Kapitel 10

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„Das kann doch nicht wahr sein! Zuerst hatten wir Chris innerhalb von vier Tagen gefunden und jetzt brauchen wir schon zwei Wochen, um Clint und das Mädchen zu finden!", beschwerte sich Romanoff verzweifelt. Es war wirklich deprimierend, nicht zu wissen, ob ihr bester Freund noch lebte oder schon tot war.
„Keine Sorge, Natascha! Barton ist ein Überlebenskünstler und ein gut ausgebildeter Agent, der weiß, was er zu tun hat", versuchte Rogers die Rothaarige zu beruhigen. Diese ging nervös im Kreis herum, um sich ein wenig abzuregen.
„Vielleicht liegt's ja an Clint", warf Stark dazwischen und nahm einen Schluck von seinem Kaffee, bevor er fortfuhr, „immer wenn er in der Nähe ist, passiert irgendwas. Wie kannst du außerdem schon so früh fit sein?" Er sah in die Runde und vier Gesichter starrten ihn an. Romanoff war kurz vor dem Explodieren, Rogers und Banner sahen ihn warnend an und Colsen blickte ihm mit leerem Blick und dunklen Augenringen entgegen. Der Milliardär erkannte seine unpassende Aussage, hob abwehrend seine freie Hand und brummte eine kurze Entschuldigung. Für einen kurzen Moment sagte niemand etwas. Dann brach Zak die Stille: „Wir könnten uns die alte Psychiatrie nochmal anschauen. Vielleicht haben wir etwas übersehen." Doch seine Kollegin seufzte nur und meinte: „Das sagst du jetzt schon zum dritten Mal und die vorherigen zwei Male haben wir auch nichts gefunden." Diesmal war er es, der seufzte. Der Tod seines Bruders hatte ihn sehr schwer getroffen und er hatte Angst, nun auch noch einen guten Freund zu verlieren. Romanoff ging es ähnlich. Zwar war Clint nicht ihr Bruder, dennoch mochte sie ihn unglaublich gern. Er war für sie wie ein Bruder-Ersatz. Sie konnte sich einfach nicht vorstellen, was passieren würde, wenn er starb.

„Nochmal!", brüllte der Mann. Alan's Kiefer verkrampfte sich. Seit ungefähr einer halben Stunde übten sie schon, aber ihr Trainer war einfach nicht zufrieden mit ihr. In etwas weiterer Entfernung standen Dummys, die dazu da waren, von Alan's Stromstößen erwischt zu werden. Nach dem kleinen Energieausbruch in der Zelle, war die Wirkung der täglichen Spritzen und dem ganzen anderen Zeugs, das sie bekommen hatte, deutlich erkennbar geworden. Um es kurz zu halten: Alan konnte alles mögliche mit Strom und Energie anstellen. Dazu zählte auch, Blitze mit ihren Händen abzufeuern. Und eigentlich sollte sie mit diesen, die Dummys treffen, aber langsam bekam Alan das Gefühl, das sie in Wirklichkeit nur Hologramme waren. Das machte sie so rasend, dass sie in beiden Händen Energie sammelte, sie dann kräftig zusammenschlug und somit die aufgestaute Energie nach vorne katapultierte. Die Reaktion darauf war eine Explosion, die sie und ihren Trainer zurücktaumeln ließ. Außerdem fiel ein paar Sekunden später der Strom aus. Alan hörte, wie ihr Beobachter seufzte und danach wortlos den Raum verließ. Sobald die Tür hinter ihm ins Schloss gefallen war, fiel sie auf ihre Knie und gab einen Laut von sich, der ihre Wut und ihren Frust ausdrücken sollte. Am liebsten wäre sie sofort abgehauen, sobald sie mit ihrer Gabe besser umgehen konnte. Doch HYDRA drohte, Clint etwas anzutun, wenn sie es wagen sollte zu verschwinden. Das Problem war nämlich, dass sie nun in getrennten Zellen waren. Zwar waren diese besser ausgestattet und hatten sogar ein kleines Badezimmer dabei, aber was bringt schon die schönste Zelle, wenn man sich nicht frei bewegen durfte. Das Mädchen ließ sich auf den Rücken fallen. Ihr gingen so viele Gedanken durch den Kopf. Wenn Clint nicht wäre, wäre sie schon längst hier raus. Wenn sich SHIELD nicht eingemischt hätte, wäre sie jetzt tot und müsste das hier nicht durchstehen. Wenn Chris ihr nie etwas verschwiegen hätte, wäre sie vorbereitet gewesen. Wenn sie doch Chris niemals kennengelernt hätte, dann wäre sie jetzt nicht hier. Nein, wahrscheinlich wäre sie dann schon längst erfroren oder verhungert. Oder im Gefängnis. Wenn das Wörtchen 'wenn' nicht wäre. Auf einmal ging das Licht wieder an und die Tür wurde aufgerissen.
„Abendessen in zwei Stunden! In der Zwischenzeit hast du etwas Zeit für dich", teilte ihr der Trainer mit und zog dann die Tür gleich wieder zu. Alan seufzte tief, stand danach schwerfällig auf und ging auf ihr Zimmer. Sie wollte wissen, wie es Clint gerade ging, aber niemand beantwortete ihre Fragen. Immer noch mit ihren Gedanken beschäftigt, begann sie, sich für den Abend fertig zu machen. Während sie unter der Dusche stand und sich von warmen Wasser berieseln ließ, musste sie plötzlich grinsen. Endlich hatte sie ihn. Den perfekten Plan.

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