Warrior Cats ~ Tigerblüte's Gabe

7. Kapitel

Die hilflosen Schreie von Schildkrötenmaul und Kieselsturm erfüllten die Luft, als die beiden Katzen von der Klippe stürzten. Doch sie wurden langsam immer leiser und nach ein paar Herzschlägen verstummten sie. Ich habe zwei meiner eigenen Clangefährten umgebracht, wurde es Tigerblüte bewusst. Was habe ich nur getan?

Auch Otterstern schien ihr die Schuld am Tod seiner beiden engsten Verbündeten zu geben, denn er bleckte knurrend die Zähne. "Du hast Schildkrötenmaul und Kieselsturm ermordet!", brüllte der braune Kater, in seinen Augen brannte ein wildes Feuer. "Du hast sie einfach ermordet! Ich habe immer gewusst, dass ihr Dunkelmagier durch und durch böse seid!"

Tigerblüte zuckte bei seinen Worten zusammen. "Das ist nicht war!", klagte sie leise. "Ich wollte das doch nicht!" Doch der Anführer des Strandclans fuhr als Antwort nur seine Krallen und und schrie: "Ich bring dich um!" Schon schoss er auf sie zu. Die junge Kriegerin sprang von Fischfang herunter, die sie, ohne es zu wissen, die ganze Zeit über festgehalten hatte und wollte davonlaufen, als ihr Donnerpfote wieder einfiel.

Also wartete die Tigerkätzin bis Otterstern nahe genug an sie heran gekommen war und flitzte dann an ihm vorbei. Nach wenigen Schritten hatte sie ihren Bruder erreicht und half ihm hoch. Doch der Anführer des Strandclans wirbelte bereits wieder herum und startete einen neuen Angriff. Fischfang sprang auf und kam ebenfalls näher. Auch Algennase, der die ganze Zeit über nur dumm rumgestanden war, schloss sich den beiden Katzen an. Zu dritt schritten sie auf Tigerblüte und Donnerpfote, die neben dem Bach standen und nicht wussten, wohin mit sich.

"Schaffst du es, zu rennen?", flüsterte die Tigerkätzin Donnerpfote zu. Er nickte kaum merklich, den Blick noch immer auf die drei Feinde gerichtet. "Dann tu das, wenn ich 'jetzt' sage", wisperte Tigerblüte. "Du rennst rechts an ihnen vorbei, ich links" Nun waren Otterstern und seine Anhänger zu nah, als dass sich die beiden Geschwister weiter austuschen konnten. "Na sieh mal einer an" Otterstern ringelte seinen Schweif vor Entzücken. "An einem Tag gleich einen Mörder und eine Dunkelmagierin entlarvt! Was wünscht man sich mehr?" Algennase lachte, Fischfang sah nur auf ihre Pfoten.

"Und jetzt, sag auf nimmer Wiedersehen!" Der braune Kater hob seine Pfote, um Tigerblüte und Donnerpfote in den Bach zu schubsen. Da plötzlich erhob sich das Wasser hinter den beiden Geschwistern. Tigerblüte konzentrierte sich, um es weiter zu heben, es zu formen. Otterstern wusste bereits von ihrer Gabe. Also konnte es ihr relativ egal sein, ob er das aufsteigende Wasser sah oder nicht. Nun nahm das Wasser die Form einer rießigen Kugel an und schwebte langsam über Tigerblüte und Donnerpfote hinweg. Die drei feindlichen Strandclan Krieger starrten es mit schreckesgeweiteten Augen an, unfähig, sich zu bewegen.

"Hey, Otterstern!", rief die Tigerkätzin, als das Wasser genau über den Köpfen der drei Katzen schwebte. Der verwirrte Blick des Anführers fiel auf sie, als sie ihn beim Namen nannte. Tigerblüte lächelte grimmig. "Nimm das" In diesem Moment ließ sie das Wasser los und es klatschte laut auf die Strandclan Krieger nieder. "Jetzt!", befahl Tigerblüte und rannte links an den Gegnern vorbei in Richtung Felspfad. Es war schwierig, auf dem nassen Felsen nicht auszurutschen, denn das Wasser floß in alle Richtungen davon und machte den Boden glatt.

Aus dem Augenwinkel sah sie Donnerpfote, der den Weg nach rechts an den Feinden vorbei eingeschlagen hatte und diese nun umrundete. Die beiden Geschwister trafen sich gerade kurz vor dem Felspfad, als sie ein: "Schnappt sie euch!" hörte. Tigerblüte warf einen Blick zurück, während sie Donnerpfote den Vortritt  gewährte. Otterstern, Algennase und Fischfang hatten sich wieder erhoben schlitterten ungeschickt, aber schnell über den glitschigen Felsen auf sie zu.

Nun beeilte sich auch Tigerblüte, den Pfad so schnell wie möglich hinabzusteigen, doch das war schwieriger als gedacht. Bei jedem Pfotenschritt glaubte die Kätzin, gleich hinabzukugeln. Als die beiden Geschwister endlich sicher unten angekommen waren, sprinteten sie los.

Das Gras, die wenigen Bäume, der Fischteich, alles flog an ihnen vorbei. Nach wenigen Herzschlägen jedoch war Tigerblüte außer Puste. Dass sie ihre Gabe vorhin benutzt hatte, hatte ihr einen Teil ihrer Kraft gekostet, sodass nun jede Mäuselänge für sie zur Qual wurde. "Wir müssen uns verstecken", keuchte die Kriegerin. "Ich schaffe es nicht mehr weiter!"

Also drehten die beiden ab und stürzten sich hinter einen Felsen. Genau in diesem Moment kamen auch Otterstern und sein Gefolge heran. "Wo sind sie?", hörte Tigerblüte den braunen Kater brüllen, während sie am Boden kauerte. Er schien ganz nah zu sein. "Sie können nicht weit sein!", erklang Algennase's Stimme. Der Anführer des Strandclans knurrte laut. "Dann findet sie!", zischte er seine beiden Anhänger scharf an. "Wir dürfen nicht zulassen, dass sie entkommen!"

Schon hörte Tigerblüte Pfotengetrampel, als die drei Strandclan Katzen in verschiedene Richtungen davonliefen und das Gelände absuchten. Sie warf Donnerpfote einen besorgten Blick zu. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis sie uns finden!, wurde der Kätzin bewusst. Schon steckte ihr vor Angst ein Kloß im Hals, sodass sie es kaum mehr schaffte, zu atmen.

"Hab ich euch!", miaute da jemand leise hinter ihnen. Die Geschwister wirbelten herum und sahen sich von Angesicht zu Angesicht Fischfang gegenüber. Die dunkelgraue Kätzin stand breitbeinig vor ihnen, mit peitschendem Schweif und ausgefahrenen Krallen. "Ihr hättet nicht weglaufen sollen. Am Ende kriegt euch Otterstern sowieso. Und nun macht euch bereit zu sterben!"

Einige Herzschläge vergingen in tiefster Stille. Keiner wagte, sich zu bewegen. Tigerblüte biss sich nervös auf die Unterlippe. Sie wusste nicht, warum, vielleicht lag es an der Unsicherheit in Fischfangs Blick, jedenfalls schöpfte die Tigerkätzin neue Hoffnung und murmelte leise: "Bitte, liefere uns nicht aus. Du weißt doch ganz genau, dass das falsch ist"

Die dunkelgraue Kriegerin stutzte, dann senkte sie verlegen den Kopf. "Es geht nicht darum, was falsch und was richtig ist", erklärte sie. "Es geht uns Überleben" Tigerblüte schüttelte ungläubig den Kopf. Sie konnte nicht fassen, was sie da hörte. "Aber verstehst du denn nicht?", protestierte die Kätzin leise. "Die Art, wie Otterstern den Clan führt, ist falsch! Er lässt Clanmitglieder töten! Das macht doch keine normale Katze! Wie kannst du ihn bei sowas nur unterstützen?"

Fischfang hob den Blick, in ihren aufgerissenen Augen war nackte Angst zu erkennen. "IHR versteht nicht", wimmerte die Kätzin mit angelegten Ohren. "Jemand von uns wird sterben müssen. Entweder, ich verrate euch und ihr müsst dran glauben oder ich verrate Otterstern und er wird es mich büßen lassen. Entweder er tötet euch oder mich. Ich habe keine Wahl. Ich muss euch ausliefern" Über Fischfangs Blick legte sich ein trauriger Schleier. "Als Otterstern deine Mutter töten wollte, Tigerblüte, hat mein Vater sich für sie eingesetzt und wurde deshalb auch ermordet. Glaubst du, ich will so enden?"

Gerade, als die Strandclan Kriegerin sich umdrehte und das Maul öffnete, um Otterstern zu rufen, fasste Tigerblüte einen Entschluss. "Wenn du uns gehen lässt, werden wir dafür sorgen, dass Otterstern für all das, was er verbrochen hat, bezahlt", versprach sie und hob feierlich das Kinn. "Mit deiner Hilfe könnten wir der Angst und dem Leid ein Ende setzen. Und du wirst Gerechtigkeit erfahren dafür, dass dein Vater sterben musste"

Fischfang schwieg kurz nachdenklich, dann drehte sie sich um und und musterte die beiden Geschwister mit vor Entschlossenheit schmalen Augen. "Wie kann ich euch helfen?", fragte sie. Auf Tigerblüte's Gesicht breitete sich ein bedeutungsvolles Grinsen aus.