"dad".

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             Das hier widme ich allen vergessenen
                    und verbitterten Töchtern

Ich glaube, wir alle haben sie.
Diese perfekte Vorstellung vom Leben.
Von der Familie.
Und von sich selber.
Unglaublich lange hält man daran fest.
Tut alles und gibt alles in seiner Macht stehendes, um diese makellose Vorstellung umzusetzen. Man kämpft. Man lacht, man weint und man ist kurz vorm Aufgeben. Und dann fällt einem wieder ein, wieso man das alles gestartet hat. Also macht man motiviert weiter und weiter. Im eigenen Leben ist wieder alles strukturiert, organisiert und durchdacht, schließlich möchte man durch diesen Plan dieses vermeintlich perfekte Leben erschaffen. Das ist die größte und einzige Motivationsquelle.

Bis zu diesem einen Tag.
Dieser eine Tag, der alles verändert.
Alles zerstört.
Wie ein Tornado wirbelt er alles auf, was man auf die Beine gestellt hat. Es ist, als wäre all das Gute nie da gewesen, sondern nur dieser eine zerstörende Moment.

Das Schlimmste daran ist nicht, dass man sein unbeschwertes Leben verliert.
Das Schlimmste daran ist, dass man sich selbst verliert.

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Ich schreibe das folgende nur aus einem einzigen Grund: Ich tue das für keine andere Person als mich. Ich möchte es endlich schaffen, Vergangenes hinter mir zu lassen, Menschen zu vergeben und Frieden mit Ihnen und mir selbst schließen. Das ist und bleibt der einzige Grund.

Dad.
Du weißt gar nicht, wie viel ich dir zu sagen habe.
So viel möchte ich dir sagen, teilweise auch entgegenschreien. Da ist aber auch so viel, was sich nicht in Worte fassen lässt. Und doch schwirrt mir immer wieder dieses eine Wort durch den Kopf:  „Warum?"
Und ich weiß aber jetzt schon, dass ich auf all diese Fragen niemals eine Antwort bekommen werde, denn der einzige, der die beantworten könnte, bist du.
Und du bist nicht mehr da.
Weißt du, du kannst dir gar nicht vorstellen, wie oft ich mir selber „Was wäre wenn...." - Fragen gestellt habe. Oder wie oft ich mir selbst die Schuld für alles mögliche gab. Und schon gar nicht, wie oft ich schon enttäuscht von der Welt war.
Wieso nur, Dad. Wieso hast du das alles getan.
Ich kam auf diese Welt mit großen Erwartungen. Aber wieso warst du bei der Geburt deiner eigenen Tochter nicht dabei? Wieso hast du Mum mit Allem alleine gelassen?
Bis heute frage ich mich, ob du mich jemals geliebt hast. Wobei ich eher denke, dass ich dir gleichgültig war, denn es schien, als hättest du mich weder gehasst noch geliebt.
Und all die Zeit hat Mum gekämpft. Die ganze Zeit, und nie aufgegeben. Und zum Glück tut sie das bis heute nicht, und wird es auch nie tun. Mum hat so viel mehr verdient als dich.  Sie hat einen Gentleman verdient, jemand, der die respektiert, liebt und ehrt. Und stattdessen spazierst du wortwörtlich in ihr Leben, zeigst ihr deine Welt, heiratest sie, behandelst sie wie Dreck und lässt sie dann fallen.

Wieso?

Mum war immer eine gute Person gewesen, und das ist die heute immer noch. Sie war immer gut zu dir, während du sie wie Dreck behandelt hast. Sie hat nicht einmal Anzeige gegen dich erstattet.
Mum hat mir, als du schon tot warst, einmal erzählt, „wie sehr sie sich in deine strahlend blauen Augen verliebt hat", und  „dass ich die selben hätte."
Und immer hat sie gut von dir geredet, immer.
Erst vergangenen Sommer könnte ich aus ihr herauspressen, wie du wirklich warst und was für große Scheiße du gebaut hast.

Dad, ich empfinde eine solche Enttäuschung wie noch nie. Ich kann die Welt einfach nicht mehr verstehen.

Ich schätze so schnell werde ich sie auch nicht verstehen.

Honestly:Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt