13 Jade Arena Tag 3 Fremdes Terrain

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Als ich aufwache, fühle ich mich viel besser als noch gestern. Ich habe keine Schmerzen mehr und ein Blick unter den von Stephen angelegten Verband zeigt mir, dass die Wunde vollkommen verschwunden ist. Schnell löse ich ihn deswegen, ehe ich bemerke, dass Stephen ebenfalls eingeschlafen ist. Zum Glück scheint es so, als wäre in der Nacht nichts passiert. Trotzdem wecke ich ihn jetzt und halte ihm einige Stücke getrocknetes Obst unter die Nase. Wir haben unsere Vorräte bald vollkommen aufgebraucht. Doch hier im Wald kann ich die Tiere nur hören, nicht sehen und deswegen können wir auch keine jagen, um unsere Vorräte aufzustocken. Ich hoffe, dass wir entweder etwas sammeln können, oder dass Mom uns etwas schickt. Wir sollten eigentlich mehr als genug Sponsoren haben. Unsere Wasserflaschen sind auch fast leer, trotzdem trinke ich noch etwas. Da ich vermute, dass wir schon nahe an den Bergen sind, werden wir bald auf einen der vier Flussläufe treffen und dort können wir sie wieder auffüllen. Dann packen wir die Reste wieder in unsere Rucksäcke, auch die leeren Wasserflaschen, ich hänge ihn mir gemeinsam mit den Köchern auf den Rücken und nehme meinen Bogen in die Hand. Im Notfall will ich eine Waffe zur Hand haben und das kühle Metall in meiner Hand zu spüren beruhigt mich. Und so marschieren wir wieder durch den Wald mit der Hoffnung, bald unser Ziel zu erreichen. Nach nur kurzer Zeit lichtet sich der Wald etwas und ich lege einen Pfeil an, falls uns jemand außerhalb des Schutzes der Bäume entdecken sollte. In der Ferne höre ich jetzt schon Wasserrauschen, es kann also nicht mehr weit sein. Ich beschleunige meine Schritte etwas, ich will endlich den Wald hinter mir lassen. Nach ungefähr einer halben Stunde hört der Wald plötzlich auf und knapp vor uns taucht der Fluss auf. Jetzt kann ich auch die Berge sehen, die am anderen Ufer beginnen. Doch der Fluss ist breiter, als ich dachte und es wird wohl einige Zeit dauern gegen die doch ziemlich starke Strömung anzukämpfen. Der Fluss, der zwischen Füllhorn und Wald liegt und den wir mit Leichtigkeit während unserer Flucht überquert haben, ist um ein vielfaches schmaler und dort fließt das Wasser kaum sichtbar langsam vor sich hin. Als wir uns dem Flusslauf nähern, bleibe ich kurz davor stehen, um mir ein Bild davon zu machen. Alles hier könnte eine Falle sein. Doch ich sehe nur harmlose Fische herumschwimmen und wenn es Fische gibt, kann das Wasser nicht vergiftet sein. Ich fülle schnell die Wasserflaschen auf und tropfe Iod hinein, Stephen folgt meinem Beispiel, dann verstauen wir sie wieder und ich trete als Erste in den Fluss. Ich fühle wie die Strömung an meinem Fuß reißt, doch nicht so stark, dass ich gestürzt wäre. Ich kämpfe mich Schritt für Schritt voran und bald ist meine Hose ziemlich nass. Das Wasser reicht mir bis zu den Oberschenkeln und ist ziemlich kühl. Stephen folgt nur knapp hinter mir. Hin und wieder schwimmt ein Fisch gegen meine Füße, was mich vermuten lässt, dass sie nicht sehr intelligent sind. Endlich nach einer Zeit, die mir wie eine kleine Ewigkeit erscheint, erreichen wir das andere Ufer. Ich drehe mich noch einmal um und betrachte die Fische. „Meinst du, die sind essbar?", frage ich dann Stephen. Wenn