Kapitel 7

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Abby

In der Gegenwart

Nach der Dusche ziehe mich an und starre irritiert auf das Display meines Smartphones. Drei Anrufe meiner Schwester und ein paar von Mum und Cole, aber was mich wirklich beunruhigt, ist die Tatsache, dass Ash ganze fünfmal angerufen hat. Das ist mehr als untypisch für ihn. Normalerweise schreibt er nur, aber ich kann mich nicht erinnern, jemals einen Anruf von ihm bekommen zu haben. Liz öffnet die Tür zu dem Gästezimmer und kommt zu mir geeilt, als sie mich auf dem Bett sitzen sieht. "Geht's dir wieder etwas besser?" fragt sie leise. Ich nicke. "Luc hat gesagt, dass du noch ziemlich schockiert warst, als er gegangen ist. Du solltest mal zu ihm gehen. Er tigert seit fast einer Stunde im Wohnzimmer auf und ab und telefoniert auf Spanisch. Das macht er sonst nie. Nur, wenn er nervös ist". Liz grinst. "Ihr sprecht Spanisch?" frage ich überrascht. Sie schüttelt den Kopf. "Nur Luc spricht es. Er hat vor ein paar Jahren einen Kurs gemacht. Ich spreche Französisch, und Reed Italienisch. Deshalb schätze ich, dass er mit Reed spricht". Ich nicke und setze mich in Bewegung. "Zweites Zimmer, rechts!" ruft Liz mir zu und zwinkert keck. Ich folge ihrer Beschreibung und klopfe leise. "Lucas?" frage ich und lausche auf seine Schritte, die sich der Tür nähern. Er öffnet die Tür und zieht mich ins Innere des Zimmers, ohne ein Wort oder eine Möglichkeit meinerseits, mich zu wehren. Auch, wenn ich das nicht wollen würde. Ich kenne ihn kaum und lechze bereits jetzt nach seinen Berührungen. Ich starre zu Lucas auf und versuche das Verlangen zu zügeln, das mich zu überrollen droht wie eine Welle. "Erinnerst du dich an mein letztes Angebot?" haucht Lucas an meiner Wange. Er klemmt mich zwischen seinem muskulösen Körper und der Wand ein. Ich schlucke verkrampft. "Ja", wispere ich. "Sollen wir damit beginnen?" Meine Lippen öffnen sich und ungezügelte Lust rauscht durch meinen Körper. Aber Lucas scheint nicht die Art von Mann zu sein, der oft fragt. Er nimmt es sich oder er bekommt es geschenkt. Ich sollte mich wohl geehrt fühlen, dass er überhaupt fragt. "Aber bevor du es bejahst, musst du eins wissen: Wenn du dich mir hingibst, dann nur mir allein. Ich werde mit keiner anderen Frau schlafen. Wenn du Zeit brauchst, um darüber nachzudenken, dann verstehe ich das. Wenn du Nein sagst, werde ich mich zurück ziehen und dir nicht mehr zu nahe kommen. Aber wenn du Ja sagst, bekommst du alles von mir, was du dir nur wünschst". Er streicht verheißungsvoll an meinen Kurven entlang. "Ich werde Zeit brauchen. Aber...willst du wirklich mich oder willst du mich wegen des Jobs? Ich habe bereits zugesagt". Lucas umfängt mein Gesicht mit den Händen und streicht mit den Lippen über meine Stirn. "Ich will dich jetzt, aber ich kann warten. Ich werde sicher nicht über dich herfallen wie ein ausgehungerter Wolf und meine Chancen auf eine Abby, die so schön ist, wie ihre Kleidung mich ahnen lässt, verbauen". Er tritt einen Schritt zurück, ohne die Hände von meinem Gesicht zu nehmen. Ich blicke Lucas an und wünsche mir, er würde es ernst meinen. Ich habe bereits schönere Mädchen gesehen. Mädchen, bei denen schön ein anderes Level erreicht hat als bei mir. Lucas betrachtet mich mit einem unverkennbaren Funkeln im Blick und es lässt mich fast vergessen, was vorhin geschehen ist. Der Mann, und was er gesagt hat. Aber die Erinnerungen sind wieder so schnell da, wie ich darüber nachgedacht habe. Lucas muss es in meinen Augen gesehen haben, denn er schlingt die Arme um meine Taille, so unschuldig, als hätte er mich nicht gerade eindeutig angestarrt. "Du solltest langsam wieder nach Hause. Deine Freunde werden sich bestimmt Sorgen machen", nuschelt er in mein Haar. Ich drücke mich eng an ihn. So nah, dass er meine Kurven nur allzu gut fühlen kann. Lucas gibt ein dumpfes Knurren von sich und löst sich von mir. "Du bringst mich doch tatsächlich auf Gedanken, die ich nicht haben sollte, Liebes". Eine ziemliche Beule zeichnet sich unter der Anzugshose ab. Ich tue so, als hätte ich das nicht gesehen. "Tut mir leid", sage ich und schaue von unten zu ihm hinauf. Er umfasst mein Kinn und nimmt meinen Blick gefangen. "Mach dich nicht kleiner, als du bist. Das lockt nur Aas-Geier an". In seinen Augen glimmt Wut. Ich muss mich vor ihm nicht fürchten, das sagt mir mein Gefühl ganz deutlich, aber dennoch zucke ich zusammen. Eine steile Falte bildet sich direkt zwischen seinen dunklen Augenbrauen. "Du glaubst doch nicht etwa, dass ich dich jemals schlagen würde, oder?" Ich schnappe erschrocken nach Luft. Kann mir das wirklich einfach so ansehen? "Was? Nein!" stoße ich aus. Lucas lässt mein Kinn los und tritt zurück. "Geh jetzt besser", sagt er kühl. Mein Herz macht einen ängstlichen Hüpfer und Leere bereitet sich in mir aus. "Ist gut". Meine Stimme ist leise, während ich mich abwende. "Ich bringe dich zur Tür", bietet Lucas an, aber ich halte ihn mit einer Geste auf. "Nein, danke. Ich brauch keinen Beschützer". Ich verlasse sein Zimmer und schlucke hart. Es ist so falsch, jetzt einfach zu gehen. Aber es scheint gerade das Richtige zu sein. Ich muss meine Kleidung zusammen suchen, bevor ich gehen kann. Aber vorher lehne ich mich mit dem Rücken an die Tür und schließe kurz die Augen. Warum habe ich das gemacht? Ich hätte mich von ihm zur Tür bringen lassen können. Vielleicht würde mein Herz dann nicht so wehtun. Denn eigentlich brauche ich einen Beschützer. Jemand, der hinter meine Fassade blicken kann. Jemand, der mich nicht nur anfasst, wenn ich allein mit ihm bin. Ach, verdammt, vielleicht sollte ich einfach lesbisch werden. Das wäre einfacher. Frauen sind da irgendwie anders. Ich trage jetzt ein paar Kleidungsstücke von Liz, aber wo könnten meine eigentlichen Klamotten sein? Eine Haushälterin kommt um die Ecke und mustert mich verdutzt. "Mr. Montgommery empfängt normalerweise keinen Besuch", sagt sie vorsichtig, als wüsste sie, dass Lucas mich rausgeworfen hat. "Ich bin nur auf der Suche nach meinen Klamotten". Meine Stimme klingt belegt. Wie muss sich das nur anhören? Als hätte ich einen verunglückten One Night Stand gehabt. Danach klingt das. Ich atme aus. "Ach, sind das Ihre Klamotten?" fragt die Dame und zeigt mir die Wäsche auf ihrem Arm. "Äh, ja, sind sie". Sie reicht mir meine Kleidung wortlos und geht an mir vorbei. Ich wähle Ashs Nummer. Hätte ich vor 20 Minuten schon tun sollten. "Schau an, wer gemerkt hat, dass ich angerufen habe!" erwidert Ash säuerlich. "Tut mir leid, Ash. Es ist so viel passiert. Ich hab es einfach vergessen. Wenn du mich beim Montgommery-Anwesen abholst, kann ich dir alles erzählen". Ein Kloß bildet sich in meiner Kehle. Ash seufzt ergeben. "Ich bin gleich da". Mit diesen Worten legt er auf. Warum sind meine Gefühle so durcheinander? Ich habe gedacht, die Pubertät überstanden zu haben, aber bei der Geschwindigkeit, wie meine Gefühle sich wechseln, könnte einem glatt schwindelig werden. Jetzt ist mir, als könnte ich jeden Moment in Tränen ausbrechen. Ich schlucke. Aber hier werde ich nicht abfangen zu weinen. So mies es mir auch geht, ich habe noch etwas Stolz. Ich habe noch meine Würde. Aber je länger ich auf Ashs Ankunft warte, desto schwerer fällt mir das Atmen und desto enger wird meine Kehle. Nach 10 Minuten, die sich anfühlen wie 30, hält endlich die dunkle Limousine von Ashs Familie vor mir. Ash öffnet mir die Tür und nimmt mich genau in Augenschein. "Steig ein, Süße, und dann erzähl mir, was passiert ist". Er rückt zur Seite und ich lasse mich auf den ledernen Sitz neben ihn sinken. "Ich denke, das kann warten, bis wir zurück sind". Ash versteht den Wink und nickt. Wortlos ergreift er meine Hand und hält sie zwischen seinen. Es bleibt still zwischen uns, während wir darauf warten, bis wir zu Hause ankommen.

Million PrinceWo Geschichten leben. Entdecke jetzt