Es gibt Freunde und es gibt Familie. Und es gibt Freunde, die zu Familie werden.
„Ich mag die Musik nicht", informierte Finley Nick und griff nach dem Handy des Braunhaarigen, „das ist keine coole Musik."
Nick musste lachen und rettete sein Telefon vor Finley, indem er es von seinem Bett schnappte und sich zwischen die Beine klemmte.
„Ey!", beschwerte sich Finley und wollte ungerührt zwischen Nicks Beine greifen, doch dieser gab vorher nach und hielt es seinem blonden Kumpel hin.„Dann such du mal coole Musik raus", meinte er und sah belustigt dabei zu, wie Finley ehrfürchtig Safari öffnete und mit seinem rechten Zeigefinger Buchstabe für Buchstabe einen Songtitel in die Suchleiste eingab. Finley besaß auch ein Handy, allerdings hatte Abigail einige Funktionen gesperrt, wie zum Beispiel In-App-Käufe, die Handybenutzung zu bestimmten Uhrzeiten und eben Safari, sofern man nicht einen Code eingab, den Finley allerdings nicht kannte.
„Was suchst du denn da?", wollte Nick verwundert wissen, als Finley bereits zum dritten Mal löschte, was er eingegeben hatte und neu zu tippen begann.
„Mama hat gestern Musik gehört", erklärte Finley, „und das Lied hieß ‚tinted love'. Aber ich finde es nicht."
„Meinst du vielleicht ‚tainted love'?", verbesserte Nick schmunzelnd, „von wem war das Lied denn?"
„Keine Ahnung", Finley tippte auf dem Bildschirm herum, „aber hier ist ein Video, das so heißt."
Bevor Nick etwas sagen konnte, hatte Finley das Video schon einfach angeklickt und schon drangen die ersten Basstöne durch Nicks Zimmer, die jedoch so überhaupt nicht nach der normalen Version von Soft Cell klangen.
„Seit wann hört deine Mutter denn Marilyn Manson?", fragte Nick überrascht.
„Weiß ich nicht, ich kenn den nicht", entgegnete Finley, „aber das Lied hier ist auch nicht das, was ich wollte. Aber es ist noch besser."
„Noch besser?", Nick musste lachen bei dem Gedanken, wie Abigail morgen früh wohl schauen würde, wenn Finley Metal-Musik hörte. Der blonde Junge übernachtete heute wieder einmal bei Nick, was für ihn immer eine Gelegenheit war, länger aufzubleiben, als Abigail es ihm sonst erlaubte.
Seit Finley mit seiner Mutter nebenan eingezogen war, hatte sich eigentlich nicht viel verändert. Nick und Finley hatten an dem Abend ihres Kennenlernens sehr lange und viel miteinander gespielt, bis Abigail ihren Sohn praktisch nach Hause schleifen musste und gleich am nächsten Morgen waren die beiden wieder gemeinsam unterwegs gewesen. Für Nick war es toll, einen Spielkameraden zu haben, der zwar älter aussah als er, aber trotzdem mit ihm spielte und sich nicht zu alt vorkam für einige Spiele. Und Finley hatte sich einfach gefreut, überhaupt mal einen Freund zu finden, denn bisher wollten die meisten anderen Kinder nicht mit ihm spielen, weil er ihnen zu kindisch war.
Nick und Finley gingen für sechs Jahr zusammen in die Grundschule, sogar in eine Klasse – dafür hatten sich ihre Eltern sehr eingesetzt. Einmal wäre Finley beinahe sitzen geblieben, doch die Lehrer hatten mit seiner Mutter ein langes Gespräch geführt und schließlich beschlossen, ihn doch weiter zu lassen, da er in einer anderen Klasse – ohne Nick, der immer an seiner Seite war – wahrscheinlich gehänselt werden würde, war er doch eigentlich schon für seinen aktuellen Jahrgang zwei Jahre zu alt. Und so kam es den Jungen auch nur recht, dass sie durch die Regelung der USA, behinderte und nicht-behinderte Kinder zusammen zu unterrichten, weiterhin zusammen zur Schule gingen. Nun waren sie im letzten Jahr der Highschool und besuchten zwar nicht alle Kurse zusammen, aber größtenteils – besonders in den Pausen – verbrachten sie jeden Tag zusammen.
