4 Jade Willkommen im Kapitol

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Ich sitze mit angezogenen Beinen am Kopfende meines Bettes und starre an die Wand. Stephen ist schon vor einiger Zeit gegangen, weil er sich umziehen wollte. Seitdem sitze ich alleine hier. Ich versuche krampfhaft nicht an das zu denken, was mich bald erwartet, doch dadurch denke ich nur noch mehr daran. Plötzlich klopft es an meiner Tür. Mein Blick schnellt in diese Richtung, gerade als sie geöffnet wird. Meine Mutter betritt den Raum und sieht mich mit einem merkwürdigen Ausdruck in den Augen an. Merkwürdig deswegen, weil ich die Gefühle dahinter nicht genau erkennen kann. Aber ich denke, dass sie auf jeden Fall auch wütend ist, es aber nicht zeigen kann. „Die Zusammenfassungen fangen bald an. Ich soll euch beide holen.", erklärt Mom kurz angebunden. Ich glaube, sie will genau wie ich nicht daran denken, was es bedeutet, dass ich mich in diesem Zug befinde. Ich nicke und klettere von dem riesigen Bett. „Dein Kleid ist ganz zerknittert.", bemerkt Mom als ich mich an ihr vorbeischiebe. „Ich will es nicht ausziehen.", erwidere ich und warte dann im Flur, bis sie Stephen dazu geholt hat. Mir wird ganz schlecht, wenn ich daran denke, dass ich gleich zum ersten Mal die anderen Tribute sehen werde. Meine Konkurrenten. Meine Gegner. Und wenn ich oder Stephen nach Hause kommen sollen, dann werden sie alle sterben müssen. Ich würde natürlich am liebsten Steph als Sieger sehen, aber ich weiß nicht, ob ich das Mom antun kann. Ich bin mir nicht sicher, ob sie das verkraften könnte. Sie hat schon zu viel durch die Spiele verloren. Also werde ich dafür sorgen, dass wir beide überleben und dann das Schicksal entscheiden lassen. Mehr kann ich nicht tun und mehr werde ich auch nicht tun. Als ich Stephen aus seinem Zimmer kommen sehe, weiß ich, dass ich ihm das auch sagen werde. Ich hoffe, dass er nicht mit mir darüber diskutieren will. Es ist die beste Lösung, da einer von uns sowieso sterben wird. Ich bezweifle, dass Snow wieder eine Ausnahme macht wie für Dad. Soweit ich weiß, gab es das sowieso nur einmal und nie wieder. Trotzdem weiß seine Familie nicht, dass er noch lebt und das finde ich schrecklich. Er kann aber auch nicht zu ihnen gehen und ihnen die Wahrheit sagen, denn Snow würde sie dafür umbringen lassen. Ich stelle mir oft vor, wie es wäre, hätte es das Kapitol nie gegeben. Dann hätte ich Großeltern und eine Großtante und Mom müsste sich nicht mit ihrer schrecklichen Vergangenheit herumschlagen. Aber vielleicht wird es so eine Zeit später mal geben. Wir hatten schon eine Rebellion. Wieso sollte es nicht noch einmal eine geben? Es gibt zu viele Leute, die die Spiele hassen, deswegen ist die Wahrscheinlichkeit ziemlich hoch. Doch ich sollte nicht so denken, nicht jetzt. Ich muss mich konzentrieren, bald werde ich zum ersten Mal meine zukünftigen Gegner sehen, auch wenn es mir widerstrebt sie so zu betrachten. Ich darf nicht zulassen, dass mir einer von ihnen wichtig wird. Stephen oder ich. Einer von uns muss gewinnen. Mom führt mich in einen Raum, der bis auf ein langes Sofa und den noch schwarzen Fernsehbildschirm leer ist. Sie setzt sich an den Rand des Sofas und ohne zu zögern lasse ich mich neben sie sinken. Sie sieht mich kurz an, dann schließt sie die Augen und beginnt lautlos Worte zu formen. Als ich einen Teil der Worte als ‚Das ist kein Traum' erkenne, halte ich es nicht mehr aus. „Mom." Das ist alles, was ich sagen kann. Sie öffnet ihre Augen wieder und fixiert mich dann mit ihrem Blick. „Tut mir leid, ich kann nicht....Es geht mir gut.", versucht sie mir dann einzureden, doch es klingt mehr als wolle sie sich selbst überzeugen. Plötzlich fühle ich Hass in mir aufsteigen. Hass gegen Snow. Alle beide. Dafür, dass sie meiner Mutter das angetan haben. Dass sie ihr alles genommen haben, sie dann glauben ließen, dass sie eine Familie und ein gutes Leben haben könne, nur um es ihr dann wieder wegzunehmen. Wenn Snow jetzt vor mir stünde würde er das nicht überleben. Ich atme tief durch und kämpfe dieses Gefühl nieder. Ich kann mich jetzt nicht in dem Hass verlieren, meine Mutter braucht mich. Ihr schlimmster Albtraum ist Realität geworden und sie kann nichts tun, nicht kämpfen, muss tatenlos zusehen, wie ich und auch Stephen an den Ort gebracht werden, der ihr immer noch Albträume beschert, selbst nach all der Zeit. „Mom, du musst mir versprechen, dass du nie alleine bist, während ich in der Arena bin. Versprich es mir.", verlange ich leise, aber mit fester Stimme. Mom blinzelt einige Male, so als wären ihre Gedanken meilenweit weg gewesen, dann nach einigen Sekunden in welchen ich mich immer mehr anspanne nickt sie leicht. „Ich werde mit Leon und Samuel reden.", erwidert sie und ich atme erleichtert aus. Dann lehne ich mich an sie, den Kopf auf ihrer Schulter, während Mom beginnt mir sanft über die Haare zu streichen. „Ich wollte euch so sehr beschützen.", murmelt sie leise in mein Ohr. „Das konnte ich vorher nie, deswegen habe ich es bei euch so viel stärker versucht. Ich hätte wissen müssen, dass er es nicht zulässt." Für eine kurze Weile kann ich nicht antworten. Ich habe Mom noch nie so reden gehört. Ihre Stimme ist monoton, gar nicht mehr wie ihre Stimme. „Du hast uns stark gemacht, damit du uns nicht beschützen musst. Du hast getan, was du konntest. Keiner von uns macht dir Vorwürfe. Du darfst nicht so denken. Bitte. Ich weiß, dass du in solchen Situationen Dad brauchst, aber du bist auch alleine stark. Und du hast uns eine Familie gegeben, du hast dafür gesorgt, dass wir immer wussten, dass wir geliebt werden. Das ist alles, was ich brauche.", erkläre ich, nicht sicher, ob es auch nur halb so gut wirken würde, als alles was Dad sagen würde. Wann immer Mom einen schlechten Tag hat und so wirkt als wäre sie gar nicht mehr richtig da, bringt er sie wieder zurück. Er weiß genau, wie er sie erreichen kann, egal wo ihre Gedanken sind. Er weiß, wie er vorrübergehend ihre Sorgen zerstreuen kann. Ich wünschte er wäre jetzt hier. Wir könnten ihn beide brauchen. Mom sieht mich überrascht an, dann lächelt sie. „Du bist besser vorbereitet, als ich es je war. Und ich weiß, dass du kämpfen kannst. Aber du darfst nicht vergessen, dass das Kämpfen nicht das Schwerste an den Spielen ist. Das Schwerste sind die anderen Tribute. Das ist es, was mir Sorgen macht. Dass es zu schwer wird. Ich weiß, dass du denkst, dass ich mit meinen eigenen Gedanken und Ängsten schon genug zu tun habe, aber du sollst wissen, dass ich immer für dich da bin, wenn du etwas brauchst. Immer.", verspricht sie und das erste Mal seit dem Moment in dem ich gezogen wurde, ist meine Mutter wieder vollkommen in der Gegenwart angekommen. Sie hat ihre Gedanken auf ein einziges Ziel konzentriert. Sie wird alles Nötige tun, um mich und Stephen zu unterstützen, solange das möglich ist. In dem Moment öffnet sich die Türe erneut und Stephen, Leon und Zoria betreten den Raum. Mom rutscht ein Stück vom Rand des Sofas weg, um Leon Platz zu machen, der sich auch sofort neben sie fallen lässt, während Stephen neben mir Platz nimmt. Automatisch wandert mein Blick zu ihm, während Zoria sich auf den letzten noch freien Platz setzt. Ich kann sehen, dass Stephen Angst hat. Trotz seiner Worte von vorhin hat er trotzdem Angst vor den Spielen. Als der Fernsehbildschirm flackernd zum Leben erwacht, lege ich meine Hand auf seine und lächle ihm beruhigend zu. Er lächelt leicht zurück und nickt mir zu, bevor er seine Hand unter meiner wegzieht. Ich wende meine Aufmerksamkeit dem Bildschirm zu. Die Zusammenfassung beginnt wie immer mit Distrikt 1. Beide sind Freiwillige, der Junge Toby ist 18 Jahre alt und ziemlich groß und muskulös, während das Mädchen Jemma 17, blond und eher schmal ist. Trotz allem weiß ich, dass die beiden die größte Gefahr in der Arena darstellen werden. Dann kommt Distrikt 2 und ich versuche unsere Stimmen auszublenden, denn ich brauche keine Wiederholung. Die restliche Ernte zieht an mir vorbei. Ich weiß, dass einige 12-jährige dabei sind, das ist auch schon alles. Ich werfe Mom einen Blick zu und sehe, dass sie sämtliche Tribute genau beobachtet hat und sie schon im Geiste analysiert. Sie hat für einige Sommer als Trainerin gearbeitet, da sie uns helfen wollte und auch Zugang zu anderen Waffen haben wollte, damit sie selbst auch trainieren kann. Dadurch kann sie gut einschätzen, wer ein starker Gegner sein könnte und wer nicht. Was nur gut für uns ist, da ich bei weitem nicht so gut darin bin. Als sich der Bildschirm wieder ausschaltet scheucht uns Zoria beinahe augenblicklich in den Essensabteil. Während des Essens redet niemand außer Zoria. Mom scheint immer noch in ihre Analyse der Tribute versunken, sie wird erst herausgerissen, als sie bemerkt, dass Leon seit einigen Minuten mit abwesendem Gesichtsausdruck vor seinem Teller sitzt. Sie wirft einen schnellen Blick auf Zoria, dann tritt sie ihm mit ihrem Fuß gegen sein Schienbein. Er zuckt zusammen und blinzelt einige Male, bevor er Mom entschuldigend anlächelt. Dann steht er auf und geht in sein Zimmer. Mom seufzt kaum hörbar. Dann erhebt sie sich ebenfalls mit der Entschuldigung sie sei müde. Ich wechsle einen Blick mit Stephen und schnell ergreifen wir die Gelegenheit um den beiden zu folgen. Als ich mich noch mal umdrehe sitzt Zoria ganz alleine am Tisch, jetzt endlich still. Immer noch schweigend gehen Stephen und ich nebeneinander den Gang entlang. Dann sind wir bei meinem Zimmer angekommen. Ich drehe mich zu Stephen, doch als ich mich von ihm für heute verabschieden will, kommen ganz andere Worte aus meinem Mund. „Ich will mich nicht mit den Karrieros verbünden.", platze ich heraus. Stephen nickt nachdenklich. „Also nur wir beide?", fragt er. „Nur wir beide. Wir beschützen uns gegenseitig, keiner versucht sich selbst für den anderen zu opfern. Ich kann mir nicht vorstellen dich zu verlieren, aber ich bezweifle, dass es dir anders geht. Deswegen will ich nicht, dass du versucht zu erreichen, dass ich um jeden Preis gewinne und ich werde das ebenfalls nicht tun. Wir werden uns einfach nur gegenseitig beschützen, solange das möglich ist. In Ordnung?", schlage ich vor. Er denkt eine Weile darüber nach. Schließlich stimmt er meinem Plan zu. „Hast du schon mal darüber nachgedacht, was passiert, wenn einer von uns überlebt? Ich bezweifle, dass meine Familie dann noch zu euren Essen kommen würde. Egal, wie es ausgeht. Auch wenn mir das nicht gefällt.", wechselt er abrupt das Thema. Ich starre ihn an, verwirrt von diesem plötzlichen Gedanken. Doch dann muss ich ihm zustimmen. Ich bezweifle, dass Moms Freundschaft zu Stephens Mutter diese Spiele überleben kann. Aber ich hoffe, dass Mom das noch nicht erkannt hat. „Kannst du das bitte Mom gegenüber nicht erwähnen? Ich weiß nicht, was ihr das antun würde. Sie trägt ohnehin schon viel zu viel mit sich herum. Wir müssen nicht noch etwas hinzufügen.", bitte ich ihn und Stephen nickt sofort, denn er weiß genau, wie es ist mit Eltern aufzuwachsen, die beide in den Hungerspielen waren. Wir stehen einige Minuten schweigend voreinander, bevor Stephen wieder das Wort ergreift. „Willst du, dass ich noch mit rein komme?" Ich schüttle schnell den Kopf. „Nein, ich denke du solltest schlafen gehen. Wir müssen morgen einen guten Eindruck machen. Sonst bekommen nicht mal wir Sponsoren, trotz unserer Eltern. Ich gehe noch schnell zu meiner Mom, dann lege ich mich auch ins Bett.", erkläre ich und umarme Stephen, bevor er sich auf den Weg zu seinem Zimmer macht. Ich starre ihm noch kurze Zeit hinterher und frage mich, wie viel Zeit wir wohl noch zusammen haben, dann verbanne ich diese Gedanken aus meinem Kopf, drehe mich um zu der Tür gegenüber meiner eigenen und klopfe an. Ich höre die Stimme meiner Mom und öffne die Tür. Sie steht am Fenster, immer noch in denselben Kleidern, die sie auch bei der Ernte getragen hat und betrachtet die vorbeifliegende Landschaft. Als sie mich hereinkommen hört, dreht sie sich um, sagt aber nichts. Sie wartet darauf, dass ich etwas sage, begreife ich. „Ich weiß, dass du oft Albträume hast. Heute ziemlich sicher. Genau wie ich. Also....kann ich heute vielleicht hier bei dir schlafen.", frage ich und fühle mich plötzlich an die Zeit erinnert als ich noch ganz klein war, bevor mein Bruder da war. Damals bin ich fast jede Nacht zu meinen Eltern ins Bett gekrochen, weil ich nicht allein sein wollte. Mom scheint sich auch daran zu erinnern, denn sie lächelt mich an. „Natürlich, Caty.", erwidert sie leise. Und plötzlich will ich nur mehr, dass meine Mom mich in den Armen hält und tröstet. Tränen schießen mir in die Augen und als Mom sie sieht, kommt sie sofort auf mich zu und schließt mich in die Arme. Ich schlinge meine Arme meinerseits um sie und vergrabe meinen Kopf in ihren Haaren während ich ihn an ihre Schulter drücke. „Ich weiß, Caty. Ich weiß.", murmelt sie in mein Ohr und streicht mir beruhigend über den Rücken. „Ich habe Angst, Mom.", flüstere ich. Ihre Umarmung wird etwas fester. „Angst zu sterben oder Stephen zu verlieren?", fragt sie. Ich löse mich etwas von ihr und sehe sie überrascht an. Sie lächelt traurig. „Du vergisst, ich war auch in den Spielen. Und ich hatte dort dann deinen Vater, der mir etwas bedeutet hat. Ich weiß, wie es ist, jemanden beschützen zu wollen. Aber was immer du tust, mach es dir nicht noch schwerer indem du versuchst auf mich Rücksicht zu nehmen. Ich habe schon so viel erlebt und anders als früher bin ich nicht alleine. Also tu was du tun musst. Ich werde dich unterstützen, egal was du entscheidest." Mit diesen Worten wischt sie mir die Tränen von der Wange. Ich starre sie eine Weile sprachlos an. „Ich will nicht, dass Stephen stirbt. Aber ich will auch nicht sterben.", platze ich dann heraus. Mom zieht mich in eine erneute Umarmung. „Für diese Situation gibt es keine gute Lösung. Es gibt nicht einmal eine annehmbare Lösung. Aber wir können die Situation nicht ändern. Wir können nur das Beste daraus machen und nicht zulassen, dass sie uns zerstört.", erklärt Mom und ich spüre, dass sie aus Erfahrung spricht. „Ich bin froh, dass du mit mir hier bist. Ich weiß nicht, wie ich das durchstehen sollte mit jemand Fremdes als Mentor.", gestehe ich und bringe Mom damit wieder zum Lächeln. „Dann hast du ja Glück, dass du sowohl Leon als auch mich kennst. Du weißt, dass wir beide alles tun werden, was wir können.", antwortet sie und schiebt mich dann in Richtung Bett. „Und jetzt wirst du schlafen. Morgen sollen alle sehen, dass du nicht so leicht aufgibst.", sagt Mom während ich mich hinlege. „Aber ich muss mich noch umziehen.", widerspreche ich. Anstatt einer Antwort dreht sie sich um und zieht einen Stapel Kleidung aus ihrem Schrank. Mom und ich haben fast dieselbe Größe und nichts von diesen Klamotten gehört wirklich ihr, also ist es nicht ganz so seltsam ihre Kleidung anzuziehen. Sie wirft mir den Stapel zu und geht dann aus dem Raum, um noch etwas mit Leon zu besprechen. Vermutlich will sie nur sehen, ob er wieder abgedriftet ist. Ich vermute die Spiele nehmen ihn noch mehr mit, wenn er jemanden begleitet, den er kennt. Ich ziehe mich schnell um und lege mein Kleid sorgfältig gefaltet auf den einzigen Stuhl hier im Raum. Da sticht mir ein Stapel