Kapitel 3

45 6 0
                                    

Kapitel 3: Das Dinner und Ablenkung

Adelaide POV

Eine peinliche Stille hatte sich über den Speisesaal ausgebreitet. Dorothea, die französische Königin, bemühte sich eine Konversation in Gange zu bringen, Francis jedoch schwieg und blickte nicht einmal auf, wenn man ihn ansprach. Mir fiel auf, dass er bisher nicht ein Wort an mich gerichtet hatte. In diesem Moment kam mir meine anfängliche Nervosität nur noch lächerlich vor.
Was sollte er schon von mir denken, wenn er mich bloß einmal angesehen hatte? Er sprach nicht mit mir und hörte womöglich nicht einmal zu, wenn ich es tat.
»Also hast du das letzte Jahr im Kloster verbracht?«, fragte mich Dorothea. Wir waren bereits über die förmliche Anrede hinaus, was mich doch sehr freute.
»Ja. Kurz nachdem ich damals mit meinem Bruder hier war, hat mein Vater mich dorthin geschickt«, erzählte ich.
»Es war nicht freiwillig?«
»Ich denke es gibt kaum Leute, die freiwillig von einem Palast in ein Kloster gehen.« Ich pickte mit der Gabel in meinem Essen herum. Das Kloster war kein Thema, welches ich gerne anschnitt.
»Warum musstest du denn dorthin?«, fragte sie weiter. Ich schluckte leicht.
»Damals war es nicht lange her, dass die Engländer unseren Palast angriffen...«
»Also aus Schutz?« Ich schüttelte den Kopf.
»Nein. Bei dem Angriff starb meine Mutter und mein... Verlobter. Danach war ich etwas durch den Wind, konnte mich selbst nicht ganz kontrollieren. Meine Gefühle waren sehr durcheinander und ich verstand sie selbst nicht mehr. Mein Vater war der Meinung, dass eine Auszeit im Kloster mir helfen würde.« Ich sah die Königin nicht an, sondern starrte - ungefähr so wie Francis - auf meinen Teller.
»Hat es denn geholfen?« Sie klang etwas besorgt, bezeugte ihr Mitleid allein mit dem Ton ihrer Stimme.
»In gewisser Weise schon. Ich hatte sehr viel Zeit nachzudenken. Ich fand heraus, warum ich so sehr gegen meinen Vater rebellierte.« Es hatte durchaus etwas Wohltuendes mit Dorothea darüber zu reden. Sie kam mir wie eine nette, verständnisvolle Person vor.
»Und warum? Wenn ich das fragen darf?« Endlich traute ich mich wieder, sie anzusehen. Sie schien mich nicht zu verurteilen, sondern zu verstehen.
»Ich gab ihm die Schuld an den Verlusten, die ich zu ertragen hatte. Als König war es seine Aufgabe uns im Palast zu beschützen und für mich hatte er damals versagt. Ich hatte nicht erkannt, dass er selbst eine geliebte Person verloren hatte.« Ich sprach leise und wählte meine Worte mit Bedacht. Dorothea nickte verstehend.
»Es ist immer schwer jemanden zu verlieren«, sprach sie sanft und leise. Ich nickte bloß. »Ich wusste gar nicht, dass du bereits einmal verlobt warst.« Ein Kloß formte sich in meinem Hals.
»Edward war der Sohn eines Adelmanns. Wir wuchsen quasi gemeinsam auf und hatten uns immer gut verstanden...« Ich verstummte. Es tat fürchterlich weh über ihn zu reden. Nun sprach auch Dorothea nicht mehr. Ein kurzer Seitenblick verriet mir, dass Francis sein Dinner beendet hatte. Er legte sein Besteck nieder und erhob sich von seinem Platz. Er verließ mit schnellen Schritten den Speisesaal. Ich entschuldigte mich bei Dorothea und erhob mich ebenfalls, um Francis zu folgen. Vor der Tür des Speisesaals holte ich ihn ein.
»Francis!« Seine abweisende Haltung mir gegenüber machte mich wütend. Ruckartig drehte er sich herum.
»Was?!«, zischte er. Ich schreckte kurz zurück.
»Warum seid Ihr so abweisend? Was habe ich Euch getan?«, fragte ich ihn und ich schaffte es trotz meiner Wut und Enttäuschung förmlich und höflich zu bleiben. Er lachte sarkastisch auf.
»Du willst wissen, warum ich so bin? Weil ich keinerlei Interesse in dich habe und auch nicht darin, dich zu heiraten! Ich will dich nicht und würde alles tun, um diese Heirat zu verhindern!« Mit großen, glasigen Augen sah ich ihn an. Es war mir klar gewesen, dass er genauso wenig begeistert war, wie ich, dass er jedoch eine solche Abneigung mir gegenüber hegte, war mir nicht bewusst. Als ich nichts mehr sagte, drehte Francis sich herum und ging fort.

