankengang mit einem Seufzer und griff sich an sein linkes Schulterblatt. Dann riss er den GPS-Tacker von sich und betrachtete ihn eine Weile. Bevor er jedoch eine Entscheidung treffen konnte, fielen ihm die Augen zu.

"Jetzt beeilen Sie sich doch, Mr. Clarkson!"
"Ich hab's gleich... Da! Jetzt müssen wir nur noch vor S.H.I.E.L.D. dort sein."

Im VisierWo Geschichten leben. Entdecke jetzt