es schon sonst keine Tiere gibt, vielleicht könnten wir wenigstens hier einige Fische fangen. Stephen sieht ebenfalls noch einmal auf die Fische hinunter, dann nickt er. „Ich denke schon. Die kommen mir bekannt vor, ich glaube die waren in einem der Bücher, die wir lesen mussten.", erklärt er und ich nehme das als Aufforderung und binde das Seil an den Pfeil und den Bogen und schieße dann auf einen der Fische. Durch das Seil kann ihn die Strömung nicht davontreiben. Ich ziehe ihn mit Hilfe des Seils zu mir und halte ihn dann Steph hin. „Ja, den kenne ich eindeutig. Kannst du noch mehr holen?" Ich nicke, ziehe den Pfeil aus dem Fisch und schieße noch drei weitere. Dann wickeln wir sie in einige der leeren Verpackungen und verstauen sie in unseren Rucksäcken, da wir sie für das Abendessen aufheben wollen. Hier am Flussufer stehen auch noch vereinzelt einige Sträucher und niedrige Bäume, also sammeln wir einige Äste für ein Feuer, da ich nicht sicher bin, dass es in den Bergen auch Holz gibt und ich will den Fisch nicht unbedingt roh essen müssen. Wir wenden uns gerade zum Gehen, da lässt uns ein Platschen hinter uns innehalten. Als wir uns umdrehen, erblicken wir die Tributin aus Distrikt 8, wie sie gerade in den Fluss steigt. Sie ist relativ groß, so weit ich mich erinnere 17 Jahre alt und scheint, als würde ihr die Strömung nicht so viel ausmachen, wie sie sollte. Bei jedem ihrer Schritte spritzt das Wasser hoch und durchnässt ihre langen blonden Haare. In ihrer Hand hält sie ein Schwert, doch ihr unsicherer Griff verrät, dass sie nicht wirklich mit der Waffe umgehen kann. Sie kommt immer näher und widerwillig hebe ich meinen Bogen, während ich einen Pfeil anlege. Als sie meinen auf sie gerichteten Pfeil bemerkt, bleibt sie stehen. „Ich greife euch nicht an, wenn ihr mich nicht angreift.", erklärt sie und starrt uns gespielt mutig an, doch ihre Stimme zittert leicht und verrät dadurch ihre Angst. Ich werfe Stephen einen fragenden Blick zu und er nickt. „In Ordnung. Mach einen großen Bogen um uns.", verlange ich und sie nickt. Dann macht sie einen Schritt nach vorne und schreit plötzlich auf. Erschrocken spanne ich die Bogensehne und richte meine Waffe erneut auf das Mädchen. Ihr Körper wird von wilden Zuckungen geschüttelt, die schreien unmöglich machen und ihre Haut färbt sich rot. Schließlich verdreht sie die Augen und die Kanone ertönt, als sie nach hinten kippt und von der Strömung mitgerissen wird. Sofort begebe ich mich näher an den Fluss, jedoch darauf bedacht, das Wasser nicht zu berühren. Ich will wissen, was sie getötet hat und ich bin auch immer noch geschockt von ihrem plötzlichen Tod. Da. Es wirkt beinahe wie eine zu kurz geratene Schlange, doch ich weiß, was es wirklich ist. „Zitteraal.", bemerke ich an Stephen gewandt und ziehe mich schnellstmöglich vom Fluss zurück. Eine Weile starre ich noch auf das Wasser, dann drehe ich mich wieder zu Stephen. Ich öffne meinen Mund, um ihm zu sagen, dass wir weitergehen sollten, da unterbricht mich ein leises Klingeln. Sofort schnellt mein Blick nach oben und ich sehe einen silbernen Fallschirm auf uns herabsegeln. Ich fange ihn aus der Luft und öffne sofort den Behälter. Er enthält jeweils drei Packungen getrocknetes Fleisch, Trockenobst und Kräcker. Außerdem ist wieder eine Notiz beigelegt.

Sie kommen näher.

Diesmal ist sie nicht unterschrieben und es ist auch nur ein kurzer Satz, doch ich weiß trotzdem, wer sie geschrieben hat und was Mom damit meint. Für mich und Stephen bedeutet das weniger Pausen und dass wir versuchen müssen, unsere Spuren besser zu verwischen. Wenn Jemma und Toby näher kommen, dann können sie uns gefährlich werden. „Wir müssen weiter.", erkläre ich deswegen, nachdem wir unsere neuen Vorräte in unseren Rücksäcken verstaut haben. Wir brechen sofort auf und wenden uns wieder Richtung Berge. Schon bald bemerke ich eine leichte Steigung und um uns herum liegen mehr und mehr Felsbrocken. Schließlich ist nur noch Fels unter unseren Füßen und wir müssen aufpassen, wo wir auftreten, um nicht in eine Felsspalte zu treten und dort festzustecken. Weiter vor uns erhebt sich ein riesiger Berg und ich weiß, dass wir hochklettern müssen, wenn wir einen geeigneten Schlafplatz finden wollen. Doch bis dahin haben wir noch etwas Zeit. Ich wische mir den Schweiß von der Stirn, denn dieser Marsch bergauf in der prallen Sonne ist viel anstrengender als die Strecke im Wald. Dort hatten wir Schatten, hier bietet nichts Schutz vor den glühenden Strahlen, doch in der Wüste wäre es sicher noch schlimmer. Ich frage mich, ob Mom die Hitze gemeint hat, als sie sagte, die Wüste sei nicht sicher. Ich weiß es nicht. Und wenn ich es vermeiden kann, werde ich es auch nicht erfahren. Der Weg wird immer steiler, ehe wir in einer von Felswänden umgebenen Sackgasse landen. Von jetzt an müssen wir klettern. Es gefällt mir nicht, meinen Bogen aus den Händen geben zu müssen, doch ich brauche beide, um nicht abzurutschen, also hänge ich ihn mir über die Schulter und beginne den Aufstieg. Es ist nicht so anstrengend wie erwartet, da es eigentlich immer geeignete Stellen gibt, wo ich meine Füße absetzen und mich mit den Händen hochziehen kann, doch einige der Kanten sind scharfkantig und zerkratzen mir die Hände. Ich ignoriere das Blut, das ich in meinen Handflächen spüre, wische sie nur hin und wieder an meiner Hose ab, damit ich nicht abrutsche. So geht es immer weiter, während die Sonne immer tiefer sinkt und gerade als die letzten Strahlen die Felsen vor uns beleuchten, finden wir eine Höhle, die menschengemacht wirkt. Erleichtert lasse ich mich in der relativen Dunkelheit auf den Boden fallen und krame eine der Wasserflaschen aus meiner Tasche, ehe ich mir einen tiefen Schluck genehmige. Währenddessen beginnt Stephen damit, unser Holz zu einem Lagerfeuer zu stapeln, damit wir den Fisch braten können und uns nicht zu kalt wird. Das Feuer werden wir am hinteren Ende der Höhle entzünden, damit niemand das Licht sieht und uns entdeckt. Natürlich besteht diese Gefahr trotzdem, denn ich weiß nicht wie viele Höhlen es hier gibt. Ich reiche Stephen einige Pfeile, auf denen er seine Fische braten kann und spieße meine auf weitere Pfeile auf. Wieder reden wir kaum. Es gibt nichts, dass wir uns erzählen könnten und jeder unnötige Laut erhöht die Gefahr entdeckt zu werden. Die Stille stört mich nicht, es tröstet mich schon zu wissen, dass Stephen hier ist. Ich bin nicht allein. Halb verhungert schlingen wir unser Abendessen hinunter und ich verbrenne mir dabei die Zunge, doch es kümmert mich nicht. Bis jetzt ist alles gut gelaufen. Viel zu gut. Ich fühle einen Knoten in meinem Magen, als ich daran denke, dass sich das wohl bald ändern wird. Ich kann nicht daran glauben, dass Snow uns hier drin einfach in Ruhe lassen wird. Uns werden sicher noch mehr Mutationen begegnen. Gerade als wir unser Abendessen beendet haben, ertönt von draußen die Hymne. Wir begeben uns zum Eingang der Höhle und spähen nach draußen. Es erscheint nur das Bild des Mädchens aus Distrikt 8, keiner sonst ist gestorben. Die Hymne verstummt und das Bild verschwindet. Wir ziehen uns wieder zurück in die Höhle. „Ich kann die erste Wache übernehmen.", biete ich an und Stephen nickt. „Gute Nacht, Jade.", erwidert er und ich entgegne dasselbe, dann rollt er sich in seinem Schlafsack zusammen, während ich mich nahe dem Höhleneingang an die Wand lehne. Das wird eine lange Nacht werden.

 Das wird eine lange Nacht werden

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Ruby Shine 2 - Die RacheWo Geschichten leben. Entdecke jetzt