5. Kapitel

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In den Augen des Anführers vom Strandclan glänzte Mordlust. Der braune Kater war kurz davor, Donnerpfote die Kehle aufzuschlitzen, das wusste Tigerblüte. Mit einem überraschten Schrei fiel ihr Bruder zu Boden, als Otterstern sich auf ihn warf. Ihre Befürchtungen bestätigten sich, als sie den Kater: "Ich bringe dich um!" schreien hörte.

Also musste sie hilflos zusehen, wie der muskulöse Anführer den schmächtigen Heilerschüler am Felsboden festnagelte und ihm mit einigen Hieben das Fell zerfetzte. Ihre Pfoten juckten, denn sie wollte nicht einfach tatenlos zusehen, wie Donnerpfote ermordet wurde. Aber was konnte schon eine junge Kriegerin wie sie gegen einen so geübten Kämpfer wie Otterstern ausrichten? Hier gab es nicht einmal ein Tröpfchen Wasser, also war sogar ihre Gabe nutzlos.

Hilfe suchend fing Tigerblüte Streifenflugs Blick auf, der das Spektakel mit entsetzt aufgerissenen Augen verfolgte. Sie sah ihn flehentlich an und er schien zu verstehen. Wenn es jemand mit dem braunen Kater aufnehmen konnte, dann war es ein erfahrener Krieger wie Streifenflug.

Gerade, als Otterstern ausholte und Donnerpfote den Todesschlag versetzen wollte, warf sich der getigerte Kater dazwischen und parierte den Schlag geschickt mit seiner Vorderpfote. "Was soll das?", fauchte der Anführer ungläubig, doch Streifenflug blieb gelassen.

"Das Selbe könnte ich dich fragen!", bemerkte Tigerblüte's Vater trocken. "Du kannst doch nicht einfach ein Clanmitglied töten! Und das auch noch vor den Jungen! Wie kannst du den Kleinen nur so etwas zumuten?" Streifenflug deutete mit dem Schweif auf die Kinderstube, an deren Eingang Wellenjunges, Weißjunges und Steinjunges standen und verstört dreinsahen.

"Donnerpfote konnte nichts dafür, dass Kampfpfote es nicht geschafft hat", erklärte der Getigerte langsam, damit auch jedes Wort an Otterstern's Gehirn gelangen konnte. "Katzen sterben. So ist das nun mal!" Der Anführer sah auf. Ein breites Grinsen machte sich auf seinem Gesicht breit, das nichts Gutes verheißen konnte. "Du hast Recht", gluckste der braune Kater, ein wildes Funkeln in seinen Augen. "Katzen sterben. Und Donnerpfote wird es auch tun, dafür, dass er meinen Sohn umgebracht hat!"

Noch bevor Streifenflug entwas erwidern konnte, erhob sich Otterstern zu seiner vollen Größe und jaulte feierlich: "Bringt ihn zur Klippe!" Tigerblüte war sprachlos vor Entsetzen. Nein! Nein, das kann er doch nicht tun! Nein! Doch sofort waren Schlangenauge und Hagelstreif zur Stelle, die den Heilerschüler packten und auf die Pfoten zerrten.

Die getigerte Kätzin sah die nackte Angst in Donnerpfote's Augen, als er ihr einen Blick zuwarf. "Nein!", enfuhr es Tigerblüte, ihre eigene Angst verlieh ihr neue Kräfte. Mit einem provozierenden Fauchen warf sie sich auf Schlangenauge und zerrte ihn von Donnerpfote herunter. "Nimm deine schmutzigen Pfoten von ihm weg, du Haiherz!" Ein gezielter Schlag in Hagelstreif's Gesicht genügte und der weiße Kater stolperte ebenfalls zurück.

Wie ein tollwütiger Fuchs, der sein Junges beschützt, schlich die Kriegerin um ihren Bruder herum und schlug knurrend nach den Katzen, die sich näherten. Doch obwohl sich ein paar Katzen wie Streifenflug und Lachspfote heraushielten, musste Tigerblüte bald feststellen, dass sie gegen den restlichen Clan, alles Otterstern's treue Untertanen, nichts ausrichten konnte. Wo sie den Einen von sich stieß, nahm der Nächste dessen Platz ein und versuchte, die Kätzin außer Gefecht zu setzen.

Irgendwann stürzte sich eine schildpattfarbene Kätzin namens Schildkrötenmaul von hinten auf sie und Tigerblüte's Beine versargten ihren Dienst. Gnadenlos wurde sie nun von allen Seiten festgehalten und konnte sich trotz größter Anstrengungen keine Mäuselänge mehr bewegen, da auf ihrem ganzen Körper Katzen saßen. Unter anderen Umständen hätte es Tigerblüte vielleicht sogar lustig gefunden, dass es mehr als fünf Krieger brauchte, um sie unter Kontrolle zu bringen.

Otterstern kam mit einem breiten Grinsen näher. Sogar vom anderen Ende des Strandes hätte sie die Schadenfreude aus seinem Blick herauslesen können. Der braune Kater beugte sich herablassend zu ihr hinunter. "Na na na, wir wollen doch wohl nicht aggressiv werden, oder?". höhnte er. Wenn sie sich hätte bewegen können, hätte sie ihm längst das arrogante Lächeln vom Gesicht gekratzt. Nun konnte sie jedoch nur bedrohlich die Zähne zeigen. Der Anführer schien es als Bestätigung aufzufassen, denn er lachte nur in sich hinein.

"Leider brauche ich dich noch als eine meiner Kriegerinnen, also würde ich dich nur ungern mit deinem Bruder über die Klippe schmeißen", erklärte er und setzte eine gespielt bedauernde Miene auf. "Also hoffe ich einfach, dass du wieder zur Vernunft kommst, bis wir wieder da sind" Kurz sah er sich suchend im Lager um. "Seerosenherz!", befahl er dann barsch. "Halt sie fest und sorg dafür, dass sie uns nicht folgen kann" Die rote Kätzin nickte gehorsam, nahm Schildkrötenmaul's Platz ein und hielt die getigerte Kriegerin fest.

Ohne die am Boden liegende Tigerblüte weiter zu beachten, winkte er Kieselsturm, Fischfang, Algennase und Schildkrötenmaul zu sich. "Ihr begleitet mich und Donnerpfote auf unserem spaßigen Abenteuer", schnurrte er mit einem bösen Funkeln in den Augen. Schildkrötenmaul war die Einzige, die seine Bemerkung lustig fand.

Algennase und Kieselsturm packten den Heilerschüler und schleiften ihn aus dem Lager. Der rot getigerte Kater war zu schockiert, als dass er sich hätte bewegen können. Wozu auch? Wiederstand wäre zwecklos. Ein Schüler, der noch nicht mal kämpfen konnte, hätte gegen fünf erwachsene Krieger ohnehin keine Chance.

Tigerblüte's Herz schmerzte so sehr, als hätte es jemand mit seinen Krallen zerfetzt, während sie hilflos zusehen musste, wie ihr Bruder fort gebracht wurde. Seerosenherz, die sie noch immer festhielt, murmelte entschuldigend: "Es tut mir leid. Ich hätte deinem Bruder gerne geholfen" Tigerblüte wusste, dass es die rote Kätzin nicht böse mit ihr meinte, denn auch sie würde ihr Leben riskieren, wenn sie sich Otterstern's Befehlen wiedersetzte.

Doch Tigerblüte dachte gar nicht ans Aufgeben. Sie hatte bereits ihre Mutter an Otterstern verloren und würde es auf keinen Fall länger in diesem verfluchten Clan aushalten, wenn Donnerpfote ebenfalls an ihrer Seite fehlte. "Lass mich los", hauchte die getigerte Kätzin leise. "Sag Otterstern, was immer du willst. Sag, ich hätte dich fast umgebracht und um am Leben zu bleiben musstest du mich loslassen. Denk dir etwas aus. Es ist mir egal. Aber bitte lass mich meinen Bruder retten"

Seerosenherz bohrte ihre Krallen nur noch stärker in Tigerblüte's Fell. "Ich werde nicht zulassen, noch eine Freundin zu verlieren" Tigerblüte blinzelte gleichgültig. "Wie wichtig ist dir deine Schülerin Lachspfote?", fragte sie dann. "Würdest du dein Leben geben, um sie zu retten?" Die Kriegerin nickte langsam. Tigerblüte schnaubte. "Und ich würde das Gleiche für meinen Bruder tun. Also tu mir diesen letzten Gefallen und lass mich gehen"

In Seerosenherz' blauen Augen erkannte sie Unentschlossenheit.
Die Kriegerin schien ratlos zu sein. "Wenn ich dich jetzt loslasse", sagte Seerosenherz mit zittriger Stimme. "Wenn du jetzt das Lager verlässt und Donnerpfote hilfst, dann wird das dein Todesurteil sein" Tigerblüte verzog ihr Gesicht zu einer Grimasse. "Das ist es mir wert", entgegnete sie. "Also lass mich los" Und Seerosenherz ließ los.

Warrior Cats ~ Tigerblüte's GabeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt