Der Tag, an dem ich die Anwesenheit IQ geschädigter Vollidioten mied.

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Später konnten dann jene, die nicht von der Fahrt zu müde waren, mit an den Strand kommen. Daphne war hingegangen, also hatte ich wieder ein paar Stunden zum Nachdenken und Malen. So kam es, dass ich meinen Block und einen Bleistift schnappte und auf das flache Dach des Schullandheims ging. Ich setzte mich an den Rand und begann das Meer zu malen, welches man mit dem wunderbaren Szenario des Sonnenuntergangs betrachten konnte.

Meine Gedanken flogen zu Daphne. Wer weiß, vielleicht redete Sarah gerade mit ihr und erzählte ihr all die Gerüchte über mich. All die Gerüchte, die sie selbst erfunden hatte.

Ich betrat das Schulgebäude und spürte sofort all die Blicke auf mir. Verächtliche, spöttische und feindselige Augen starrten mich von allen Seiten an, aber niemand sagte etwas zu mir, sie redeten nur unter sich. Also biss ich mir auf die Lippen und schlurfte zu meinem Schließfach. ,,BITCH'', ,,HURE'' und ,,MISTSTÜCK'' war darauf geritzt worden. Ich schloss die Augen und atmete ein paar Mal tief ein und aus. Dann holte ich meine Bücher raus.

Später im Chemieunterricht beugte sich mein Sitznachbar Jan zu mir hinüber und fragte: ,,Ey, stimmt es, dass du mit unserem Mathelehrer gepennt hast?''

Mir wurde ganz heiß und kalt gleichzeitig.  Ich schüttelte geschockt den Kopf und verstand einfach nicht, wie jemand auf solche Gerüchte überhaupt kam. Und dann auch noch mit Herrn Winter, den alle Mädchen so vergötterten!

 

Mit geduckter Haltung huschte ich durch die Gänge und wünschte mir, unsichtbar zu werden oder in ein Loch zu fallen, welches bis zum Mittelpunkt der Erde führte. Aber stattdessen hörte ich von allen Seiten diverse Ausdrücke und hirnverbrannte Sprüche wie ,,Na, wie ist er so im Bett?'' oder ,,Hey Saphira, bei wem muss ich mich melden, um dich zu bekommen?''.

Nichts war so schlimm wie eine derartige Demütigung, nicht einmal als ich in der vierten Klasse in einen Müllcontainer gestopft wurde. Jetzt kannte mich die ganze Schule und so etwas vergaßen sie sicher nie. 

 

Gedankenverloren legte ich den Stift beiseite und betrachtete das Bild. Es war mir gelungen, allemal. Meine Kette mit dem Saphir baumelte vor dem Blatt und ich steckte sie wieder unter mein T-Shirt. Dieses Schmuckstück war das einzige, welches ich von meiner Mutter hatte. Sie hatte es mir um den Hals gelegt, als ich ein Neugeborenes gewesen war und es mir definitiv nicht gepasst hatte und dann war sie verschwunden.

Man konnte nicht sagen, dass ich sie mir zurück wünschte. Ich hatte so viele Jahre darauf gewartet, dass sie vor der Haustür stehen und mich zu ihr mitnehmen würde. Es war nicht schwer sich vorzustellen, warum sie weggerannt war, oder besser: Vor wem. Aber ich hasste sie dafür, dass sie mich einfach da gelassen hatte. Und doch konnte ich mich von der Kette nicht trennen, denn wenn ich ihr in meinem späteren Leben irgendwann beim Reisen zufällig über den Weg laufen sollte, wollte ich, dass sie mich erkannte. Warum wusste ich auch nicht. Aber ich brauchte sie nicht, da war ich mir sicher, schließlich war ich all die Jahre alleine zurechtgekommen.

Ich erhob mich und ging wieder runter. Da ich Lust auf etwas Kaltes hatte, lief ich zu der Cafeteria und kaufte mir einen Milchshake. Gerade als ich bezahlen wollte, hörte ich hinter mir: ,,Das übernehme ich''

,,Du gibst echt nicht auf, was?'' Ohne mich umzudrehen, wusste ich wer da war. Während David der Frau das Geld reichte, nahm ich den Milchshake und ging zur Terrasse.

,,Seit wann kannst du reden?'' Er ließ sich gegenüber von mir nieder und hob eine Augenbraue. Der konnte das?! Unfair.

,,Seit wann interessiert dich das?''

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