Kapitel 6

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Abby

Reeds Augen funkeln bedrohlich. "Ist das so, ja?" Aber so schnell die Wut gekommen ist, verschwindet sie auch wieder. Er entspannt seinen Körper und lässt sich zurück auf den Chefsessel sinken. Nur seine Augen zeugen noch davon, dass das gerade passiert ist. "Er muss sich nur erst einmal die Hörner abstoßen", sagt Reed in geschäftsmäßigen Ton. "Wo waren wir?" Der Montgommery schaut mich einen Moment lang an, ehe er sich wieder erhebt. "Dann bringe ich dich zu deinem ersten Shooting". Auch ich stehe auf und folge Reed, der von jedem Mitarbeiter gegrüßt wird, sobald er das Büro verlassen hat. Er führt mich zu einem großen Studio, in dem Liz gerade ein Shooting für Damenbekleidung fürs Büro über sich ergehen lässt. "Mr. Montgommery?" Eine zierliche Angestelle kommt sofort auf ihn zu, sobald er nur einen Finger hebt. "Ich möchte, dass sie eingekleidet wird". Die Angestellte nickt eifrig und zieht mich zu einer Kabine im hinteren Bereich des Studios. Ohne große Worte schiebt sie mich in die Kabine und macht sich daran, meine Bluse aufzuknöpfen. "Wir müssen Ihre Maße nehmen". Mit präzisen Handgriffen misst sie meinen Taillenumfang, den der Hüfte, und schließlich meine Körbchengröße aus, wofür ich mich auch meines BHs entledigen muss. "Ich hole Ihnen die Sachen, Miss. Warten Sie bitte einen Moment". Ich schlinge die Arme um meinen Körper und bedecke mich etwas. Es fühlt sich an wie eine Ewigkeit, bis die Angestellte zurückkommt und mir eine weiße Bluse und einen kurzen Rock reicht, kürzer als der, den ich zuvor getragen habe. Als ich aus der Kabine trete, werde ich sofort zu einem Schminktisch geführt, an dem mich eine ganze Menge an Untersilien erwartet. Ebenso ein schlanker Mann mittleren Alters. "So wundervolle Haare!" Er macht sich sofort daran, mein Haar zu kämmen. "Du bist wirklich gekommen". Lucas steht plötzlich neben mir. "Lucas", sage ich, etwas erschrocken von der plötzlichen Nähe zu seinem Körper und dem Spiel seiner Muskeln unter dem weißen Hemd, welches er hochgekrempelt hat und das seine sehnigen Unterarme hervor hebt. "Wir reden später, Liebes". Seine Finger verharren knapp vor meiner Wange. Aber bevor sie mich berühren können, zieht er sie zurück. Lucas nickt mir noch kurz zu, ehe er davon geht und mich wieder mit dem Mann allein lässt. "Dann heben wir mal deine Schönheit hervor, ja?" Es ist fast ein komisches Gefühl, mit Du angesprochen zu werden. Hier, machen das nur Lucas und Reed. Ich sollte mich wohl geehrt fühlen, dass ich mit zwei der wichtigsten Männer in diesem Gebäude auf Du und Du bin. Als der Mann mit seiner Prozedur fertig ist, wirken meine Augen größer als sonst und sie scheinen zu strahlen, mein Haar ist seidenweich und perfekt drapiert. Ich werde, mehr oder weniger freiwillig, geschoben und schließlich bei Lucas, der seine Schwester beim Shooting betrachtet. "Reed, Lucas, stellen Sie sich bitte zu Ihrer Schwester. Wo bleibt denn nun dieses neue Model?" schimpft der Kameramann. "Ich bin hier", sage ich ruhig. Er fährt herum und ich kann Lucas lachen hören. "Ich hätte dir sagen sollen, dass sie ein Ninja ist, oder, Jeffrey?" Ich stelle mich neben den mittleren Montgommery. "Sie geben optisch ein sehr gutes Paar ab", stellt ein zweiter Fotograph fest. "Stellen Sie sich doch einmal zu den anderen beiden dazu". Reed hat seiner Schwester den Arm um die Taille gelegt und Lucas stellt sich an ihre Seite. Ich stelle mich neben Reed und lasse mir von ihm den Arm um die Schultern legen. "Ich stelle sie mir in einem Großraum vor", beraten sich die Fotografen laut. "Wir können meines benutzen", schlägt Reed vor. "Was für eine ausgezeichnete Idee, Mr. Montgommery!" schwärmt eine Angestellte. Welche dieser Frauen, neben seiner Schwester und mir, ist nicht in ihn verknallt? Ich nehme an, keine. "Sie sind also unser neues Model?" Elizabeth geht neben mir her, während die beiden Männer die Spitze übernehmen. Ich nicke. "Es freut mich, Sie kennenzulernen". Mein Hals fühlt sich fast etwas trocken an, wie ich die Worte ausspreche. Wir sind gleich alt, ich bin sogar etwas älter als Liz, aber sie ist rein von der Hierarchie gesehen, höher gestellt als ich. Es stört mich, weil ich das nicht kenne. Jedenfalls nicht bei Gleichaltrigen. "Mich freut es auch. Wir sind gleich alt, oder? Wäre es nicht besser, wenn wir uns mit Du ansprechen würden?" Liz sammelt gleich ein paar zusätzliche Pluspunkte. 1. Sie ist nicht abgehoben, trotz des Reichtums. 2. Sie schaut nicht auf mich herab. "Sehr gern. Ich bin Abby", erkläre ich und strecke ihr die Hand hin. Liz lächelt und das Lächeln erhellt ihr ganzes Gesicht. "Miss Montgommery, bitte setzen Sie sich doch auf die Kante des Schreibtischs, Reed, würden Sie sich zu Ihrem Sessel begeben? Lucas und Miss Abigail, würden Sie sich im Raum verteilen?" Liz lässt sich auf der Tischkante nieder, während Reed sich in den Chefsessel setzt. Ich lehne mich an den Tisch, was Lucas dazu veranlasst, sich neben mich zu stellen und mir einen Arm um meine Taille zu schlingen. Es wird aussehen wie ein Foto von einem Liebespaar. Zumal meine Wangen eine rötliche Färbung angenommen haben. "Ist dir das etwa peinlich?" Lucas ist mir so unglaublich nah. Er dreht mir sein Gesicht zu und schaut mit leuchtenden Augen zu mir hinab. "Ich bin kein Model, Lucas. Das ist Neuland für mich". Ich sehe zur Kamera und öffne leicht die Lippen. "Du hast der Welt dein schönes Gedicht ja auch vorenthalten", entgegnet er leise. "Das sieht super aus! Lucas, Miss Abigail, stellen Sie sich bitte näher zusammen". Mir wird siedend heiß, als Lucas sich an meine Seite schmiegt und mein Kinn zwischen die Finger nimmt. "So?" Ich lege die Hände an seine Brust und sehe zu ihm auf. Reed pfeift durch die Zähne und ich sehe, wie Liz den Daumen in die Höhe reckt. Es werden viele Fotos gemacht, aber ich bekomme es nur am Rande mit. Mein Körper reagiert nur auf Lucas, seine Hände, seiner Haut an meiner, diese wunderschönen Augen. Als er dann eine meiner Hände ergreift und sie an seiner Brust birgt, schlägt mein Herz einen Purzelbaum. Ich will, dass er mich eine ganze Nacht hindurch so hält. "Das wär's dann", verkündet man uns. Ich will mich von Lucas lösen, aber er hält mich weiter fest. "Lass mich dich nur noch einen kurzen Moment so halten. Nur ganz kurz". Seine Stimme ist samtig und ich schließe die Augen, während ich seine Wärme spüren kann und wie benebelt werde von diesem unwiderstehlichen Duft nach Honig und einem Kiefernwald. Ein paar Minuten vergehen, ehe er mich los lässt, obwohl ich das jetzt gar nicht mehr will. Ich vermisse seine Nähe, sobald er nur einen einzigen Schritt zurücktritt. "Liz", murmelt Lucas, während er seine Hände noch immer auf meinen Schultern liegen hat, und seinen leuchtenden Blick nicht von meinem Gesicht wendet. "Bring Abby zur Tür". Liz lächelt mich an und zieht mich sanft zu den Umkleidekabinen und damit weg von ihrem Bruder. "Er hat es dir ziemlich angetan, oder?" Sie lächelt. "Ich darf mich nicht in ihn verlieben. Er ist ein ziemlich guter Fang, aber ich bin doch nur ein Model", sage ich. "Na, das werden wir ja noch sehen". Nachdem Liz weg ist, ziehe ich mich um. Dabei zerbreche ich mir den Kopf über Lucas. Er hat keinen besonders großen Hehl daraus gemacht, dass er mich will. Aber kann das denn überhaupt wahr sein? Ich habe gerade meine Bluse zugeknöpft und will die Kabine verlassen, als ich gegen eine Wand gedrückt werde. "Sch, ist schon gut". Ich fühle Hände an meinen glühenden Wangen und für den Bruchteil einer Sekunde Lippen auf meiner Stirn, dann ist Lucas so schnell weg, wie er gekommen ist. Mit etwas wackligen Beinen verlasse ich die Kabine und Liz führt mich in Richtung des Aufzugs. Ich bin mit meinen Gedanken nicht ganz da, aber Liz scheint das zu ahnen. Wir schweigen, während wir Aufzug fahren, lauschen nur der Fahrstuhlmusik im Hintergrund. Diesmal verhält der Aufzug sich normal, bleibt nicht stehen und ruckelt nicht. Unten angekommen, öffnet Liz den Mund erst wieder. "Du solltest uns mal besuchen", sagt sie mit einem Lächeln. "Das würde ich sehr gern.  Du solltest uns ebenfalls mal besuchen". Wir verlassen das Gebäude, aber ehe ich das getan habe, werde ich gepackt und fest gehalten. "Wir hatten deine süße Schwester heute schon fast. Und dich holen wir uns auch noch!" Die Stimme ist dunkel und bedrohlich und der Griff quetscht mir die Blutzufuhr in den Oberarmen ab. Der Mann lacht nochmal tief auf, als er mein verängstigtes Gesicht sieht, dann ist er weg und ich sinke, plötzlich völlig kraftlos, zu Boden. "Abby!" Liz, die bis eben gänzlich erstarrt war, kommt zu mir gerannt und tätschelt nervös meine Wange. "Was ist passiert?" Reed kommt angelaufen. "Da war so ein komischer Mann. Er hat Abby angegriffen". Reed hat aufmerksam zu gehört und nickt dann. "Gut, ruf einen Fahrer". Liz nickt und zückt ihr Smartphone. Reed hebt mich hoch und drückt mich nah an seinen Körper. "Dir wird jetzt nichts mehr passieren. Du bist in Sicherheit", verspricht Reed. Liz bleibt nah an meiner Seite, auch sie scheint mich nicht allein lassen zu wollen. Als die Limousine um die Ecke biegt, winkt Liz ihr und Reed setzt mich sanft auf einem der ledernen Sitzen ab. "Ich muss wieder an die Arbeit, aber Lizzy wird bei dir bleiben. Du bist jetzt in Sicherheit". Reed tätschelt mir den Kopf und schlägt die Tür zu, nachdem Liz zu mir gerückt ist. "Zum Montgommery-Anwesen", befiehlt sie dem Fahrer. Er drückt aufs Gas.

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