Der Tag, an dem ich Davids Männlichkeit in Frage stellte.

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Zwei Tage darauf war im Klassenkalender eine eintägige Kreuzfahrt rund um die Küste von Bibione geplant. Um acht Uhr früh mussten wir schon vor dem Schullandheim erscheinen und stiegen dann in unseren Bus aus Deutschland. Ach, dieser Bus... Ich erinnerte mich noch, wie ich die ganze Fahrt über Bange gehabt hatte, dass Frau Lipp zu mir kommen und sagen würde, mein Vater habe angerufen und er wolle, dass ich sofort nach Hause komme.

Am vergangenen Tag waren wir mit der Klasse in einem Museum über Meeresfossilien gewesen und kurz darauf sind wir zu einem Kulturdenkmal eines berühmten Kapitäns gelaufen. Es war kein interessanter Tag gewesen und die Jungs hatten uns ausnahmsweise in Ruhe gelassen.  

,,Gott, bin ich müde'' Daphne gähnte ausgiebig und lehnte ihre Stirn an meine Schulter. ,,Warum kann diese blöde Kreuzfahrt nicht um zehn Uhr oder so beginnen?''

,,Mh...'' Gedankenverloren schaute ich aus dem Fenster. Jetzt, wo ich so an Deutschland dachte - was machte mein Vater ohne mich? Höchstwahrscheinlich ernährte er sich hauptsächlich von  Tiefkühlprodukten und Wäsche waschen hatte ich ihn auch noch nie gesehen. Ich war echt froh, dass ich kein Handy hatte, denn so blieb ich von seiner Stimme verschont, während ich in Italien war.

Es war nicht so, dass ich meinen Vater hasste, er war schließlich immer noch mein Vater. Allerdings ertrug ich diese harte Seite an ihm nicht, wenn er mich schlug oder anschrie, ich brauchte einfach eine Pause. Damals war er anders gewesen, er war der liebste und süßeste Erziehungsberechtigte gewesen, den man sich überhaupt vorstellen konnte. Doch als ich sieben gewesen war, hatte er sich plötzlich verändert,  als hätte man einen Schalter umgelegt. Ich würde ihn nie aufgeben, irgendwo tief in ihm drin, war er noch der Vater, der mir Fahrrad fahren beigebracht hatte und mich mit Spielzeugen nur so verwöhnt hatte.

,,Hallo?! Erde an Saphira, du hast dich im Weltall deiner Gedanken verloren'' Daphne wedelte mit der Hand vor meinem Gesicht herum.

,,Mh?'' Irritiert blickte ich sie an. ,,Tut mir leid, hast du irgendwas gesagt?''

,,Wir sind da und es sind schon fast alle ausgestiegen''

Die Kreuzfahrt war große Klasse. Das Schiff hatte ein riesiges Deck mit geteilten Abteilen wie zum Beispiel einer Bar, einem Restaurant, einer Tanzfläche, einem Freizeitbereich und einen Pool-Bereich. Außerdem machten wir viele Stopps an wundervollen Stränden mit vielen Muscheln und großen Wellen. Die meiste Zeit während der Fahrt verbrachten Daphne und ich im Freizeitbereich und spielten Uno oder schauten anderen beim Bowlen zu.

,,Lass uns essen gehen'' meinte sie während der Mittagszeit und wir verzogen uns in den Bereich beim Restaurant. Wir bezahlten mit den Gutscheinen, die wir von Frau Lipp bekommen hatten und suchten uns Plätze. Allerdings war dieser Teil des Decks zu dieser Zeit total überfüllt und wir standen ziemlich verloren da.

,,Ey, Saphira und Daphne'' Maik erschien hinter uns und grinste.

Fröhlich lächelte ich zurück. ,,Ja?''

 ,,Wir haben noch zwei Plätze frei, also wenn ihr euch zu uns setzten wollt?''

Meine Freundin und ich wechselten einen Blick. Ganz offensichtlich dachten wir das Gleiche, nämlich an den Vorfall mit Sarah. Wenn sie uns zusammen mit den Jungs an einem Tisch sehen würde, würde sie nur noch mehr aussticken, wollten wir das wirklich riskieren? Wenn ich Daphnes Blick richtig deutete, dachte sie: ,Also unterkriegen lass ich mich von der nicht'

,,Klar wollen wir'' meinte sie dann schon und folgte Maik zu ihrem Tisch. Mit einem leisen Seufzer machte ich das Gleiche.

Sie setzte sich auf den freien Platz neben Jan und somit blieb der Stuhl zwischen David und Maik für mich übrig.

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