Kapitel 11: Der Besuch - Teil 1

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Es war bereits 12:05 Uhr und ich saß immer noch in einem Seminar, das eigentlich schon hätte vor 20 Minuten enden sollen

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Es war bereits 12:05 Uhr und ich saß immer noch in einem Seminar, das eigentlich schon hätte vor 20 Minuten enden sollen. Wieso war es für manche DozentInnen so schwer, sich einfach mal an die 90 Minuten zu halten? Aber da war ich vermutlich nicht die einzige, die sich diese Frage momentan stellte. Ich ließ meinen Blick durch den Raum schweifen und sah, wie viele andere KommilitonInnen gelangweilt da saßen und manche schon ihre Sachen zusammenpackten.

„Und was ich Ihnen am Ende noch mitteilen muss...", erklang plötzlich die Stimme meines Dozenten sehr energisch. Schlagartig wirkten alle im Raum hell wach und schauten gespannt zu ihm. „Am Freitag und Samstag findet ein Blockseminar statt, welches für alle Seminarteilnehmenden Pflicht ist, um diesen Kurs zu bestehen.", erklärte Herr Böhmler und setzte sich seelenruhig auf seinen Stuhl. Zu Beginn dachte ich, dass er einen Scherz machte. Aber dann sah ich zu meinen KommilitonInnen und erkannte, wie einige von ihnen unruhig tuschelten. Er meinte das wohl ernst...Das konnte er doch nicht machen?! So was kündigte man in der ersten Stunde an, damit sich alle darauf einstellen konnten und gegebenenfalls das Seminar noch wechseln könnten, falls sie an dem Termin keine Zeit hatten. Völlig unbeeindruckt von der der Unruhe, die plötzlich aufgekommen war, schlug er seinen Terminkalender auf und sprach weiter. „Am Freitag treffen wir uns hier von 14 bis 18 Uhr und am Samstag um 10 Uhr.", sagte er kühl und trug etwas in seinen Kalender ein.

Aha. Und bis wann, bitte schön??? Das hatte sich in dem gleichen Moment wohl auch einer meiner Kommilitonen gefragt. „Und bis wann geht es am Samstag?", fragte er nach, woraufhin sich der Blick des Dozenten augenblicklich verfinsterte. „Bis wir fertig sind. Das kann, je nachdem wie gut sie vorbereitet sind und wie sie arbeiten, auch bis 20 Uhr gehen.", antwortete er schnippisch und würdigte den Studenten, der gefragt hatte, keines Blickes. Ein nicht zu überhörendes Stöhnen zog sich einmal quer durch den gesamten Raum. Ruckartig stand Herr Böhmler auf und wandte sich nun an den ganzen Kurs. „Wir sind hier schließlich an der Universität und nicht mehr in der Schule. Im Pfarramt werden Sie später auch Samstags so lange arbeiten müssen.", sagte er gereizt. „Wenn Sie keine Fragen mehr haben, ist die Sitzung hiermit beendet. Ich sehe dann diejenigen, die ihr Studium ernst nehmen, am Freitag wieder.", fügte er noch hinzu und setzte sich schließlich wieder. Shit. Was sollte ich denn jetzt machen? Am Freitag und Samstag fanden doch die Probe und der Gottesdienst in Kassel statt. Ich packte meine Sachen in meinen Rucksack und entschied mich, Herrn Böhmler anzusprechen und ihm meine Situation zu erklären.

„Entschuldigen Sie, Herr Professor Doktor Böhmler, aber haben Sie kurz noch einen Moment Zeit?", fragte ich ihn und versuchte so freundlich wie möglich zu klingen. Er drehte seinen Kopf zu mir und nickte mir zu. „Ich habe am Samstag Abend einen sehr wichtigen Termin. Ich arbeite momentan innerhalb meiner Landeskirche in einem Team an einer Gottesdienst Tour, die jeweils samstagabends stattfindet und ich bin quasi die leitende Person, weswegen es sehr schlecht wäre, wenn ich fehlen würde. Gäbe es nicht eine Möglichkeit, dass ich ein Protokoll, Essay oder so etwas in der Art schreibe? Also am Freitag wäre ich da, nur der Samstag ist leider sehr ungünstig.", versuchte ich ihm zu erklären und hoffte, dass er es verstehen würde und einverstanden wäre. „Dann tut es mir Leid, aber sie werden bei dem Gottesdienst wohl nicht dabei sein können, wenn sie dieses Seminar angerechnet bekommen wollen. Ich kann mir ohnehin nicht vorstellen, dass von einer Studentin ein ganzer Gottesdienst abhängt, das wird ihr Team bestimmt auch ohne Sie schaffen.", entgegnete er herablassend und lachte dann noch allen ernstes. Ich starrte ihn einfach nur an. „Sie können den Kurs natürlich auch nächstes Semester wiederholen, es sei denn, Sie haben da auch schon Pläne für weitere kirchliche Events, die ohne Ihre Anwesenheit nicht stattfinden können.", fügte er hinzu, während er mich mit einem spöttischen Blick ansah.

A Blessing In DisguiseWo Geschichten leben. Entdecke jetzt