»Vielleicht hast du dich verhört?«, fragte mich Anne. Ich hatte ihr und Tabea erzählt, was Francis zuvor gesagt hatte.
»Nicht viele Dinge klingen wie ‚Ich will dich nicht'«, seufzte ich. »Ich kann nicht glauben, dass ich mein restliches Leben mit diesem Mann verbringen soll! Außerdem wird er König und ihr wisst, was das bedeutet, oder? Ich werde einen Erben für Frankreich gebären müssen und das bedeutet, dass ich mit ihm-« Ich verstummte. Der Gedanke mit Francis intim zu werden erfreute mich nicht gerade.
»Einen Vorteil hast du mit ihm«, meinte Tabea. Ich zog eine Augenbraue hoch und sah sie skeptisch an.
»Und welche bitte?«
»Nun er hatte viele Affären, also muss er in - wie soll ich sagen? – körperlichen Partneraktivitäten(?) sehr talentiert sein.«
»Wundervoll!«, meckerte ich und warf meine Hände in die Höhe. »Ich werde ein Leben ohne Liebe und mit einem Ehemann, der vermutlich wer weiß wie viele Mätressen haben wird, verbringen, aber zumindest werde ich in sexueller Hinsicht befriedigt sein.«
»Naja, wenn er so abweisend und grob zu dir ist, solltest du es ihm gleichtun«, meinte Tabea nun und zuckte mit den Schultern.
»Wie meinst du das?«
»Sei ebenfalls abweisend zu ihm. Bemühe dich nicht um seine Aufmerksamkeit oder Zuneigung.« Ich nickte. Tatsächlich gefiel mir diese Idee. Wie er mir, so ich ihm.
»Das wäre töricht!«, sagte Anne. »Als Ehefrau ist es deine Pflicht deinem Mann zu gehorchen; dich um ihn zu kümmern, wenn nötig, und ihn zu lieben.«
»Das ist dumm! Warum sollte sie ihm etwas geben, was er ihr nicht gibt?« Ein Seufzen entfleuchte meinen Lippen. Ich wusste, dass die beiden sich streiten würden. Daher erhob ich mich und verließ das Gemach. Ich suchte erneut den Balkon auf.
Die Aussicht war immer noch wunderschön und dieses Mal konnte ich die Natur unter mir im untergehenden Sonnenschein betrachten.
»Eine wundervolle Aussicht, nicht?« Ich erschrak, als ich eine bekannte Stimme hinter mir vernahm. Ich drehte mich herum und sah Charles, der mich entschuldigend anblickte. »Tut mir leid. Ich wollte dich nicht erschrecken.«
»Schon gut«, sagte ich. »Dann sind wir jetzt quitt.« Ich lächelte ihn etwas an, als ich auf unseren Zusammenstoß am Mittag anspielte. Er lachte leicht und nickte.
»Einverstanden!« Ich wand mich wieder den Ländereien zu.
»Hier draußen ist es so friedlich«, hauchte ich. Charles stellte sich neben mich und sah ebenfalls in die Natur.
»Ja. Ich nehme an, da du etwas friedlich brauchst, ist das Dinner nicht so gut verlaufen?« Wieder entkam mir ein Seufzen.
»Francis hat kein einziges Wort gesprochen und sobald er fertig war, ging er. Ich folgte ihm und stellte ihn zur Rede, warum er so zu mir ist. Seine Antwort war, dass er mich nicht wolle und alles tun würde, um mich nicht heiraten zu müssen. Also, nein – Es lief nicht so gut«, erzählte ich betrübt. Obwohl ich ebenfalls gegen diese Hochzeit war, hatte ich mir doch die Mühe gegeben freundlich zu sein und einen guten Eindruck zu hinterlassen. Und das für nichts und wieder nichts.
»Um ehrlich zu sein, hatte ich das schon erwartet. Francis hat, bevor du hier ankamst, kein Geheimnis daraus gemacht, dass er gegen die Eheschließung zwischen euch ist. Er ist einfach kompliziert, wenn es um Beziehungen geht«, erklärte Charles. Es rührte mich, dass er versuchte seinen Bruder ins rechte Licht zu rücken und doch verwirrte es mich.
»Ich bin etwas verwirrt. Bin ich heute Mittag nicht Zeugin einer Rivalität zwischen euch geworden?«, fragte ich ihn gerade heraus, was ich dachte.
»Nein, das ist nur ein Spaß zwischen uns«, lachte Charles. »Tut mir leid, dass du dazwischengeraten bist.«
»Für mich war es kein Spaß«, erwiderte ich. »Es war ziemlich unangenehm.« Charles nickte.
»Verzeihung.« Ich hörte, dass er es ernst meinte. Charles schien mir ein netter, ehrlicher und einfühlsamer Mann zu sein. Ich fühlte mich wohl in seiner Gegenwart und konnte mich entspannen. Ein solches Gefühl hatte ich nicht bei vielen Personen.
»Lass uns das Thema wechseln«, schlug er vor. Ich nickte erfreut.
»Und worüber reden wir?«, fragte ich gespannt. Er dachte kurz nach und sagte dann:
»Wie gefällt es dir hier in Frankreich? Abgesehen von der arrangierten Ehe und einem abweisenden Verlobten, natürlich.«
»Eigentlich ist es ganz schön hier. Ich liebe die Natur und ich fürchtete, dass ich hier nicht viel davon zu sehen bekommen würde. Außerdem ist mein Gemach hier viel größer und schöner, als daheim.« Mein Blick war auf den Wald, der sich in der Ferne befand, gerichtet.
»Eigentlich ist ein Wort, welches man eigentlich weglassen könnte«, sagte Charles und als ich ihn ansah, sah ich ein Grinsen in seinem Gesicht.
»Du hast recht. Es ist sehr schön hier«, korrigierte ich mich selbst, ebenfalls grinsend.
»ich habe gehört, dass du das letzte Jahr in einem Kloster warst. Wie war das?«, fragte er und blickte mich ehrlich interessiert an.
»Auf eine merkwürdige Weise entspannend. Das Leben am Hof kann sehr anstrengend sein, selbst wenn man in der Zukunft nicht auf dem Thron sitzen wird. Aber das weißt du sicherlich. Im Kloster ist es immer sehr ruhig und man hat viel Zeit zum Nachdenken. Das war nicht immer angenehm, aber generell hat es mir gefallen. Es war auch sehr abgelegen von der Stadt, also mitten in der Natur.«
»Das klingt wirklich sehr schön und entspannend. Ich versuche mich hier aus den politischen Dingen heraus zu halten und dennoch bekomme ich sehr viel mit und werde auch in einiges hineingezogen. Also ja ich weiß, was du meinst.«
Bis die Sonne untergegangen und es stockduster war unterhielten wir uns über unsere Leben am schottischen und französischen Hof. Es war überraschend, wie viel wir gemeinsam hatten und dennoch gab es genügend Unterschiede zwischen uns, sodass die Unterhaltung nicht langweilig wurde.
»Gute Nacht, Adelaide«, sagte er vor meiner Tür.
»Gute Nacht, Charles. Und vielen Dank für die Ablenkung«, erwiderte ich lächelnd. Er erwiderte mein Lächeln und sagte:
»Gerne wieder.« Ich öffnete die Tür und trat in mein Gemach. Hinter mir schloss ich sie wieder.

Ich lag in meinem Bett auf dem Rücken und sah an die Decke. Ich dachte an Francis und Charles. Ich hatte Charles erst an diesem Abend genauer betrachtet und konnte einige Unterschiede, aber auch Ähnlichkeiten mit Francis feststellen. Beide hatten blaue Augen und einen Bart, waren groß, breitschultrig und muskulös. Charles hatte jedoch dunkles, glattes Haar. Der größte Unterschied zwischen den beiden war, dass Francis unausstehlich und arrogant war, während Charles außerordentlich freundlich und witzig war. Mir viel auf, dass Charles ein echtes Interesse in mich und in das, was ich zu sagen hatte, aufwies, während Francis mich nicht im Geringsten leiden konnte. Ich fühlte mich wohl bei Charles und auf merkwürdige Weise sicher. Es war, als konnte ich bei ihm ich selbst sein. Die wahre Adelaide, nicht Prinzessin Adelaide von Schottland. Es war mit ihm, wie damals bei... Edward. Dieser Vergleich schmerzte und dennoch hatte er auch etwas Tröstendes. Ich hatte gedacht, dass ich niemals wieder jemanden wie Edward finden würde. Ich war froh, Charles kennengelernt zu haben. Mit diesem abschließendem Gedanken schlief ich ein und alle anderen Gedanken entflohen meinem Kopf.

Hier mal ein Danke an meine Beta-Leserin, @Tabea_Sophie, ohne die einige Buchstaben und Wörter fehlen würde und manche Sätze absolut keinen Sinn ergeben würden :) <3

Der unbekannte PrinzWo Geschichten leben. Entdecke jetzt