23. Mevlüts Freude

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SELIM
- 3 Monate später -

„The meeting of two personalities is like the contact of two chemical substances: if there is any reaction, both are transformed."

Carl Jung

„Du hast ihr einfach so einen Antrag gemacht?", überrascht riss Gençer seine Augen auf und blickte zu Mevlüt, der breit grinsend auf dem Sofa saß. Wir hatten uns heute — zur Feier seiner gestrigen unüberlegten Aktion — bei Azad und Zümra versammelt und forderten Mevlüt stumm dazu auf uns aufzuklären.

„Ja, einfach aus dem Bauch heraus", er kratzte sich am Nacken und grinste Zümra kurz an, die das Wohnzimmer betrat um uns Tee zu bringen. „Danke azadîyamin (meine Freiheit)", Azad blickte ihr tief in die Augen und bekam ein liebevolles Lächeln zu Gesicht. „Gerne, lasst es euch schmecken. Ach und Mevlüt, ich wünsche dir alles Gute — keine Ahnung worüber es gerade geht, aber wenn es dich so glücklich macht, dann kann es nur eine schöne Botschaft sein", nachdem sie ihre Blicke zwischen uns wandern ließ, blieb sie an Mevlüts Grinsen hängen und schenkte ihm ein freundliches Lächeln. „Danke Zümra", Mevlüts Stimme war liebevoll — seit Azads und Zümras Hochzeit widerspiegelte er nur noch Freude und Liebe gegenüber dem frischen Ehepaar. „Wenn ihr noch was braucht, ruft einfach nach mir", sie lächelte uns alle ein letztes Mal an, ehe sie hinter der Küchentür verschwand, wo die Mädels um den Esstisch versammelt saßen.

„Jetzt erzähl schon", forderte ich Mevlüt auf, der sein dämliches Grinsen nicht ablegen konnte. „Ich kenne sie eigentlich schon mein ganzes Leben lang", fing er endlich an zu erzählen und atmete tief durch. „Wir sind gemeinsam aufgewachsen, waren im selben Kindergarten, dann auf der gleichen Schule, bis sie dann plötzlich, aus dem nichts, eine Ortschaft weitergezogen sind", ein schiefes Grinsen zierte sein Gesicht. „Wir haben uns aus den Augen verloren — damals war ich gerade mal 12", Mevlüt setzte eine kurze Pause ein, in der er grinsend mit dem Kopf schüttelte. „Sie ist mir eine Woche nach der Hochzeit von Azad über den Weg gelaufen, in unserem alten Viertel — irgendetwas hatte mich an dem Tag dahin gezogen und sie scheinbar auch", nachdem er seinen Satz beendet hatte, konnten wir es uns nicht verkneifen wie pubertierende Kinder zu jubeln. Dadurch wurde Mevlüt unwillkürlich eingeschüchtert und er senkte den Blick. „Haltet die Klappen, er soll weitererzählen", Gençer hielt eine Sonnenblumenkerne zwischen Zeigefinger und Daumen und sah wie eine türkische Tante aus, die gerade den neusten Tratsch mitbekam. Grinsend wandte ich meine Blicke von ihm ab und blickte zu Mevlüt, dessen Grinsen mit jeder Sekunde breiter zu werden schien.

„Ich habe sie auf einen Kaffee eingeladen — sie ist wie Zümra und Verâ und wird bei Kaffee schwach, das hatte ich von meiner Cousine erfahren, die mit ihr studiert hat — bei dem wir über alles mögliche geredet haben. Es war einfach ein sorgloser Moment und auch ihr sah man an, dass sie sich wohlgefühlt hat", er beugte sich kurz über den Tisch, um sich eine Salzstange zu nehmen, an der er genüsslich knabberte. „Sie hat erzählt, dass sie bei der Deutschen Bahn arbeitet und danach haben wir uns immer an der Arbeit zum Mittagessen verabredet. Gestern habe ich sie nach der Arbeit nach Hause gefahren, ihr Vater hat uns an der Tür abgefangen und hat mich dann auf einen Tee eingeladen. Die Gelegenheit habe ich dann genutzt und habe ihren Vater gefragt, ob ich seine Tochter kennenlernen darf", er zuckte gegen Ende mit den Achseln. „Und der hat einfach zugestimmt?", Okan hob fragend die Augenbraue in die Höhe. „Das ist eine ganz andere Geschichte", Mevlüt schüttelte lachend den Kopf, „Er hat mir erzählt, dass Mualla, seitdem sie umgezogen sind, ihm vorgeworfen hat ihr ihre große Liebe weggenommen zu haben und so war er direkt einverstanden, dass ich mit meinen Eltern vorbeikomme", seine Hand wanderte zu seinem gepflegten Drei-Tage-Bart, den er nur deswegen kratzte, um sein Grinsen zu verstecken. „Und nächstes Wochenende halten wir um ihre Hand an, natürlich nur mit der ganzen Truppe", er verschränkte die Arme vor der Brust und sah uns alle freudig an.

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