Der Tag, an dem ich mich nicht küssen ließ.

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Da der nächste Tag unser letzter voller in Italien war, hatte unsere Klassenlehrerin nichts geplant und wir durften den ganzen Tag machen, was wir wollten.

Weil Daphne noch ein paar Souvenirs für ihre Familie kaufen wollte, entschieden wir morgens auf den Bazar zu gehen, welcher aber restlos überfüllt war. