VI: Woodhaven

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"Wohin genau fahren wir?"
Helen lenkte den unauffälligen Kleinwagen gerade grazil in eine von Woodhaven's Nebenstraßen.
"In den Wald, sagte ich das nicht bereits?"
antwortete sie und fügte hinzu "Sie haben doch ihre Dienstwaffe dabei, oder?"
Karina blieb stumm. Sie musste sich eingestehen, dass sich langsam ein mulmiges Gefühl in ihrem Magen ausdehnte. Natürlich konnte es absolut nicht sein, das Helen die Wahrheit erzählt hatte, die Existenz des UDMP war vollkommen ausgeschlossen. Diese Frau war wahrscheinlich eine Irre, sie bildete sich diese ganzen Gespenstergeschichten nur ein und war irgendwie an Informationen über Karina gekommen. Zumindest sagte ihr das die Stimme der Vernunft. Doch Karina verspürte noch eine andere Stimme, einen nagenden Zweifel in Form eines massakrierten Obdachlosen. War sie der Chefinspektorin etwa deshalb gefolgt? Eigentlich wollte sie doch nur das Kartenhaus ihrer Lügen zusammenbrechen sehen, wie Helen vor irgendeinem Haus stand und verzweifelt auf Backsteine klopfte, um geheime Passagen zu öffnen. Auf der andere Seite musste Karina zugeben, das Helen einen geistig recht munteren Eindruck machte. Und dann waren da noch die ausführlichen Informationen, die diese Frau besaß. Natürlich, durch Beobachtung könnte man bestimmt herausfinden, wie Karina's Name war, wo sie wohnte, wahrscheinlich auch das ein oder andere Detail über die Mordserie- aber nicht in diesem Ausmaß.
Der Wagen kam langsam zum stehen und Karina erwachte allmählich aus ihren Gedankengängen. Das Auto parkte am Ende einer langen Straße, links und rechts befanden sich einige hölzerne Bruchbuden, in der Ferne erstreckte sich die Stadt. Vor ihnen breitete sich der dichte Wald aus.
Woodhaven trug seinen Namen natürlich nicht ohne Grund, die Stadt war zu ihrer Gründung von dichtem Wald umgeben. Da die ersten Menschen dieses Ortes sich sehr weit an der östlichen Küste ansiedelten, bildete die Stadt einen lukrativen Handelszweig als Holzlieferant. Allerdings brach dieser Reichtum irgendwann zusammen, der Wald wurde unter Naturschutz gestellt und viele Menschen verloren ihre Arbeit. Genaueres wusste Karina nicht. Sie folgte Helen zögerlich, die sich gerade zielstrebig in den Wald begab. Holz knackte und beinahe wäre die Junge Ermittlerin auf dem modrigen Holz ausgerutscht, dass den Weg säumte. Nach etwa sieben Minuten hatten sie ihr Ziel erreicht. Auf einer winzigen Lichtung stand ein winziges Haus aus massivem Stein. Schweres, dunkles Holz bildete die Tür.
"Wo...wo sind wir hier?"
Helen schmunzelte.
"Hier wohne ich. Die Mieten in der Stadt sind ja in letzter Zeit so unerhört teuer."

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