Kapitel 10

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Kapitel 10: Mittsommerfest

Adelaide POV

In den schönsten und sommerlichsten Kleidern, die wir finden konnten, waren Tabea, Anne und ich auf dem Weg zum Mittsommerfest. Tabea und ich trugen zwei sehr ähnliche Kleider in verschiedenen Farben. Sie trug ein türkises Kleid, ich eins in altrosa. Die Röcke waren mit viel Tüll übersäht und weit ausfallend. Beide Kleider hatten lockere Ärmel aus Tüll. Die Oberteile und Ärmel waren mit farblich passenden Stoffblumen verziert. Tabea trug ihre übliche silberne Kette und sonst keinen Schmuck, da das Haar schon auffällig genug war. Auch ich trug sehr wenig Schmuck: Lediglich den Ring meiner Mutter und eine goldene Tiara. Anne trug ein Kleid mit einem orange-gelben Farbverlauf. Sie hatte es vorgezogen sich ihr Kleid alleine auszusuchen. Mir war aufgefallen, dass sie sich immer mehr von uns zurückzog. Als ich sie gerade fragen wollte, ob alles in Ordnung war, kamen wir in den Korridor, der zu der Wiese führte auf dem das Fest gefeiert wurde. Nur wenige Schritte entfernt sah ich Charles. Er erblickte mich ebenfalls. Kurz musterte er mich, bevor er traurig lächelte, was ich bloß erwidern konnte. Ohne etwas zu sagen ging ich mit meinen Hofdamen an ihm vorbei. Es tat weh solch einen Abstand mit ihm zu wahren. Nicht nur, weil sich zwischen uns eine Romanze angebahnt hatte, sondern auch, weil ich ihn schon jetzt als guten Freund betrachtete.
Tabea, Anne und ich traten hinaus und überblickten kurz das Geschehen. Es war wirklich wunderschön! Überall waren Kerzen und Girlanden und bunte Banner. Auch die französische Flagge wehte hier und da im sanften Sommerwind. Musikanten spielten fröhliche Musik, zu der getanzt wurde. Das Fest war um einen großen Brunnen aufgebaut worden, sodass die Wasserfontänen das Zentrum bildeten. Im Wasser schwammen bunte Blütenblätter und ich sah, dass junge Frauen und Mädchen diese hineinwarfen. Es sah aus, als wünschten sie sich etwas.
Langsam, um alles zu sehen, gingen wir um den Brunnen und durch die Menschen. Alle schienen so glücklich und erfreuten sich prächtig an dem Fest. Von überall her hörte man verschiedene Stimmen reden und lachen. Bei unserem Rundgang begegneten wir dem König.
»Wie schön, dass Ihr hier seid«, sprach er lächelnd.
»Ein solches Fest würde ich mir doch nicht entgehen lassen!«, erwiderte ich. »ich wünsche Euch, im Namen des schottischen Königshauses, alles Gute zu Eurem Geburtstag.« Er nickte dankend.
»Ich hoffe, Ihr erfreut Euch an dem Fest«, sagte er und war schon wieder verschwunden. Der Nächste, der auf uns zukam, war Francis. Ihm folgte ein Bediensteter mit einem Tablett, auf dem drei Silberkelche standen. Wie schon am Vortag verbeugte Francis sich leicht vor uns. Während er dies tat, ergriff er eine meiner Hände und küsste sie sanft. Die Berührung seiner Lippen und meiner Haut war wie eine kleine Sensation. Mein Herz schlug schneller und die Stelle, die er geküsst hatte, kribbelte leicht. Mit einem Lächeln richtete er sich wieder auf.
»Wein für die Damen?«, fragte er und uns wurde das Tablett hingehalten. Wir drei nahmen uns die Kelche dankend. Während wir tranken, sahen wir zu, wie auf der Wiese passend zur Musik getanzt wurde. Ich bemerkte zwei Männer, die immer wieder in unsere Richtung blickten und fragte Francis wer diese waren.
