Langsam streifte er seinen dunkelroten Mantel ab und hing ihn über die Lehne seines Stuhls an seinem Stammplatz. Nebenbei konnte er nicht aufhören zu starren. Eigentlich sollte dies ein ganz normaler Abend in seiner öden Stammkneipe werden. Aber da stand diese dunkle Schönheit. Mit ihrem enganliegenden schwarzen Kleid glich sie einer Schlange. Oh ja, eine Schlange, das war sie.
Valtor konnte seinen Blick nicht mehr von ihr lassen. Sie bemerkte ihn ebenfalls, als sie gerade ihre langen schwarzen Haare zurückstrich. Sie grinste und lief mit elegantem Hüftschwung zu ihm. Er knurrte innerlich und musste sie dennoch unweigerlich anstarren.
„Findest du mich anziehend?", fragte sie zuckersüß und ließ sich in den Stuhl gegenüber fallen.
„Was willst du hier?" fragte Valtor zischend, „Du willst mir doch nicht mein Bier vermiesen?"
Er spürte die Blicke der anderen Mitmenschen in dem Raum. Sie alle starrten auf diese elegante Frau vor ihm. Sie passte nicht in diese Kneipe, in der die verlorenen Seelen sich betranken, um zu ertragen, wie man sich am nächsten morgen über ihre Misserfolge lustig machen würde. Nein, diese Hexe kannte das Wort ‚Misserfolg' nicht. Nicht nur ihr Aussehen war perfekt.
„Hör auf zu trinken", säuselte sie, „Ich kann dir helfen, dein Ansehen zu verbessern."
Ein Kellner nahm Valtors Bestellung auf, während sein Gegenüber nur abwinkte. Dann antwortete er fast zischend: „Diese Winx – du hast sicher von ihnen gehört – Hilf mir, sie zu vernichten und lass mich als einzigen Sieger dastehen, dann gerne."
„Also bitte", sagte sie abwertend, „Ich beschäftige mich nicht mit Kleinvieh. Das überlasse ich dir. Ich will dich auf eine Mission mitnehmen, die man besser nicht alleine machen sollte. Du kannst versuchen, wieder ein Bewusstsein für deine Kräfte zu erhalten. Deine Magie war ein Geschenk, dass niemand so einfach erhält."
Valtor sah ihr in die Augen. Sie blitzten schelmisch. Früher hatte er immer gedacht, dass sie rot sein sollten. Wie das Blut derer, die sie besiegt hatte. Ein gewisses Unbehagen machte sich in ihm breit. Aber andererseits wollte er nicht in diesem Schuppen vergammeln.
„Wirst du mich töten?", fragte er gerade heraus.
Sie grinste diabolisch: „Nur wenn es unbedingt sein muss."
Valtor seufzte ergeben: „Du bist die schlimmste kleine Schwester, die man sich nur vorstellen kann. Was hast du vor?"
Die Frau kam näher an Valtor heran: „Man sagt, dass im silbernen Gebirge, am Rand von Domino, eine Art Kraftreserve der Urhexen ist. Deshalb brauche ich dich. Du hast dich ihnen mehr verschrieben als ich. Du kanntest sie besser."
Ein Kellner brachte das bestellte Bier. Valtor trank gleich einen großen Schluck und lachte trocken: „Was soll ich dir denn schon groß helfen können. Sie haben mich benutzt. Nicht einmal davon habe ich etwas gewusst."
„Überlege dir mein Angebot", sagte sie ernst und stand auf, „Begleite mich, oder versinke in diesem Schuppen. Wenn du mich brauchst, halte nach den Krähen Ausschau."
Valtor sah ihr nach und murmelte: „Lieber nach Schlangen. Das ist die richtige Bezeichnung für dich, Celeste."
An diesem Abend dachte Valtor noch lange darüber nach, was er wohl auf so einer Mission machen konnte. Es stimmte. Er hatte kein Vertrauen mehr in seine Kräfte. Oder in andere. Oder in sich selbst.
Zur selben Zeit wie immer ließ er sich seine Rechnung geben und bemerkte erst da, dass er immer noch bei seinem ersten Bier war. Kurz darauf lief er überlegend durch die Straßen dieser Stadt, in der er Zuflucht gefunden hatte, nachdem die Winx ihn für tot erklärt hatten. Die Stadt der Verlierer, wie Valtor sie selbst betitelte. Auf diesem Planeten herrschte das pure Böse und diese Stadt war der einzige Ort, an denen Verlierer in Frieden leben konnten. Na ja, fast.
Valtor bemerkte hinter sich zwei Schatten. Er dachte erst an gewöhnliche Straßenräuber. Mit denen wäre er fertig geworden, bevor sie angegriffen hätten. Aber da kamen zwei Typen, mit zurückgekämmten Haaren in feinen Anzügen.
Der Zauberer blieb stehen und fragte, ohne sich noch einmal umzudrehen: „Kann ich euch helfen, meine Herren."
Er konnte diese Männer lachen hören, bis einer sagte: „Wir haben die Großhexe bei dir gesehen. Welche Geheimnisse hat sie einer Küchenschabe wie dir erzählt?"
„Großhexe?", murmelte Valtor und wunderte sich darüber, welchen Wert seine kleine Schwester schon erlangt hatte. Schließlich antwortete er, „Nichts von Belang. Geschwister dürfen sich doch füreinander interessieren, oder nicht?"
Einer der Schatten sprang auf ihn zu. Valtor wich aus und drehte sich elegant in die Richtung der beiden Männer: „Was wollt ihr denn genau wissen?"
Der andere Mann rannte auf ihn los und trat zuerst zu. Als Valtor den Tritt abwehrte, witzelte er: „Wie erbärmlich mein Leben ist?"
Der zweite Mann sprang und seine Hand glühte, als er versuchte auf Valtor zu landen und ihn mit der Faust zu treffen. Valtor erschuf einen Schutzschild, griff danach nach der Hand des Mannes und warf ihn von sich. Anschließend sprach er die nächste Option aus: „Oder wie die Großhexe Typen wie euch zum Frühstück verspeist?"
Der erste Mann hatte genügend Zeit einen größeren Zauber zu sprechen. Eine klebrige dunkle Masse kam von überall und hatte es darauf abgesehen, Valtor festzuhalten. Der Zauberer überlegte einen Moment. Würde er springen, würde er von der Masse getroffen werden. Ohne Zweifel. Er schuf eine Schutzkugel um sich herum und wartete ab. Die schwarze Masse bedeckte einfach alles. Er wusste, dass die Männer ihn suchen würden. Als sie schließlich vor ihm auftauchten, schickte Valtor ihnen eine Feuerexplosion, während er immer noch in der sicheren Schutzkugel stand. Die schwarze Masse wurde in der ganzen Straße verteilt und die Männer prallten an der nächsten Hauswand ab. Valtor quetschte sich in eine schmale Gasse und wartete erneut ab. Die Männer suchten ihn, aber fanden ihn nicht mehr. Als sie abzogen, lief Valtor so schnell er könnte in seine Wohnung.
Sie lag in einem verkommenen Hochhaus und bot gerade genug Platz für ihn. Ein Bett, ein Fernseher, eine kleine Küche und ein noch kleineres Bad. Das war seine Welt. Trotzdem hatte er es sich nicht nehmen lassen, ein Poster von den Winx und ein paar Pfeile mit in die Wohnung zu bringen. Er war wirklich stolz auf sich, wie er von seinem Bett aus immer genau Blooms Herz treffen konnte. Wenn man es denn Stolz nennen konnte...
Seine erste Amtshandlung war, in den Spiegel zu schauen. Ihm war nie aufgefallen, wie er immer mehr verwahrlost war. Ihm wuchs ein zotteliger Bart, er sah fertig und mager aus. Alles in allem sah er ungepflegt aus. Er seufzte und suchte einen Rasierer. Der überflüssige Bart musste ab. Er wusch sich direkt danach und ließ mit Zaubern die Flecken auf seiner Kleidung verschwinden. Dann legte er sich sofort schlafen, ohne bis fünf Uhr morgens irgendwelche Talkshows mit unbekannten Promis zu schauen und dann um acht Uhr von den Menschen auf dem Flur geweckt zu werden.
Als Valtor am nächsten Morgen aufwachte, sich für den Tag fertig machte und sich im Spiegel ansah, konnte er seinen Augen kaum trauen. Es waren nur Kleinigkeiten und dennoch konnte er sein altes Ich wieder erkennen.
Ihm fielen die Geschehnisse vom letzten Abend wieder ein und ihm war klar, dass er nicht so erbärmlich enden wollte, wie er sich gegeben hatte. Er rannte nach draußen und in den Wald, der an sein Viertel grenzte. Hier war er oft, um sich Vorwürfe zu machen. Aber nicht heute. Heute war voller Tatendrang. Er lief zielgerichtet auf eine Lichtung, auf denen schon unzählige Krähen saßen.
„Bringt mir Celeste", rief er ihnen zu und schon erhoben sie sich in die Luft.
Nur wenige Minuten später stand sie in ihrer Alltagskleidung vor ihn und säuselte, „Wie schön, dass du mir hilfst. Lass uns keine Zeit verlieren."
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Das silberne Gebirge
FanfictionJahre nach seiner Niederlage gegen die Winx lebt Valtor verloren im Exil. Da kommt plötzlich eine Frau auf ihn zu und macht ihm ein Angebot. Valtor will wieder Vertrauen in sich gewinnen und stimmt zu, ohne zu wissen, in welches Abenteuer er da gerä...