Mittlerweile war Finley und Nick bereits 19 und 17 Jahre alt und hatten sich zu jungen Männern entwickelt. Finley hatte bereits einen Bart, während Nick auf seine ersten Stoppeln noch vergeblich wartete. Und die beiden waren absolut beste Freunde. Fast jedes Wochenende übernachtete Finley bei Nick oder andersherum und seit Nick seinen Führerschein hatte, fuhr er Finley morgens immer zur Schule – vorher hatte entweder Abigail beide Jungen mitgenommen oder Nick war mit dem Bus gefahren, wobei letzteres immer ziemlich doof gewesen war. Aber nun hatte sich das auch geklärt, denn so konnten sie morgens immer zusammen losfahren und dabei Musik hören.
Nick war mehr oder weniger Finleys einziger Freund, denn obwohl er nicht geärgert wurde – was man ebenfalls Nick zu verdanken hatte – wollte niemand wirklich etwas mit ihm zu tun haben. Nick hingegen war recht beliebt, er hatte viele Freunde, doch Finley war mit Abstand sein bester Freund. Und Nick wäre es sehr undankbar vorgekommen, hätte er Finley nur wegen cooleren Jungs links liegen lassen, denn dieser blonde Junge würde alles für ihn tun und vergab Nick alle Fehler ohne einen zweiten Gedanken.
Er hatte längst aufgehört zu zählen, wie oft sie sich schon gestritten hatten, aber sie hatten sich jedes Mal wieder vertragen. Und immer hatte sich Finley entschuldigt, selbst, wenn es gar nicht seine Schuld gewesen war. Nick wusste, wie viel er seinem besten Freund bedeutete und das Letzte was er wollte, war, Finley irgendwie zu verletzen.
An diesem Abend hörten Nick und Finley zusammen Musik von Marilyn Manson und Finley stellte fest, dass er diese Musik sehr gut fand, auch wenn er sich beschwerte, dass der Sänger in seinen Liedern so viel fluchte. Nick hatte sich vorsichtshalber sein Handy zurückgeholt und spielte die Musik außerhalb von Safari ab, da die Musikvideos doch etwas verstörend waren.
Circa um Mitternacht lagen Nick und Finley schließlich dicht nebeneinander in Nicks Bett, Finley hatte seinen Kopf auf Nicks Schulter abgelegt.
„Ich will am Montag nicht zur Schule", flüsterte der Blonde, „vielleicht sag ich Mama, dass ich Bauchweh habe."
„Wieso denn?", hakte Nick nach, „Ist am Freitag was passiert?"
„Nein, aber Montag ist ein blöder Tag", seufzte Finley und legte sich etwas anders hin, „da hab ich Schwimmen und das ist immer doof."
„Ich weiß", murmelte Nick, „aber das Gute daran ist doch, dass in ein paar Wochen die neuen Sportarten anfangen und dann hast du wieder Tennis."
„Wieso kannst du nicht mitkommen zum Schwimmen?", ärgerte sich Finley, „Dann würde es viel mehr Spaß machen."
„Ich hab nun einmal Football gewählt", bedauerte Nick, „und das geht das ganze Jahr lang, ansonsten hätte ich ganz sicher zumindest eine der Sportarten mit dir zusammen gemacht."
Finley nickte nur, dann gähnte er und räkelte sich ein wenig.
„Schlaf schön Nick", wisperte er.
„Du auch Finley", erwiderte Nick und schloss die Augen, beruhigt durch das familiäre Gefühl von Finleys Kopf auf seiner Schulter.
DU LIEST GERADE
friend (boyxboy) || DE
أدب المراهقينfriend (plural friends) A person other than a family member, spouse or lover whose company one enjoys and towards whom one feels affection. Nick und Finley verbindet eine ganz besondere Art der Freundschaft. Die beiden sind Nachbarn, seit sie denken...