»Das sind Lord Dumont und Lord Rousseau«, antwortete er. »Der größere der Beiden ist Lord Rousseau. Sie sind Berater meines Vaters und gehören zum Adel.« ich nickte verstehend. Schon nach kurzer Zeit kamen sie zu uns und baten Tabea und Anne mit ihnen zu tanzen. Natürlich sagten sie zu und so tanzte Tabea mit Lord Dumont und Anne mit Lord Rousseau. Lächelnd sah ich ihnen nach, als mir Francis plötzlich den Kelch aus der Hand nahm und aus Seite stellte. Er ergriff meine freie Hand und sah mir in die Augen.
»Dürfte ich um diesen Tanz bitten?«, fragte er und versuchte sein Lächeln zu unterdrücken.
»Nun, ich habe dir einen Tanz versprochen, oder? Das sollte ich einhalten«, erwiderte ich frech. Hand in Hand traten wir auf die Wiese. Immer noch seine Hand haltend knickste ich, nachdem er sich vor mir verbeugt hatte. Wir drehten unsere Hände so, dass die Handflächen in der Luft aneinandergedrückt waren. Im Takt der Musik drehten wir uns um uns selbst. Dabei blickten wir uns lächelnd in die Augen. Francis blieb stehen und ich ebenso. Dann drehte er mich unter unsere Arme.
»Du siehst sehr hübsch aus, Adelaide«, sagte er, als ich ihm wieder gerade gegenüberstand.
»Vielen Dank, Francis. Du siehst auch sehr gut aus«, gab ich zurück. Er trug eine schwarze Jacke mit goldenen Verzierungen, die ihm bis zur Mitte des Oberschenkels ging. Sie war an seiner Brust zugeknöpft und hing von seiner Hüfte an offen. Seine Hose war ebenfalls schwarz, ebenso seine Lederstiefel. Das Gold der Jacke passte wunderbar zu seinen Haaren. Wieder drehte er mich um mich selbst und ich konnte mir ein Lachen nicht verkneifen. Es machte unglaublichen Spaß mit ihm zu tanzen. Vielleicht lag es daran, dass er ein außerordentlich guter Tänzer war und mich souverän führte oder daran, dass ich mir nie vorgestellt hatte, mich gut mit ihm zu verstehen. Es war mir ehrlich gesagt egal warum – Ich genoss es einfach.
Wir tanzten mehrere Lieder miteinander und er wirbelte mich immer wieder herum. Es machte Spaß, doch nach dem dritten Lied brauchte ich eine Pause.
»Schon erschöpft?«, fragte er lachend. Ich schüttelte den Kopf.
»Wenn du mich weiterhin so herumwirbelst, muss ich noch erbrechen«, erwiderte ich. Ich hielt mich an seinem Oberarm fest.
»Ist dir schwindelig?«, fragte er und klang dabei etwas besorgt.
»Ja, ein wenig.« Er führte mich zum Brunnen und wir setzten uns an dessen Rand. Ich bedankte mich, als er mir ein Glas Wein reichte. Ich stützte es auf meinem Oberschenkel ab.
»Tut mir leid, ich hätte dich weniger drehen sollen«, sagte Francis und strich mir sanft über den Rücken.
»Es geht schon wieder, Francis. Mir hat das wirklich sehr viel Spaß gemacht.« Ich lächelte ihn aufmunternd an.
»Das freut mich, denn mir hat es ebenfalls Spaß gemacht«, erwiderte er und lächelte. »Warst du zuvor schonmal in Frankreich?« Ich nickte.
»Ja, vor ungefähr eineinhalb Jahren. Ich habe meinen Bruder hierher begleitet. Ich erinnere mich aber nicht mehr, warum wir hier waren«, erzählte ich. Er sah so aus, als würde er nachdenken.
»Vor eineinhalb Jahren? Warum bist du mir damals nicht aufgefallen?« Ich lachte kurz auf.
»Du hast mich gesehen! Du hast mich quer durch den Festsaal kurz angeblickt und gemustert. Dann hast du dich aber lieber wieder mit den Frauen, die sich um dich herum gescharrt haben, beschäftigt. Ich schien dich nicht sonderlich zu interessieren.«
»Glaube mir, Adelaide – An dich würde ich mich erinnern!«, beharrte er. Ich schüttelte den Kopf.
»Oh nein! Ich hatte kürzeres Haar, nicht so schöne Kleider und mein Gesicht war von Pusteln übersäht. Niemand hat mich beachtet«, meinte ich. Ich nahm einen Schluck von meinem Wein.
»Dafür kann heute kein Mann die Augen von dir nehmen«, gab er zurück.
»Wie bitte?«
»Sieh dich doch um. Ich zähle mindestens sieben Männer, die immer wieder herschauen und das sicherlich nicht wegen mir!« Ich sah ihn ungläubig an.
»Du musst dich irren!«
»Oh nein! Du bist mit Abstand die schönste Frau hier, Adelaide. Ich bin eindeutig nicht der Einzige, der das denkt.« Geschmeichelt und etwas peinlich berührt blickte ich in mein Glas. Francis legte mir einen Finger unter mein Kinn und hob somit meinen Blick auf sich. »Siehst du das etwa anders?« Seine Stimme war sanft. Ich atmete tief durch.
»Ich weiß, dass ich nicht hässlich bin, aber ich würde nicht sagen, dass ich die Schönste hier bin«, murmelte ich unsicher.
»Bist du aber. Ich habe das Gefühl, dass die Männer hier nur darauf warten, dass ich einen Fehler mache und du mich stehen lässt, damit sie eine Chance bekommen.« Diesmal war er es, der mich aufmunternd anlächelte. Ich konnte nicht anders, als es zu erwidern.
»Danke, Francis. Das ist sehr nett von dir.«
»Es ist die Wahrheit. Komm – Lass uns tanzen!« Wieder nahm er mir mein Glas aus der Hand und stellte es ab.
Wir tanzten noch viele Male an diesem Abend und ich bemerkte letztendlich doch, dass mir einige Männeraugen auf Schritt und Tritt folgten. Darunter die Augen von Lord Rousseau, der sich mit Anne unterhielt und auch noch einige Male mit ihr tanzte. Mir fiel ebenfalls auf, dass auch Francis beobachtet wurde. Er jedoch von mehreren Frauen. Tabea schien sich mit Lord Dumont zu amüsieren, auch wenn sie einige Male gelangweilt dreinblickte. Wenn dies der Fall war, schnappte sie sich ein neues Glas mit Wein und setzte wieder ein interessiertes Lächeln auf.
Der Abend war wunderschön und sehr spaßig. Ich konnte für diesen Moment die Geschehnisse der letzten Tage – und auch die einer gewissen Nacht – vergessen und mich mit Francis amüsieren. Ich freute mich so ungeheuerlich, dass er mir sein wahres Ich gezeigt hatte. Außerdem sahen die meisten Frauen, die ihn beobachteten, sehr eifersüchtig auf, was mein Glück mit ihm noch etwas verstärkte. Ich tanzte und redete den ganzen Abend über mit dem Mann, den alle Frauen für sich haben wollten. Und dieser Mann würde mein Ehemann werden. Es war erstaunlich, wie einige Tage meine komplette Meinung über Francis ändern konnten. Schließlich war es nicht sehr lange her gewesen, dass ich mit nicht-wollen an unsere bevorstehende Hochzeit dachte. In diesem Moment aber, kam mir Francis als mein zukünftiger Ehemann nicht mehr schlimm vor. Eigentlich freute ich mich sogar, ihn besser kennenzulernen und mein Leben mit ihm zu verbringen. Er war doch sehr nett, witzig, fürsorglich und liebevoll. Er konnte mit meiner leicht frechen Art umgehen und schien nicht empört, wenn ich ihn etwas stichelte. Noch dazu war er ein hervorragender Tänzer und sah unverschämt gut aus. Ich hatte wohl doch Glück mit ihm als meinen Lebenspartner.

Der unbekannte PrinzWo Geschichten leben. Entdecke jetzt