Kapitel 11

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Kapitel 11: Gerüchte

Adelaide POV

Vor mich hin summend bürstete ich meine Haare. Ich war bester Laune an diesem Morgen. Vielleicht lag es an der Sonne, die schon zu früher Stunde durch meine Fenster geschienen hatte. Vielleicht auch an Francis' Versprechen den Tag mit mir zu verbringen. Ich konnte nicht verbergen, dass es mich außerordentlich glücklich machte, dass wir einander doch so gut leiden konnten. Wie anders er doch war. Kaum zu glauben, dass dieser freundliche, charmante, fürsorgliche Mann derselbe war, der mir gesagt hatte, dass er mich nicht wolle und alles gegen unsere bevorstehende Heirat tuen würde. Jedoch wunderte ich mich, woher dieser plötzliche Sinneswandel seinerseits kam. Ich nahm mir fest vor, ihn zu fragen.
An diesem Morgen hatte ich es bevorzugt mich alleine anzuziehen, ohne dabei zu bedenken, dass ich die Knopfe am Rücken nicht alleine schließen konnte. So hatte ich aber die Freiheit gehabt, das Korsett, das ich normalerweise unter meinen Kleidern trug, wegzulassen. Durch meine sture Art weigerte ich mich, nach Emma zu rufen und sie zu bitten das Kleid zu schließen, daher hatte ich beschlossen auf Francis zu warten und ihn darum zu bitten. Der Gedanke, dass er meinen nackten Rücken und den Anfang meines Pos sehen würde störte mich überraschend wenig. Schließlich würde er mich eines Tages ohnehin ohne meine Kleider sehen. Welche Rolle spielte es also noch?
Ich mochte das Kleid, welches ich mir ausgesucht hatte, sehr. Es war schlicht, elegant und sommerlich. Der obere Saum des Kleides lag auf meinen Schlüsselbeinen, da es hochgeschnitten war. Es war beige und aus leichtem Stoff und Tüll gefertigt. Auf dem ganzen Kleid waren hellblaue, weiße, braune und lavendel-farbene Blumenapplikationen, in Form von blühenden Ästen, genäht. Es war obenherum enganliegend, während der Rock etwas weiter war. Jedoch nur ganz leicht. Obwohl es so enganliegend war, hatte ich viel Bewegungsfreiheit, was wohl daran lag, dass ich kein Korsett trug und dass es ein solch leichter Stoff war. Das Kleid hatte zwar keine Ärmel, aber an den Schultern war Tüll befestigt, der über die Arme bis zum Boden fiel.
Das erwartete Klopfen an der Tür unterbrach mein leises Summen. Ich legte die Bürste auf den Tisch und öffnete die Tür. Ein lächelnder Francis in fast schon einfacher Kleidung begrüßte mich. Er trug ein Hemd, eine normale schwarze Jacke, Hose und Stiefel. Ich erwiderte sein Lächeln und bat ihn einzutreten.
»Wie geht es dir? Du hast gestern Abend sehr viel Wein getrunken«, fragte er mich. Ich schloss die Tür und sah ihn amüsiert und empört an.
»Wessen Schuld ist das denn?«, erwiderte ich und verschränkte die Arme vor der Brust. Gespielt entrüstet hielt er sich eine Hand an die Brust.
»Ich etwa? Wie kommst du bitte darauf?«
»Weil du mir immer wieder nachgeschenkt hast, Francis«, lachte ich. »Mir geht es übrigens sehr gut. Ich vertrage einiges an Wein.«
»Ich habe dich allerdings immer vorher gefragt, ob du noch etwas möchtest.« Ich lachte kopfschüttelnd.
»Ich bin mir sicher, dass du das nicht hast«, gab ich zurück.
»Nun, wie dem auch sei. Wollen wir frühstücken gehen? Ich habe den Speisesaal für uns vorbereiten lassen«, erzählte er.
»Würdest du mir zuvor einen Gefallen tun?«, fragte ich. Mein Herz schlug etwas schneller, bei dem Gedanken daran, worum ich ihn bitten würde.
»Natürlich.« Ich trat etwas näher an ihn heran und drehte mich herum.
»Ich kann die Knöpfe nicht schließen«, bemerkte ich und sah ihn über meine Schulter hinweg an. Mit großen Augen blickte er mich an, nickte letztendlich aber. Er legte meine Haare über meine Schulter und blickte meinen Rücken hinab. Als seine Finger beide Seiten des Kleides ergriffen, hielt ich meine Luft an. Während er die Knöpfe schloss, streiften seine Finger meine Haut immer wieder und ich wusste nicht, ob er es mit Absicht oder nicht tat. Seine Berührungen ließen eine Gänsehaut auf meiner Haut entstehen. Als alle Knöpfe geschlossen waren, strich er über meine Arme.
»Fertig«, hauchte er in mein Ohr. Ich holte tief Luft und drehte mich zu ihm.
»Vielen Dank«, sagte ich und blickte ihm in die Augen. Er nickte lächelnd.
»Immer wieder gerne. Wollen wir dann essen gehen?« Diesmal war ich es, die lächelnd nickte. Er hielt mir seinen Arm hin, in dem ich mich liebend gerne einharkte. So gingen wir gemeinsam zu unserem Frühstück.
Wir saßen alleine an einem prächtig gedeckten Tisch im Speisesaal. An einer Wand stand eine Frau, die uns bediente, wenn wir etwas brauchten oder wollten.
»Du kannst mir nicht weiß machen, dass du in deiner Kindheit keine Freunde hattest«, beharrte Francis. Ich lachte.
»Ich sage auch nicht, dass ich keine Freunde hatte. Ich hatte zwei Freunde und meinen Bruder«, wiederholte ich.
»Du hast gesagt, dass du keine richtigen Freunde hattest.« Ich nickte.
»Ja, genau. Nathan war bloß ein Freund meines Bruders und hat mich eben ertragen und Edward war später mein Verlobter. Er sagte mir, dass er nur mit mir befreundet war, weil er mich hübsch fand«, erzählte ich.
»Ich finde das zählt zu richtigen Freunden. Zumindest Edward.« Ich zuckte mit den Schultern.
»Ich war damals auch in ihn verliebt und wollte deshalb so viel mit ihm machen.«
»Also hat bei euch von Anfang an alles zur Heirat hingeführt?«, fragte er.
»Womöglich schon. Ich wusste aber nicht, dass er mich so mochte, wie ich ihn. Er hat mir den Antrag an meinem 16. Geburtstag gemacht. Ich war hin und weg!«
»Das war nicht arrangiert?«
»Nein. Aber es hat lange gedauert, bis mein Vater zustimmte. Unsere inoffizielle Verlobung ist jetzt zwei Jahre her. Nach drei Monaten war es offiziell. Aber ein halbes Jahr nach der ersten Verlobung starb er.« Ich sah etwas betrübt auf meinen Teller. Ich schluckte und sah wieder auf.
»Bei dem Angriff der Engländer.« Ich hörte in Francis Stimme und sah in seinen Augen, dass er Mitleid hatte. Ich nickte. Grauenhafte Bilder überströmten meinen Kopf. Edward in einer Lache aus Blut. Seine Augen leer und ausdruckslos. Eine tiefe Trauer umfasste mich.
Francis musste meinen Stimmungswandel bemerkt haben, denn er schlug vor, das Thema zu wechseln. Ich stimmte breitwillig zu.
»Erzähl mir von dem Boot in dem Turmzimmer«, bat ich ihn. Er lachte kurz auf und leckte sich übe die Lippen.
»Ich habe mir schon vor längerer Zeit selbst beigebracht, wie man Dinge baut. Ich habe angefangen mit kleinen Statuen aus Holz und habe irgendwann angefangen, Möbel zu bauen. Die Stühle, die dort oben stehen, habe ich gebaut. Vor kurzem habe ich dann angefangen das Boot zu bauen«, erzählte er.
»Warum ein Boot?«, fragte ich. Ich stützte mein Kinn auf meiner Hand ab und sah ihn an, während er davon erzählte.
»Ich mag das Meer sehr gerne. Der Gedanke irgendwann mal mit meinem eigenen Boot darüber zu segeln ist für mich sehr reizend.«
»Gibt es noch andere Dinge, die du kannst?«
»Ich denke abgesehen davon, kann ich bloß Dinge, die jeder Prinz und zukünftige König kann«, antwortete er.
»Was für Dinge sind das denn?«
»Schwertkampf, Bogenschießen, verschiedene Sprachen.«
»Als mein Bruder diese Dinge lernte, wollte ich das auch. Mein Vater erlaubte es mir aber nicht. Er meinte, dass kämpfen und schießen nichts für eine Prinzessin seien und dass ich keine Sprachen bräuchte, weil ich ja eigentlich einen Schotten geheiratet hätte«, erzählte ich. Er sah mich nachdenklich an.
»Ich könnte dir einiges beibringen – Wenn du das möchtest.« Ich lächelte ihn freudig an.
»Ja! Das wäre fantastisch, Francis!«
»Gibt es denn nichts, was dir beigebracht wurde?«, fragte er mich.
»Nur Lesen und Schreiben.« Er runzelte die Stirn.
»Das ist durchaus wenig. Ich bringe dir alles bei, was du willst«, bot er mir an.
»Danke, das ist sehr lieb von dir. Es wäre schön, französisch zu sprechen. Schließlich werde ich den Rest meines Lebens hier verbringen.«
»Alors je t'apprendrai«, sagte er grinsend. Ich sah ihn mit offenen Mund an.
»Wie bitte?«, fragte ich verdutzt.
»Ich sagte: Dann bringe ich es dir bei.« Mein verdutzter Ausdruck wandelte sich in einen glücklichen. »Ich verstehe nicht, wie ein Vater sein Kind Bildung verwehren kann.«
»Bei meinem Vater gibt es noch vieles mehr, wo ich nicht verstehe, wie man das tun kann«, seufzte ich. Ich biss mir auf die Unterlippe. Diese Worte waren mir unbewusst rausgerutscht.
»Wie meinst du das?«, fragte er und blickte mich verwundert an.
»Ach vergiss, was ich sagte.« Ich wank mit der Hand ab, als sei es unwichtig.
»Du kannst mir alles erzählen.« Er sah mich fürsorglich an und ergriff meine Hand. Ich atmete tief durch und schloss meine Augen.
»Nun gut. Mein Vater veränderte sich, nachdem meine Mutter starb. Er war andauernd wütend und ließ es an allen um sich herum aus. Dazu gehörte auch ich. Wenn ich etwas in seinen Augen falsch machte, dann... bestrafte er mich.« Meine Stimme wurde immer leiser und Francis musste sich zu mir lehnen, um mich zu verstehen.
»Wie?«, fragte er und klang dabei angespannt.
»Schläge.« Tränen füllten meine Augen. Sie liefen über meine Wangen, als ich meine Augen öffnete und Francis ansah. Er wischte die Tränen sanft weg.
»Aber jetzt bist du hier«, hauchte er. »Ich verspreche, dass dir so etwas nie wieder passieren wird. Du bist hier sicher. Ich beschütze dich.« Er sprach so liebevoll und aufrichtig, dass ich ihm nur glauben konnte.
»Das bedeutet mir viel, Francis.« Wir sahen uns schweigend an. Ich spürte, dass er sein Versprechen einhalten würde. Bei ihm war ich sicher.
Nach dem Frühstück hatten wir beschlossen, in der frühen Mittagssonne spazieren zu gehen. Francis sagte, ihm sei aufgefallen, dass ich mit meinen Hofdamen häufig spazieren ging und er wollte gerne Dinge mit mir tun, die mir gefielen. Nach einer Weile setzten wir uns an das Ufer des Teiches. Vom nahen sah er sogar noch schöner aus, als von dem Balkon aus. Auf dem Wasser blühten Wasserrosen und andere Wasserpflanzen, die am Boden des Teiches wuchsen und bis an die Oberfläche wucherten. Am anderen Ufer grenzte der Wald an. Es war einfach wunderschön und unglaublich friedlich.
»Es gibt hier am Hofe schon Gerüchte über dich«, erwähnte Francis. Ich zog meine Augenbrauen hoch und blickte ihn neugierig an.
»Was wird denn über mich erzählt?«, fragte ich.
»Dass du mit meinem Bruder anbändelst und dass du in Schottland dafür bekannt seist mit verschiedenen Männern anzubändeln.« Ich lachte leicht.
»Und glaubst du, dass es die Wahrheit ist?«, fragte ich weiter.
»Ich weiß, dass das mit meinem Bruder stimmte, aber auch dass es Vergangenheit ist. Und das andere? Nein, nicht wirklich. Du wirkst viel zu unschuldig dafür«, meinte er. Ich grinste ihn an.
»Anders als du, huh?« Mir viel auf, dass ich immer lockerer und entspannter und dahingehend frecher in Francis' Gegenwart wurde. Es schien ihn aber nicht sonderlich zu stören, sondern er stieg darauf ein.
»Ja, ganz genau«, schmunzelte er.
»Tut mir leid, aber du liegst falsch«, meinte ich schulterzuckend und blickte über den See.
»Was?« Er klang gerade zu empört.
»Deswegen musste ich ins Kloster. Nach Edwards Tod gab es eine unglaubliche Leere in mir. Ich dachte ich könne sie füllen, indem ich auf Festen viel trank und mir die Aufmerksamkeit von verschiedensten Männern sicherte. Ich habe aber nicht wirklich mit ihnen angebändelt – Es waren bloß Küsse«, erzählte ich. Als ich fertig war, blickte ich ihn wieder an. Er sah überrascht und auch verdutzt aus.
»Ich muss zugeben, dass ich das nicht gedacht hätte. Du wirkst so lieb und unschuldig«, sagte er und lächelte etwas.
»ich bin unschuldig. Zumindest unschuldiger als du«, triezte ich.
»Weißt du, du bist ganz schön frech, dafür dass solche Dinge über dich erzählt werden!«
»Ach bitte! Es gibt Gerüchte über alle Royals. Weißt du was sie über dich sagen?«, fragte ich und legte den Kopf schief.
»Was denn?«
»Dass du charmant und gut aussehend bist und dir das zu Nutzen machst, um unschuldige Frauen zu verderben. Du sollst herzlos sein und nur am weiblichen Körper Interesse finden.« Ich zog eine Augenbraue hoch, während er lachte.
»Und glaubst du, dass es die Wahrheit ist?«, wiederholte er meine Frage.
»Ein wenig. Du bist charmant und gutaussehend und du weißt das ganz genau. Du machst dir das eindeutig auch zu Nutzen. Aber du findest auch andere Interessen, als den weiblichen Körper, wie ich heute erfahren habe.« Ich grinste ihn frech an.
»Ich dachte immer du wärst ein süßes, unschuldiges Mädchen. Doch es stellt sich heraus, dass du eine äußerst freche Frau bist!«, beschwerte er sich.
»Ist das denn so schlimm?«
»Nein.« Er strich eine Haarsträhne aus meinem Gesicht. »Mir gefällt das.« Wir grinsten uns gegenseitig an. Ich wusste, dass ich mit Francis noch viel Spaß haben würde und freute mich sehr darauf.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Apr 28, 2019 ⏰

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