Lilien und Kastanienblüten

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Die Wochen vergingen und jeder Tag wurde für Zoe länger.

Vorgestern erst hatte sie eine Urlaubskarte von Hermine bekommen, die von ihrem fabelhaften Urlaub berichtete: Von den weißen Wildpferden, den schwarzen Stieren und den Flamingos auf den Ebenen. Vom warmen, angenehmen Wetter und dem gediegenem Mittelmeer. Noch zehn Tage würde Hermine in der Camargue bleiben und dann sollte Zoe zu ihr kommen. Die Dreizehnjährige freute sich schon riesig auf diese Zeit.

Alleine und vollkommen durchnässt, weil sie im schwarzen See schwimmen gewesen war, machte sie sich schließlich auf den Weg zurück ins Schloss, während die warmen Sonnenstrahlen bereits ihr schulterlanges, blondes Haar trockneten. Auch von Harry hatte sie bereits eine Eule erhalten und die Slytherin hatte sich fest vorgenommen heute ihren beiden Freunden zurückzuschreiben.

Als sie das Schulleiterbüro betrat, war dieses jedoch verlassen. Ihr Großvater hatte während der Ferien immer wieder Hogwarts verlassen, um allerlei Geschäfte zu erledigen. Er war nicht nur eine gefragte Person im Ministerium, sondern auch im Zaubergamot, dem obersten Gericht der britischen Zauberergemeinschaft und zudem hatte er noch jemanden für die Stelle des Verteidigung gegen die dunklen Künste finden müssen. Ob dies ihm bisher gelungen war, wusste sie allerdings noch nicht.

Zoe nahm sich ein hohes Messinggefäß von einem der Schränke ihres Großvaters, füllte dieses mit Wasser und stellte behutsam den Bund wilder Lilien hinein, die sie heute am See gepflückt hatte. Einen Moment betrachtete sie die bunte Mischung aus lilanen, weißen und gelben Blüten und war zufrieden. Ihre Eltern hätten sich sicher über diese kleine Aufmerksamkeit gefreut.

Zoe seufzte melancholisch. Genau heute waren ihre Zieheltern schon seit zwei Jahren verstorben und ihr Großvater hatte ihr versprochen, dass sie heute zum ersten Mal das Grab von Jim und Evelyn besuchen würden. Noch immer war Zoe traurig darüber, wenn sie an ihren Verlust dachte, doch langsam war die Zeit gekommen, in der sie akzeptieren und verstehen konnte, dass sie ihre Eltern nie wieder sehen würde. Und die Erinnerung daran, welch liebevolle und wunderbare Menschen sie waren, tat nicht mehr so weh, als sei diese Wunde frisch geschlagen worden und die Angst saß nicht mehr so tief ihn ihr, dass sie all diese Erinnerungen an sie einfach verlieren konnte.

Die Zeit heilte die Wunden, doch die Narben blieben bestehen.

Zoe rückte die einzelnen Blüten noch einmal zurecht, damit diese keine Blätter verloren und ging dann schnurstracks in ihr eigenes Zimmern, das hinter dem kreisrunden Büro ihres Großvaters lag, um sich trockene Kleider zu nehmen und anschließend ein Vollbad zu genießen. Vor dem Spiegel klaubte sie sich noch Reste von Algen und Seetang aus den Haaren und glitt schließlich leicht seufzend in das warme und nach Vanille duftende Schaumbad.

Es hatte gut getan, sich an diesem heißen Tag im See abzukühlen, doch genauso entspannend war nun das warme, duftende Bad, das den modrigen Geruch des Seewassers von ihr wegspülte. Die wohltuende Wärme machte sie schläfrig und schließlich begann Zoe wegzudösen und träumte von den frechen Grindelohs, die sie im See beobachtete hatte und die schließlich von dem Wassermenschen zurückgerufen wurden

Doch dann kam einer der Wassermenschen an die Wasseroberfläche. Sein Gesicht war grünlich und er machte einen kriegerischen und furchteinflößenden Eindruck auf Zoe. Schließlich zeigte er auf den Grindeloh, der bei Zoe am Ufer saß und meinte: „Das habe ich ja noch nie erlebt! Ich kann mir einfach nicht erklären, wie er ausgebrochen sein kann!"

Der Grindeloh klammerte sich mit seinen langen, spindeldürren Fingern an Zoes Arm fest und duckte sich neben ihr, als wolle er den Blicken des Wassermenschen entkommen.

Verwirrt sah Zoe auf das unruhige Wasser, als ein zweiter Wassermensch brodelnd aus den Tiefen des Sees kam und mit einer vertrauten Stimme zu dem ersten sagte: „Das ist wahrlich seltsam und es muss sofort nach der Ursache geforscht werden, Cornelius."

Zoe Dumbledore und der Gefangene von AskabanWo Geschichten leben. Entdecke jetzt