Valtor saß auf einem schneebedeckten Hügel und sah auf den Tunnel, durch den sie nach draußen gelangt waren. Unter einem Vorsprung lagen seine Begleiterinnen und schliefen. Zumindest glaubte er das. Der Magier sollte Wache halten, da er ja schließlich genug geschlafen hatte, nachdem er sich verausgabt hatte. In Gedanken versunken, hielt er das Fläschchen mit Lava gegen die Sonne. Warum hatte die Frau ihm das anvertraut? Warum glaubte sie, dass er auch nur einen Gedanken daran verschwenden würde, gut zu sein?
Trotz der Fragerei ließen ihn die Worte der Alten nicht mehr los. Er war sich sicher, in ihr die Göttin gesehen zu haben, die ihn gewarnt hatte. Gab es deshalb einen Grund für ihn Gutes zu tun? Nicht unbedingt. Er könnte sich auch allem entziehen und seine Pläne wieder aufnehmen, die Winx zu zerstören.
Er hörte plötzlich Schritte im Schnee und nur ein paar Sekunden später saß seine Schwester neben ihm. Schweigend betrachtete sie das Fläschchen. Da kam Valtor ein Gedanke. Wenn jemand etwas darüber wissen könnte, dann nur sie. Die Großhexe beschäftigte sich mit uralten Wesen, wie die Drachen es waren.
„Was denkst du?", fragte der Magier der Drachenflamme ohne zu zögern.
„Seltsam", antwortete sie, „Das alles vorhin war sehr seltsam. Ich habe schon einmal etwas über die goldene Quelle des großen Drachen gelesen. Willst du es hören?" Sie wartete Valtors Nicken ab und begann dann zu erzählen: „Die Großhexe Adelaide hat vor mehreren hundert Jahren versucht, die goldene Quelle zu finden. Sie fand sie. Die Urhexe Belladona war ihr gefolgt und es kam zum Kampf zwischen den Hexen. Dabei wurde Adelaide in die Lava gestoßen und verbrannte. Belladonna bemerkte daraufhin, dass auch sie die goldene Quelle nicht berühren konnte. Jeder Behälter, mit dem sie die Lava versuchte aufzufangen, schmolz. Daraufhin versuchten die Urhexen an die Magie der Drachenflamme zu kommen."
„Und irgendwann erschufen sie mich", überlegte Valtor weiter, „Aber warum das ganze?"
Celeste sah auf den glitzernden Schnee: „Die Magie des großen Drachen ist stark, aber er bezieht sie aus genau dieser goldenen Quelle. Die Urhexen sind die Diener des sogenannten schwarzen Drachens. Sie wollen seine Macht vergrößern. Sicher sollte das zu irgendetwas gut sein."
Mehr aus Spaß fragte Valtor: „Soll ich deshalb gut werden? Soll ich sie aufhalten?"
„Gute Frage", antwortete die Großhexe, „Aber was heißt schon Gut? Und was heißt Böse? Wer entscheidet das? Alle glauben, ich will die magische Dimension unterwerfen, weil ich böse bin und alles zerstören will. Aber das wäre doch ziemlich dumm von mir. Hast du denn über deine Ziele hinausgedacht?"
„Was meinst du?", fragte Valtor verwundert.
Celeste stand auf und wandte sich ihm zu und plötzlich meinte er eine unheimliche Aura bei ihr wahrzunehmen, die keinen Zweifel mehr an ihrem Titel als Großhexe ließ. Mit einem Grinsen antwortete sie: „Wenn mir die magische Dimension und alle anderen gehören, dann kann ich sie nach meinem Bild formen. Nervige Superstar-Feen? Weg! Die Urhexen? Weg! Machtgierige, geldgeile Menschen? Weg! Abgesehen von den Urhexen gehören doch diese Leute zu den Guten, oder nicht? Wäre die Welt ohne sie nicht ein besserer Ort?"
Valtor überlegte: „Die Feen hast du nur wegen mir aufgezählt, oder?"
„Vielleicht", antwortete die Hexe schulterzuckend, „Aber du verstehst das Prinzip?"
Der Magier nickte.
Als die Sonne am höchsten stand, setzten die beiden ihren Weg fort. Celeste hatte beschlossen, Alynn in eine andere Richtung zu schicken, um die Soldaten, wenn sie denn einen Weg nach Draußen fänden, zu verwirren. Der Hexe hatte sie eine Ausrede aufgetischt, damit diese auch sofort einwilligte.
Gegen Abend hatten die Geschwister das Tal erreicht und waren erleichtert, dass es dunkel geworden war. So waren sie keine leichte Beute mehr. Ihr Weg führte nur gerade aus und der Vollmond leuchtete ihnen den Weg. Den Berg in der Mitte hatten sie erst erreicht, als sich die ersten hellen Streifen am Himmel abzeichneten. Wie eine Tür für einen Riesen, war ein Portal in den würfeligen Berg eingelassen. Darauf zu lesen waren alte Runen.
Celeste betrachtete es misstrauisch: „Das kann unmöglich das Versteck sein."
„Wir haben hier ein anderes Geheimnis", antwortete auch Valtor und ließ eine Flamme in seiner Hand erscheinen, „Was steht da?"
Celeste las langsam und mit Denkpausen vor: „Fremde, werdet Euch...Gewahr, dass hier ein unsagbarer...Schatz liegt. Ein...Geheimnis so alt wie die Zeit. Wecket nicht den...Das Wort kriege ich nicht übersetzt. Er soll bis ans Ende der Zeit schlafen, um eine neue...Ära einzuläuten. Verlasst nun Domino und entdecket vor Euch die Geheimnisse der Zeit."
Als sie fertig war, berührte Valtor das Portal und plötzlich öffnete es sich wie von selbst und gab eine Steintreppe frei. An den Wänden hingen Steine in allen Farben, die den Weg nach oben leuchteten.
„Was hat das alles zu bedeuten?", fragte Valtor verwundert.
„Gute Frage", antwortete Celeste, deren Augen leidenschaftlich aufblitzten, „Aber ich liebe magische Geheimnisse. Langsam und bedächtig liefen sie hinein. Die Treppe ging Kreisförmig nach oben und war mal schmaler, mal breiter. Irgendwann, nachdem ihnen schon lange die Beine wehtaten, kamen sie in einem riesigen Saal an, der durch und durch mit den Steinen beleuchtet war, die oben wie Lampen angebracht waren und ergaben mit dem dunklen Gestein des Berges ein kleines Universum. An den Wänden waren verschiedene alte Runen.
Valtor sah sie sich an, bis ihm selbst eine Schrift bekannt vorkam. Fast zeitgleich mit seiner Schwester lasen beide laut vor: „Schlafkammer des großen Drachen."
Celeste fügte noch hinzu: „Sicher war es das Wort, dass ich nicht übersetzen konnte."
Das Fläschchen mit Lava, das Valtor unbewusst rausgeholt hatte, fing an, stark zu glühen, sodass auch der Magier seine Hitze spürte. Ihm wurde warm. Eine angenehme Wärme erfüllte seinen Körper und er fühlte sich stärker denn je. Celeste dagegen musste sich wieder ständig den Schweiß von der Stirn wischen.
Plötzlich fühlte Valtor etwas. Die Präsenz der Drachenflamme. Er folgte seinem Gefühl. Eine weitere Treppe ging wieder nach unten. Sie führte in einen weiträumigen Saal, indem der Geist des großen Drachens zu spüren war. Es schien, als würde er alles umgeben. Eine unglaubliche Ruhe umgab Valtor und gab ihm Kraft. Und er verstand, was seine Schwester vorgelesen hatte. Der Große Drache war Anfang und Ende der Zeit.
„Du solltest nicht hier sein", säuselte eine Stimme an seinem Ohr. Valtor drehte sich, bis er einen Durchgang entdeckte. Darin stand die Alte, die ihm noch vor einem Tag das Fläschchen gegeben hatte. Sie trat hervor und wurde unter dem Licht der Steine zu der wunderschönen Göttin.
„Warum?", fragte Valtor, „Meine Wahrnehmungen haben mich hergeführt."
Die Göttin trat näher: „Ihr seid nicht mehr im silbernen Gebirge. Auch Domino habt ihr hinter euch gelassen. Ihr habt das Portal zum Raum des Universums geöffnet. Der Thron aller Dimensionen ist nicht mehr weit. Deine Begleiterin darf ihn nicht finden. Nimmt sie sich meine Macht, erwacht der Drache und läutet das Ende ein."
„Davor hast du mich gewarnt?", fragte Valtor.
„Nein", die Göttin schüttelte den Kopf, „Dein Feind ist der schwarze Drache. Seine Dienerin will sich auf den Thron setzen und mit ihm kann der große Drache bezwungen werden."
Valtor wollte widersprechen: „Die letzten Dienerinnen des schwarzen Drachens sind tot. Ein paar Feen..." Dann fiel bei dem Zauberer der Groschen: „Mist! Sag mir nicht, dass die Urhexen noch am Leben sind?"
„Geh!", befahl die Göttin und wurde unruhig, „Es nähern sich mehrere Menschen dem Portal. Geh und du wirst es verstehen."
Valtor kam wieder dieser Agent in den Sinn. Er rannte so schnell wie er nur konnte nach oben, wo Celeste versuchte an einer Barriere vorbeizukommen, weil sie ihrem Bruder eigentlich folgen wollte. Als sie ihn sah, fragte sie unbeeindruckt: „Na, noch so ein Großer-Drache-Geheimnis?"
„Ja", brummte der Feuermagier und zog seine Schwester mit sich zu den Treppen und nach unten, „Kurz gesagt: Das ist kein Ort für uns. Der Drache sollte weiter schlafen. Außerdem steht dein Agentenfreund fast vor der Tür."
Celeste riss sich los: „Das heißt, wir sitzen in der Falle."
