Das Abenteuer kann beginnen

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Als Celeste gesagt hatte: „Lass uns keine Zeit verlieren", da meinte sie das auch so. Sie erschuf an Ort und Stelle ein Portal, das sie nach Domino bringen sollte. Sie ließ Valtor den Vortritt. Er sah noch einmal auf sein tristes Leben zurück und lächelte, als er durch das Portal trat.
Er kam auf einer Wiese an. Vor ihm floss ein kleiner Bach, dahinter stand ein einzelnes Haus vor einem Wald. Am Horizont konnte er auf einer Anhöhe das Schloss von Domino sehen. Er erinnerte sich an die alten Zeiten, als er mit den Urhexen gegen die Verbindung des Lichts gekämpft hatte. Und er erinnerte sich, wie Celeste ihn damals im Stich gelassen hatte, bevor man ihn bezwang und in die Omega-Dimension gebracht hatte. Es würde nicht das erste Mal sein, dass er sich fragte, warum er sie begleitete.
Selbige legte Valtor nun einen Umhang um. Sie selbst hatte sich einen umgelegt und wirkte beinahe schon lieb. Ihr körperbetontes Kleid vom gestrigen Abend war einer langen schwarzen Jacke und einer schwarzen Hose gewichen. Dazu trug sie Wanderschuhe, auch wenn Valtor wusste, dass letztere nicht den Geschmack der Hexe trafen. Ihm war auch klar, warum sich die Hexe am Tag zuvor aufgebrezelt hatte. Sie kannte seine Schwäche für schöne Frauen und wenn diese Hexe etwas anderes war, als mächtig, dann schön.
Mit Unbehagen fragte Valtor: „Und du glaubst wirklich, dass ich nützlich für dich bin?"
Celeste sah sich um: „Selbst wenn ich dich nur in eine Falle stoße, warst du hilfreich."
Valtor zog den Umhang fester. Er wusste nicht, ob er sich herausgefordert oder eingeschüchtert fühlen sollte, aber er wusste zu gut, dass sie es ernst meinte. Der Zauberer fühlte sich schlecht. Früher hätte er mit einem guten Spruch geantwortet, aber zu diesem Zeitpunkt hatte er kein Selbstvertrauen.
„Was, wenn uns jemand erkennt?", fragte Valtor weiter. Daraufhin grinste die Hexe diabolisch. Das reichte dem Feuermagier als Antwort. Er hätte selbst darauf kommen können. Und trotzdem hoffte er, niemandem zu begegnen.
So begann die Reise der beiden. Celeste führte die beiden geradewegs in den Wald hinein. Schon jetzt spürte Valtor seltsame Schwingungen. Sie waren kaum spürbar, weshalb er nicht zuordnen konnte was es war, aber er sah seiner Schwester an, dass sie es auch fühlte.
„Was ist das?", fragte er leise.
Sie sah nicht nach hinten, antwortete aber: „Ein starker Schutzzauber, der verhindern soll, dass wir zu schnell zum silbernen Gebirge vordringen. Das Königspaar von Domino hat längst mitbekommen, dass ein Geheimnis im silbernen Gebirge liegt. Sie versuchen es selbst zu lüften und scheinbar vermuten sie, dass Leute wie wir ebenfalls hinter dem Geheimnis her sind."
„Bist du deshalb darauf gestoßen?", fragte Valtor.
Seine Begleiterin schüttelte den Kopf: „Nicht ganz. Ich habe schon länger nach der geheimen Kraftreserve der Urhexen geforscht. Es war immer die Rede davon, dass die Magie im Herzen der silbernen Krone liegt." Sie machte eine kurze Pause und sprach dann weiter. „Ich habe ein paar Aufträge von reichen Zauberern angenommen, die mir im Gegenzug alte Geheimschriften versprochen haben. Während eines solchen Auftrags bin ich das erste Mal auf das silberne Gebirge gestoßen und habe festgestellt, dass es wie eine silberne Krone aussieht. Da dachte ich mir, dass es doch eigentlich nur logisch wäre, wenn die Urhexen ihre Kraftreserve in Domino gelagert hätten. Wenn der Kampf nur etwas weiter östlich stattgefunden hätte, wäre es ein leichtes gewesen, auf die Kraftreserve zuzugreifen."
Valtor war wieder einmal beeindruckt von seiner Schwester, aber das verwandelte sich sofort in Wut: „Vielleicht hätte er sich noch verlagern können. Vielleicht hätte sich das Blatt noch wenden können. Aber du bist geflüchtet und hast uns im Stich gelassen."
„Was soll ich in einer auswegslosen Lage?", fragte Celeste unbeeindruckt, „Ich bin nicht allmächtig. Dieser Kampf war zum scheitern verurteilt."
Valtor schwieg nur dazu. Es ärgerte ihn, was sie sagte. Er würde ihr nie verzeihen, dass sie einfach vom Kampf geflüchtet war, als die finale Phase erreicht worden war. Und dennoch war er hier.

Es ging eine ganz Weile nur durch den Wald, sodass es für die beiden Geschwister schon langsam öde werden könnte. Da bemerkte Valtor aber zwei Schatten hinter sich. Erst ließ er sich nichts anmerken. Er wusste nicht, ob es sich um einfache Bewohner Dominos handelte oder doch um potenzielle Gegner. Eine Weile liefen sie so weiter. Valtor versuchte Anzeichen dafür zu finden, ob Celeste es auch bemerkt hatte. Diese zeigte auf einmal unauffällig drei Finger. Valtor kannte das Zeichen. Sie zeigte nur noch zwei und der Zauberer grinste. Wie in alten Zeiten. Eins.
Valtor drehte sich um und blickte in die erschrockenen Gesichter der Männer, die ihn am vorigen Abend angegriffen hatten. Hinter ihnen tauchte die Hexe auf, worauf sie nicht vorbereitete waren.
„Was wollt ihr von mir?", fragte Valtor zischend, „Ich dachte, ich hätte euch gestern schon klar gemacht, dass ihr mich in Ruhe lassen sollt."
Der eine sprach ohne zu zögern: „Als ob wir etwas von einer Ratte wie dir wollen. Wir wollen Macht und die bekommen wir nur, wenn wir der Großhexe folgen."
„Ich werde aber nicht gerne verfolgt", knurrte Celeste ebenso und während die Männer noch hinter sich sahen, schoss sie einen Zauber auf die beiden, die sofort vor Valtors Füße geschleudert wurden. Dieser schickte ihnen erneut eine Feuerexplosion und beförderte sie somit zurück.
Celeste lachte und wiederholte das Spiel. Dabei sagte sie: „Ich habe als Kind so gerne Ball gespielt."
Valtor macht es ihr nach und antwortete: „Deshalb diese Treffsicherheit."
Die Hexe stellte sich nun vor die Männer und sagte mit spöttischem Lächeln: „Und Valtor, was machen wir mit ihnen?"
Er überlegte. Zu gerne würde er diesen Typen eine Lektion erteilen. Sie mussten aber vorsichtig sein. Jeder Fehltritt konnte zu schnell verraten, dass sie auf diesen Planeten waren.
Die Hexe interessierte das wenig: „Ich nehme dir die Entscheidung ab. Ich brauche etwas Nervenkitzel."
Sie hob die Männer mit ihrer Magie in die Luft, woraufhin diese mit Schreien anfingen. Valtor beobachtete ganz genau, wie sie ihre Finge immer mehr aneinander zog. In der gleichen Geschwindigkeit keuchten die Männer und bekamen schnell keine Luft mehr. Sie ballte ihre Hände zu Fäusten und hielt sie aneinander. Im gleichen Moment stürzten die Männer zu Boden. Valtor wusste um die Mordzauber, die seine Schwester drauf hatte, und er wusste, wie viel Spaß es ihr bereitete, sie anzuwenden. Auch jetzt. Sie näherte sich ihren Opfern und suchte nach interessanten Dingen.
„Sieh mal einer an", sagte sie, als sie plötzlich eine Brieftasche hochhielt, „Die beiden waren doch glatt Junior-Agenten des magischen Rates. Wenn sie ihre Informationen weitergeleitet haben, dann könnte dieser Ausflug noch spaßig werden." Sie holte das Geld aus den Brieftaschen: „Ich habe uns Essen gejagt. Na ja, so gut wie."
Valtor grinste: „Mit dir ist es wirklich noch nie langweilig geworden."
Innerlich bekam er aber erneut ein flaues Gefühl im Magen. Die Mission, die er angenommen hatte, konnte noch sehr anstrengend werden.
„Komm", sagte die Hexe nun und ging wieder vorwärts, „Am Ende des Waldes ist ein Dorf. Dort würde ich die Nacht sehr gerne übernachten."
Der Zauberer ging schnell hinterher. Am späten Nachmittag hatten sie das Dorf erreicht. Mit dem Geld, das Celeste den Männern abgeknöpft hatte, und mit einem Verschleierungszauber, damit keiner die beiden erkannte, hatte die Hexe in einem Gasthof noch ein Zimmer ergattern können. Valtor setzte sich bis zum Abendessen nach draußen vor den Gasthof und betrachtete das Schloss von Domino, das in der untergehenden Sonne glitzerte. Wie er sich doch wünschte, es möge mitsamt der königlichen Familie untergehen. Er sah gegenüber einen Zeitungsständer stehen. Darauf abgedruckt waren seine Lieblingsfeinde und auf einem anderen Bild Prinzessin Daphne. Genervt warf er den Kopf in den Nacken. Die Katastrophe, die schon zwanzig Jahre zurückliegen musste, war wirklich nirgendwo mehr zu spüren. Valtor beobachtete auch die Menschen. Sie strahlten Ruhe und Gelassenheit aus. Dabei hätten sie doch genauso gut vor ihm erzittern können. Allein die Vorstellung daran ließ den Zauberer plötzlich lächeln.
Den restlichen Abend verbrachte der Feuermagier damit, sich über sich und seine Kräfte Gedanken zu machen. Er wusste nun wieder, was er wollte. Er wollte der größte und böseste Zauberer aller Zeiten sein. Und wenn es jetzt bald schon soweit war, wollte er wieder zeigen, wie mächtig er einst war. Vor allem wollte er sich aber keine Sorgen wegen seiner Schwester machen müssen. Bevor er spät am Abend einschlief, stellte er sich sogar vor, wie sie vor ihm erzittern würde. Ein herrlicher Gedanke.

Am nächsten Morgen wurde Valtor schon früh von Celeste geweckt. Sie klang ernst, aber der Zauberer meinte, ihre Stimme würde auch etwas amüsiert klingen: „Steh auf. Sie haben die toten Agenten entdeckt. Hier wimmelt es nur von den Soldaten Dominos."

Das silberne GebirgeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt