Kapitel 5: Der wahre Francis?
Adelaide POV
Ich spazierte mit Tabea und Anne über die Ländereien. Ich hatte ihnen von meiner Konfrontation mit Francis erzählt und was Charles über ihn gesagt hatte. Auch die blauen Flecken, die ich von Francis hatte, hatte ich ihnen gezeigt.
»Genug von diesem Schwachkopf! Erzähl uns von Charles«, grinste Tabea anzüglich und harkte sich bei mir ein. Ich lachte leicht.
»Charles ist unglaublich nett und fürsorglich. Er bringt mich zum Lachen und schafft es mich aufzuheitern, wenn es mir schlecht geht. Er erinnert mich an jemanden, aber ich weiß einfach nicht an wen«, sagte ich nachdenklich.
»Vielleicht Edward«, sagte Tabea langsam und sah mich vorsichtig an.
»Das dachte ich zu Beginn auch. Aber Edward war doch anders. Er war nett und fürsorglich, aber ein Teil von ihm wollte über mich bestimmen. Bei Charles ist es eher so, dass er mich meine eigenen Entscheidungen treffen lässt. Als Francis gestern Abend mit mir reden wollte, ist Charles nicht einfach gegangen, sondern sah mich an, als wolle er mich fragen, ob es in Ordnung ist«, erzählte ich.
»Charles scheint zwar sehr nett zu sein, aber Francis ist dein Verlobter«, sagte nun Anne.
»Ich weiß. Ich weiß auch, dass es dumm ist mich auf Charles so sehr einzulassen, aber ich fühle mich wohl bei ihm. Bei Francis jedoch nicht.« Betrübt sah ich auf den Boden. Ich kam nicht umhin mir die Frage zu stellen, warum ich nicht Charles heiraten konnte. So hätte ich ein besseres, glücklicheres Leben. Aber ich wusste, dass mein Vater seine Gründe hatte, mich mit Francis zu verloben. Schließlich war er der Thronfolger. Charles jedoch „bloß" ein Prinz.
»Francis behandelt sie wie einen Menschen zweiter Wahl!«, warf Tabea ein.
»Er wird ihr Ehemann und König sein – Er steht nun mal über ihr«, erwiderte Anne.
»Also wenn du einen Mann an deiner Seite hättest, der dich ignoriert, herumkommandiert und verletzt, würdest du ihm trotzdem treu bleiben, dienen und lieben?«
»Ja, allerdings!«
»Dann musst du dich selbst hassen!«
»Nein, natürlich nicht. Ich bin eine Lady und verhalte mich auch so. Wenn ich einmal heiraten werde, werde ich meine Pflichten als Ehefrau erfühlen, egal was passiert oder wie sich mein Ehemann verhält. Adelaide, wenn du dich ihm gegenüber richtig verhältst, wird sich sein Verhalten sicherlich auch ändern«, meinte Anne. Ich runzelte meine Stirn und betrachtete die Beiden, die sich jetzt wütend gegenüberstanden. Tabea schnaufte abfällig.
»Adelaide, es wäre geradezu töricht ihm zu geben, was er dir nicht gibt. Es ist besser es weiterhin so zu handeln, wie du es im Moment tust. Wenn du ihn gut behandelst, während er dich wie Dreck behandelt, würdest du sein Verhalten noch unterstützen«, gab sie zurück. »Du bist eine starke und selbstständige Frau und das muss er akzeptieren.«
»Würdet ihr jetzt bitte aufhören?«, sagte ich laut und wütend. »Müsst ihr euch denn ständig streiten?! Ich tue, was ich für richtig halte! Und jetzt wechseln wir das Thema.« Beiden sahen mich beschämt und entschuldigend an.
»Ich habe einen Brief von meinen Schwestern erhalten«, sagte Tabea und ich erkannte die Trauer in ihrer Stimme. »Sie schreiben, dass es schlimmer geworden ist, seitdem ich hier in Frankreich bin.« Ich legte eine Hand auf ihre Schulter und drückte sanft.
»Das tut mir so leid, Tabea. Ich werde alles versuchen, um sie ebenfalls hierher zu holen. Versprochen.« Ich war froh, dass Anne nun schwieg.
»Ich weiß, Adelaide. Ich vertraue dir und darauf, dass du dein Versprechen einhältst.« Ich nickte ihr aufmunternd zu. Obwohl ich keine Ahnung hatte, wie ich es anstellen würde, wusste ich, dass ich Lucy und Millie aus dem Haus ihres Vaters befreien würde. Lord Derik sollte es verboten sein Kinder zu haben, so wie er seine Töchter behandelte.
Wir machten uns wieder auf den Weg zum Palast, um zu Mittag zu essen. Im Korridor kam uns der König mit seinen Beratern entgegen.
»Adelaide! Welch eine Freude Euch zu sehen«, sagte er, als er mich erblickte. Tabea, Anne und ich knicksten vor ihm.
»Es freut mich auch, Eure Hoheit«, erwiderte ich.
»Wir haben uns kaum gesehen, seid Ihr hier seid.«
»Ihr seid ein vielbeschäftigter Mann«, sagte ich lächelnd.
»Ich wünschte ich hätte mehr Zeit für Euch, aber ich muss den Besuch des spanischen Königs und seiner Berater vorbereiten«, erzählte er.
»Oh, kommt er bald hier her?«
»Ja, in einigen Wochen bereits. Ich muss jetzt weiter. Mit Freude blicke ich auf unser nächstes Treffen.« Er verabschiedete sich und gefolgt von seinen Beratern verschwand er um die nächste Ecke. Selbst der Vater meines Verlobten war freundlicher zu mir, als mein Verlobter selbst. Mir fiel jedoch auf, dass er sprach, wie andere sich in einem Brief ausdrückten. Und dennoch war mir seine Art lieber als Francis'. Wie konnte es nur sein, dass er in einer so unglaublich lieben und netten Familie aufgewachsen war und selbst so sehr ins Gegenteil gegangen war. Wenn ich aber Charles Glauben schenken konnte, dann war Francis nicht so übel. Ich glaubte aber kaum, dass er mir diese Seite von sich jemals zeigen würde. Ich wusste auch nicht, wie ich diese Seite aus ihm herausholen konnte. Ich wollte nicht den Rest meines Lebens mit einem geradezu rüpelhaften Mann verbringen.
»Denkt ihr Charles hat Recht? Dass Francis vom Grunde her gut ist und sich bloß vor mir verschließt?«, fragte ich nachdenklich.
»Nun, er ist sein Bruder, also muss er es wohl wissen«, meinte Tabea. »Warum?«
»Ich überlege gerade, ob es irgendwas gibt, was ich tun kann, damit er mir sein ‚wahres Ich' zeigt.«
»Also willst du dich jetzt doch auf ihn einlassen?«
»Nicht direkt. Ich will bloß wissen, ob hinter dieser arroganten, unhöflichen Fassade noch etwas Besseres steckt – oder eher Jemand besseres. Jemand mit dem ich mir zumindest im Entferntesten vorstellen kann mein Leben zu verbringen.«
Den Rest des Tages verbrachten wir damit zu überlegen, ob Francis sich tatsächlich bloß verstellte oder wirklich so ein Ekel war. Anne warf hier und da was ein, jedoch nichts Konkretes. Wir überlegten auch, wie ich es schaffen konnte, dass Francis nicht so grob zu mir war, kamen jedoch zu keinem klaren Schluss. Das Fazit war wohl, dass ich ihm Zeit lassen musste, um sich öffnen zu können – Wenn er sich denn wirklich verschloss.
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Der unbekannte Prinz
Historical FictionEigentlich hätte ich mich nicht beschweren können. Ich war verlobt und in Frankreich in einem großen, wunderschönen Schloss, in dem ich einmal Königin sein würde. Und dennoch wog mein Herz schwer in meiner Brust. Ich wusste, dass es meine Pflicht wa...