„Wer ist der Kerl?", fragte Valtor beim Weiterrennen mit einer Tonlage, die keinen Widerspruch duldete.
„Ein Doppelagent", antwortete Celeste ergeben, „Er hatte für einen König, für den ich früher gearbeitet habe, den magischen Rat ausspioniert. Zumindest dachten wir das. Ich sollte damals für diesen König einige Gefangene befreien. Juste hat mich in die Falle gelockt und wir standen uns im Zweikampf gegenüber. Ich habe ihn so schwer verletzt, dass er zwei Jahre sein Bett nicht verlassen konnte. Und er hat mich so schwer verletzt, dass ich mehrere Monate nicht aufgewacht bin. Wenn ich nicht noch einige Spione gehabt hätte, die mich da raus holten, dann hätte es schlecht für mich ausgesehen."
„Deswegen hast du Angst", schnaufte Valtor, „Wenn er ein ernstzunehmender Gegner für dich ist, dann sollte ich mich noch mehr in Acht nehmen."
„Ich habe keine Angst", zischte die Großhexe, „Ich habe mir seitdem einen Namen gemacht, habe mehrere Planeten übernommen, einen Drachen unter meine Kontrolle gebracht und...so viele Dinge, an die ich mich nicht mehr erinnern kann."
Valtor blieb stehen: „Wir werden das schon schaffen."
Celeste beruhigte sich und sagte dann: „Wann bist du von einem mickrigen Flämmchen zu einer Flamme geworden?"
Der Feuermagier grinste: „Blieb mir denn bei einer Schlange, wie dir, etwas anderes übrig?"
„Wohl wahr", antwortete sie, „Aber das wollte ich doch erreichen. Mit dir kann ich die magische Dimension einnehmen. Ich hätte dich also wahrscheinlich gar nicht geopfert."
„Nett", sagte Valtor und sie rannten wieder weiter. Draußen angekommen standen Juste und seine Soldaten. Sie richteten Schwerter auf die beiden. Einer der Männer hielt Alynn, die grinste. Sie grinste aber nicht dümmlich und Valtor fragte sich bei ihrem Anblick, seit wann sie leuchtend rote Augen hatte. Aus gutem Grund behielt er sie im Auge. Bevor der Agent auch nur etwas sagen konnte, brach der Soldat, der die Junghexe bewachen sollte, auf der Stelle zusammen. Alynn ging nach vorne und ihr Aussehen änderte sich. Lange schwarze Locken fielen ihr über einen eisblauen Umhang.
„Gut", sagte sie mit einer altbekannten Stimme, „Ihr seid meiner falschen Fährte gefolgt, meine Kinder. Ich wusste, dass selbst die ach-so-intelligente Celeste einer großen Kraft wie der unseren nicht widerstehen könnte. Und nun hat der kleine Teil der Drachenflamme endlich das Portal zum Thron aller Welten geöffnet."
„Wovon sprichst du, Alte Dame?", fragte die Großhexe verwirrt und Angst machte sich nun doch in ihr breit.
Agent Juste fragte ebenso verwirrt von hinten: „Die Urhexen leben?"
Abfällig wandte sich die Urhexe nach hinten: „Ich habe meine Schwestern vorgeschoben und habe mich selbst dem Kampf gegen diese Feen entzogen." Sie wandte sich erneut an Celeste: „Diese geheime Kraftreserve existiert nicht. Hinter dir liegt der Raum des Universums und nur die Drachenflamme kann das Portal öffnen. Komisch, du bist doch sonst so intelligent, kleine Kröte."
„Gut siehst du aus", sagte Valtor und wurde nervös, „Belladona."
„Nicht wahr", sagte sie, wandte sich ihm zu und kam näher, „Ich habe meinen alten Körper zurück." Als sie bei ihm war, säuselte sie verführerisch: „Hilf mir, Valtor. Überlassen wir das nutzlose Miststück von deiner Schwester ihrem Schicksal. Gemeinsam besteigen nur wir beide den Thron der Dimensionen."
„Celeste", sagte der Zauberer der Drachenflamme, der sich sehr wohl an die Vision der Göttin erinnerte, „Ich nehme alles zurück. Du bist keine Schlange. Sie ist es. Wir müssen sie aufhalten."
„Aufhalten?", fragte die Urhexe laut, „Du mickriges Flämmchen willst mich, die Anführerin der Urhexen, aufhalten?"
„Ja", antwortete Valtor entschlossen.
Belladona zog scharf die Luft ein: „Dann stirb! Stirb zusammen mit deiner verräterischen Schwester. Jetzt brauche ich dich sowieso nicht mehr."
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Das silberne Gebirge
FanfictionJahre nach seiner Niederlage gegen die Winx lebt Valtor verloren im Exil. Da kommt plötzlich eine Frau auf ihn zu und macht ihm ein Angebot. Valtor will wieder Vertrauen in sich gewinnen und stimmt zu, ohne zu wissen, in welches Abenteuer er da gerä...