Fotos ins Auge, die auf dem Tisch liegen. Neugierig nehme ich sie von dem Tisch und betrachte sie. Das erste Foto ist von Mom und Dad als sie noch jünger waren. Sie stehen auf einer wunderschönen Blumenwiese, lachend, Dad hält Moms Hand. Lächelnd lege ich das Foto auf den Tisch und sehe mir das nächste an. Dieses ist in unserem Wohnzimmer aufgenommen worden. Auf dem Sofa sitzt Ethan, Amy, in diesem Bild kaum 7 Jahre alt, ist mit dem Kopf in seinem Schoß eingeschlafen. Mein 11-jähriges Selbst sitzt vor dem Sofa auf dem Boden, grinsend, neben mir Stephen, der mich ebenfalls grinsend anschaut. Das nächste Bild ist ein Familienfoto von Tante Crystal mit ihrer Familie. Dann noch eins von Helen mit mir, Ethan, Amy, Tyler und Stephen. Auf den letzten beiden Fotos sind zwei Personen, die ich noch nie zuvor gesehen habe. „Das sind meine Eltern.", ertönt plötzlich eine Stimme hinter mir. Erschrocken lasse ich die Fotos fallen und schnelle herum. Mom steht hinter mir und betrachtet mich nachdenklich. Ich erhole mich schnell von meinem Schreck. „Warum hast du uns diese Fotos nie gezeigt?", frage ich und versuche vergeblich nicht vorwurfsvoll zu klingen. Mom zuckt mit den Schultern. „Ich habe sie doch selbst nie gekannt. Ich hätte euch nichts von ihnen erzählen können. Deswegen habe ich euch die Bilder nie gezeigt.", erklärt sie, während sie ihre Fotos wieder zu einem perfekten Stapel ordnet und mich dann ins Bett scheucht. Sie lässt es sich nicht nehmen die Decke über mich zu breiten und mich auf die Stirn zu küssen, bevor sie sich selbst umzieht und dann neben mir ins Bett schlüpft. Zu diesem Zeitpunkt kann ich die Augen kaum noch offen halten. Ich höre noch wie Mom mir eine gute Nacht wünscht, dann bin ich weg. Als ich wieder erwache, zu meiner Freude aus einem tiefen, albtraumlosen Schlaf, ist das Bett neben mir leer. Verwirrt setze ich mich auf. „Gut, du bist wach. Wir sind bald da.", erklärt Mom, die schon wieder aus dem Fenster sieht. „Hast du überhaupt geschlafen?", murmele ich immer noch verschlafen. Mom nickt. „Ja, habe ich. Jetzt geh dich anziehen, wir treffen uns beim Frühstück." Ich vertreibe gähnend die letzten Spuren von Müdigkeit und verlasse schweren Herzens das Bett. Zurück in meinem Zimmer ziehe ich mir schnell ein dunkelgrünes Kleid mit schwarzen Streifen an den Seiten an und gehe dann in den Essensabteil. An dem Tisch sitzen bis jetzt nur Mom und Leon, von Zoria und Stephen keine Spur. Als Mom mich sieht deutet sie auf einen bereits gefüllten Teller, der auf meinem gestrigen Platz steht. „Wo sind Stephen und Zoria?", will ich wissen, während ich mich auf meinen Stuhl sinken lasse. „Zoria ist gegangen um Stephen aufzuwecken, obwohl ich ihr gesagt habe, dass er bereits wach und auf dem Weg hierher ist. Anscheinend hat sie mir nicht geglaubt.", erklärt Mom und widmet sich dann wieder ihrem Essen. Achselzuckend beginne ich ebenfalls zu essen, während neben mir Mom und Leon die verschiedenen Tribute und Theorien über die Arena diskutieren. Wenig später betritt Stephen den Raum, dicht gefolgt von Zoria und beide setzen sich zu uns an den Tisch. Leon und Mom setzen ihr Gespräch fort, als wäre nichts passiert, während Zoria ebenfalls zu plappern beginnt. Jedoch nicht so lange wie gestern, denn nach einiger Zeit unterbricht sie sich selbst und teilt uns mit, dass wir bald im Kapitol ankommen und uns zum Aussteigen fertig machen sollen. Mom begibt sich schnell in ihr Zimmer zurück um ihre Sachen zu holen, während Stephen und ich mit Leon und Zoria schon bei der Zugtüre stehen. Der Zug stoppt. Ich spüre wie Mom sich dicht hinter mich stellt. Dann öffnet sich die Tür und ich meißle ein breites Lächeln in mein Gesicht. „Willkommen im Kapitol.", sagt meine Mom hinter mir bitter.



Ruby Shine 2 - Die RacheWo Geschichten leben. Entdecke jetzt