Kapitel 9: Familie
Adelaide POV
3 Tage später
Tabea und ich kamen gerade von einem Spaziergang auf den Ländereien zurück und waren in mein Gemach, um einen Tee zu trinken. Anne hatte es vorgezogen Briefe zu beantworten, die sie die letzten Tage vergessen hatte. Tabea störte es nicht sonderlich, dass wir beide alleine waren. Und auch ich musste zugeben, dass es schön war, nicht zwischen den Streitereien der beiden zu stecken.
»Sie mal wer da ist«, trällerte Tabea und deutete in einen Seitenkorridor. Ich sah in dieselbe Richtung und erblickte Francis, der auf uns zukam. Wir blieben stehen und warteten, bis er uns erreicht hatte. Lächelnd verbeugte er sich vor uns, was wir beide mit einem Knicks beantworteten.
»Die Damen«, grüßte er uns. »Was bringt euch hierher?«
»Wir waren gerade spazieren«, antwortete ich.
»Und jetzt trinken wir einen Tee in Adelaides Gemach«, fügte Tabea hinzu. Ich nickte bestätigend.
»Ich dachte ihr würdet schon eure Kleider aussuchen.«
»Wofür denn?«
»In zwei Tagen ist das Mittsommerfest. Wusstet ihr das nicht?« Er sah uns verwundert an. Gleichzeitig schüttelten wir den Kopf.
»War das nicht schon im Juni?«, fragte ich.
»Eigentlich wäre es im Juni gewesen, ja, aber mein Vater hat beschlossen, es auf seinen Geburtstag zu verlegen, deswegen ist es in zwei Tagen«, erklärte Francis.
»Dann danke ich dir für diese Information. Wie hätte es denn ausgesehen, wenn wir nicht anwesend wären?« Francis lachte leicht.
»Durchaus nicht sehr gut.Ich hoffe doch, dass du mir einen Tanz freihältst, Adelaide.« Ich nickte, nicht fähig mein Lächeln zu unterdrücken.
»Sehr gerne. Wenn du denn bei all den Frauen Zeit für mich findest«, stichelte ich etwas und zog eine Augenbraue hoch, während ich grinste.
»Ich bin mir sicher, dass sich da etwas machen lässt«, erwiderte er, ebenfalls grinsend. Erneut verbeugte er sich vor uns und ging weiter seines Weges. Lachend gingen auch Tabea und ich weiter.Schon am nächsten Tag waren wir in meinem Ankleidezimmer und suchten nach passenden Kleidern für das Mittsommerfest. Wir suchten nach Kleidern, die den Sommer widerspiegelten.
»Jetzt erzähl es mir doch bitte!«, jammerte Tabea. Seitdem wir Francis am Vortag getroffen hatten und sie bemerkt hatte, wie freundlich wir zueinander waren, hatte sie mich über ihn ausgefragt.
»Was soll ich dir denn erzählen Tabea?«, fragte ich augenverdrehend.
»Was ist zwischen euch passiert, dass ihr einander nicht mehr ignoriert? Ich meine, er war so unglaublich freundlich und du konntest nicht aufhören zu lächeln!« Ich seufzte grinsend.
»Es ist nicht wirklich etwas passiert. Nachdem dieser Mann in der Nacht in mein Gemach kam, bat ich den König um Schutz durch eine Wache. Er lehnte ab, also bat ich Francis etwas zu tun. Er hat mit seinem Vater geredet und jetzt steht eine Wache vor meiner Tür«, erzählte ich.
»Das kann doch nicht alles sein! An einem Tag beendest du das mit Charles und am nächsten grinst du Francis an, als seist du in ihn verliebt!«
»Ich bin nicht in Francis verliebt, Tabea. Als ich bei ihm war, um um Hilfe zu bitten, hat er sich entschuldigt, dass er so unhöflich war und es auch erklärt. Wir haben beschlossen, einander besser kennenzulernen. Wir Beide wollen kein Leben, in dem wir unseren Ehepartner hassen. Wenn wir einander schon nicht lieben können, wollen wir einander zumindest leiden können. Mehr ist da nicht.« Tabea verzog ihren Mund zu einem Schmollen.
»Ich dachte es wäre etwas Interessantes passiert«, beschwerte sie sich.
»Mein Leben ist kein Liebesroman, Tabea.«
»Könnte es aber sein! Ich meine stell es dir einmal vor: Du wirst gezwungen einen Mann zu heiraten, den du nicht leiden kannst, aber dann scheint er gar kein schlechter Kerl zu sein und ihr verliebt euch in einander. Und wenn ihr nicht gestorben seid, dann lebt ihr noch heute!« Ich lachte kopfschüttelnd.
»Ich sage dir, wie es ist: Ich werde gezwungen einen Mann zu heiraten, den ich nicht ausstehen konnte. Der scheint jetzt aber gar kein so schlechter Kerl zu sein und wir können einander leiden. Wir werden heiraten und Kinder bekommen und ganz einfach unsere Pflichten erfüllen. Ende.«
»Du bist furchtbar! Hast du denn gar kein Talent fürs Träumen?«, fragte sie.
»Das Leben ist kein Traum. Das solltest du wissen«, erwiderte ich. Sie seufzte und zog ein Kleid von der Kleiderstange.
»Wie ist das?«, fragte sie und hielt es sich vor den Körper.
»Es ist schön, passt aber nicht zum Sommer«, antwortete ich. Sie hing es wieder weg und suchte weiter. Auch ich ging durch die Kleider, die an der Stange hingen. Keines schien zu passen.
»Ich habe wieder einen Brief von Lucy und Millie bekommen«, sagte sie ganz nebenbei. Ich drehte mich von den Kleidern weg und ihr zu.
»Und?«, fragte ich besorgt.
»Nachdem was sie schreiben, müssen sie Blutergüsse am ganzen Körper haben. Ich hätte niemals fortgehen dürfen! Als ich noch Zuhause war, konnte ich die beiden beschützen und die Prügel für sie auf mich nehmen, aber jetzt...?« Ich seufzte.
»Du kannst nichts dafür, Tabea. Dein Vater hatte dich in ein Kloster gesteckt. Er weiß doch nicht, dass du hier bist, oder?«
»Nein. Aber trotzdem. Ich bin nicht dort.«
»Ich habe eine Idee, wie ich die beiden hierherholen kann«, sagte ich. »Ich weiß aber nicht, ob es funktioniert.«
»Jede Idee ist recht!«
»Ich könnte einen Brief an deinen Vater schreiben, in dem steht, dass wir uns im Kloster kennengelernt haben – was ja auch stimmt – und dass du viel von deinen Schwester erzählt hast und ich sie nun gerne kennenlernen würde. Also werde ich ihn bitten, die beiden herzuschicken«, erklärte ich meine Idee. Ich wusste, dass sie nicht sonderlich gut war, aber immerhin war es etwas.
»Ich weiß nicht ob das klappt. Mein Vater wird sicherlich mitreisen wollen. Und selbst wenn nicht, wird er ihre Rückkehr erwarten.«
»Ich sagte ja, dass ich nicht weiß, ob es funktionieren würde. Wenn du noch etwas Geduld hast, dann können wir warten, bis mein Bruder König ist. Er ist absolut gegen Gewalt an Kindern und Frauen und er würde die beiden sicherlich aus den Fängen eures Vaters holen«, schlug ich vor.
»Aber niemand weiß, wie lange es dauern wird«, klagte Tabea.
»Nun, mein Vater ist krank und laut meinem Bruder sagt der Medicus, dass er nicht mehr lange durchhalten wird. Er fiebert schon seit Tagen und ist bettlägerig«, erzählte ich.
»Ist dein Bruder nicht Regent? Dann würde er ja, rein theoretisch, jetzt schon regieren«, mutmaßte sie. Ich schüttelte den Kopf.
»Leider nicht. Mein Vater ist der Meinung, dass ein Königssohn erst regieren sollte, wenn er selbst zum König gekrönt wurde.« Tabea seufzte schwer. »Ich weiß – Es ist vertrackt.« Ich strich ihr leicht über den Oberarm. »Ich werde einen Weg finden.« Sie blickte mich traurig an.
»Ich hoffe sehr, dass es bald sein wird«, sagte sie und wand sich wieder den Kleidern zu. Es tat mir so leid, dass ich nicht helfen konnte. Zu sagen, dass ich verstand, was sie durchmachte, war gelogen. Natürlich war mein Vater auch gewalttätig, aber niemals hatte er meinem Bruder auch nur ein Haar gekrümmt. Abgesehen davon hatte ich keine jüngeren Geschwister. Mein Bruder war es, der mich immer beschützte und ich wusste, dass es ihm grässlich ging, wenn unser Vater mir wehtat. Louis freute sich sehr, dass ich in Frankreich und weg von unserem Vater war.
Ich musste Tabea und ihren Schwestern einfach helfen, nur wusste ich einfach nicht wie. Es gab nur zwei Möglichkeiten, beide verlangten aber Geduld. Die eine Möglichkeit war es, zu warten, bis mein Bruder König war. Die andere war es, zu warten bis Francis König war. Ich als Prinzessin ohne Macht konnte alleine einfach nichts tun.
Wie konnte man seinen Kindern bloß so etwas antun? Die Familie war das Kostbarste und Wertvollste, was man auf der Welt hatte und dennoch gab es Männer, die dieses Glück wegwarfen, indem sie ihre Töchter und Frauen schlugen und sie unterdrückten. Solche Männer hatten es nicht verdient, eine Familie zu haben. Sie sollten alleine und einsam leben.
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Der unbekannte Prinz
Historical FictionEigentlich hätte ich mich nicht beschweren können. Ich war verlobt und in Frankreich in einem großen, wunderschönen Schloss, in dem ich einmal Königin sein würde. Und dennoch wog mein Herz schwer in meiner Brust. Ich wusste, dass es meine Pflicht wa...