Kapitel 7: Brüder
Francis POV
Es war bereits dunkel, als ich von meinem Ausflug zurückkehrte. Ich ging den Korridor zu meinem Gemach entlang. Vor der Tür erwartete mich mein Bruder.
»Charles. Ich dachte du verbringst deine Zeit mit Adelaide«, fragte ich mit hochgezogenen Augenbrauen und einem Grinsen. Dieses verging mir, als ich den Ausdruck auf seinem Gesicht sah.
»Können wir reden, Francis?«, fragte er mich. Ich nickte und öffnete die Tür des Gemachs. Wir setzten uns auf das Sofa, welches vor dem Kamin stand. Er starrte auf seine Hände und schwieg.
»Charles, was ist los? So habe ich dich noch nie gesehen.« Sein Verhalten besorgte mich sehr.
»Ich habe deinen Rat beherzigt«, sagte er leise.
»Was?«
»Adelaide und ich – Wir sehen einander nicht mehr.« Ich schloss kurz meine Augen.
»Und das ist es, was dich so sehr bedrückt?«, fragte ich.
»Ich weiß, dass du sie nicht sonderlich leiden kannst, ich aber schon. Sie ist nicht nur wunderschön, sondern auch intelligent, liebevoll, witzig und wir haben unglaublich viel gemeinsam.« Er ließ sein Gesicht in seine Hände sinken. »Aber sie ist deine Verlobte.« Ich legte ihm eine Hand auf die Schulter.
»Es tut mir leid, Charles. Ich wusste nicht, dass sie dir so viel bedeutet. Es ist aber besser so. Alles andere würde bloß Probleme schaffen – Für uns alle drei.« Ich versuchte ihn zu trösten, was aber nicht gerade zu meinen Stärken zählte. Er ließ seine Hände sinken und sah mich an.
»Das weiß ich auch. Es war einfach sehr schön mit ihr.«
»Ich weiß, Charles. Ich habe gesehen, wie glücklich du warst. Es tut mir so leid, dass ich der Grund für dein Unglück bin«, sagte ich voller Mitleid und Schuld.
»Bist du nicht, Francis«, erwiderte er. »Ihr beide erfüllt bloß eure Pflicht. Keiner von euch hat sich das ausgesucht.«
»Glaube mir, wenn ich sage, dass ich die Verlobung sofort mit ihr auflösen würde, wenn ich könnte. Nur damit du glücklich sein kannst.«
»Danke. Ich habe mit Adelaide viel über dich geredet, versucht, deine idiotischen Taten und Worte zu entschuldigen. Sie verstand nie, warum ich dich in Schutz nehme«, lachte er leicht. »Aber du bist mein Bruder. Wenn es darauf ankommt bist du da.« Ich lächelte ihn traurig an.
»Ich war nicht gerade ein Gentleman in ihrer Gegenwart, oder?«
»Du hast sie verletzt, Francis. Am Abend des Festes, als du mit ihr geredet hast. Du hast sie so stark am Arm ergriffen, dass sie blaue Flecke davon bekam. Das konnte ich nicht entschuldigen.« Ich sah ihn mit aufgerissenen Augen an.
»Was? Ich habe doch nicht so fest zugegriffen... Oder? Zumindest wollte ich das nicht!« Ich ging mir durch die Haare. »Charles, du weißt, dass ich ein eifersüchtiger Mann bin. Auch wenn ich keine Gefühle für Adelaide habe, stört es mich, sie mit dir zu sehen. Ich kann es einfach nicht erklären.«
»Vielleicht magst du sie mehr, als du zugibst?« Ich schüttelte den Kopf. Das konnte doch nicht sein. Schließlich hatte ich kaum Zeit mit ihr verbracht. Nun zugegeben sie war wirklich wunderschön, aber darauf kam es doch nicht an. Das einzige Mal, dass ich etwas über sie erfuhr, war bei dem Essen mit ihr und meiner Mutter. Sie schien durchaus eine interessante junge Frau zu sein, aber dennoch.
»Du weißt, wie ich über die Ehe denke«, meinte ich.
»Sie will es doch auch nicht, Francis. Aber du erschwerst ihr und auch dir selbst das Leben mit deinem Verhalten. Was wäre, wenn du dir die Mühe machen würdest, sie kennenzulernen, anstatt sie zu ignorieren. Ich verspreche, dass sie nicht so übel ist. Und dass es ihr auch lieber wäre, wenn ihr euch verstehen würdet.«
»Charles, ich bin nicht die Person für eine Beziehung, geschweige denn eine Ehe. Nur eine Frau zu haben passt einfach nicht zu mir«, erwiderte ich seufzend.
»Hat es aber mal. Und das war eine schönere Zeit für unsere Familie. Mutter schämt sich regelrecht für dein Verhalten.«
»Glaubst du das weiß ich nicht?!«, sagte ich, lauter als beabsichtigt. »Ich habe geliebt, Charles. Eine Frau. Und was hat es mir gebracht? Nichts als Schmerz und Trauer. Das brauche ich nicht wieder!«
»Ich sage doch nicht, dass du sie lieben sollst. Mir ist klar, dass das keine Option für dich ist. Aber du könntest nett zu ihr sein, sie kennenlernen, als deine zukünftige Ehefrau akzeptieren und nicht wegstoßen. Bedenke, dass sie genauso wenig etwas für diese arrangierte Ehe kann, wie du. Sie will es auch genauso wenig, hat sich aber damit abgefunden. Das könntest du auch tun«, sagte er ernst. Es fiel mir beinahe schwer zuzugeben, dass mein jüngerer Bruder recht hatte. Er erteilte mir förmlich eine Lektion.
»Vielleicht hast du ja recht. Ich denke sie ist eigentlich gar nicht so übel. Ich habe ihr bei dem Dinner zu gehört. Sie scheint ganz interessant.«
»Eigentlich ist ein Wort, das man eigentlich weglassen könnte«, grinste Charles. Ich lachte auf und zog eine Augenbraue hoch.
»Wirklich? Ist das einer der Sprüche, mit dem du die Prinzessin für dich gewonnen hast?« Er stimmte in mein Lachen ein.
»Tatsächlich habe ich das zu ihr gesagt!« Es brauchte eine Weile, bis unser Lachen abebbte. »Was hast du heute gemacht?«, fragte er dann. Ich nahm an, dass das Thema ‚Adelaide' abgehackt war.
»Ich war reiten«, antwortete ich.
»Wirklich?«, fragte er und ein Grinsen formte sich auf seinen Lippen. »Wen denn?« Ich schüttelte – mein eigenes Grinsen unterdrückend – meinen Kopf.
»Gut, den einen schenk ich dir«, meinte ich und knuffte ihn in die Seite. Er lachte und versuchte meine Hand abzuwehren.
»Francis?« Er war wieder ernster.
»Ja?«
»Was wäre, wenn ich Adelaide nicht nur sehr gut leiden könnte? Wenn ich in sie verliebt wäre?«
»Dann bist du immer noch mein Bruder«, sagte ich und legte eine Hand auf sein Bein. Er legte seine Hand auf meine und sah mich an.
»Danke, Bruder.« Ich nickte bloß. Was hatte er denn erwartet? Er würde immer mein Bruder bleiben, egal was passierte.
Schweigend saßen wir da. Es waren keine Worte mehr nötig. Ich wusste, dass er einfach etwas Gesellschaft in diesem Moment brauchte. Genauso, wie ich. An die Vergangenheit zu denken, war nicht gerade angenehm gewesen. Aber mein Bruder war hier, also ging es mir gut.
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Der unbekannte Prinz
Historical FictionEigentlich hätte ich mich nicht beschweren können. Ich war verlobt und in Frankreich in einem großen, wunderschönen Schloss, in dem ich einmal Königin sein würde. Und dennoch wog mein Herz schwer in meiner Brust. Ich wusste, dass es meine Pflicht wa...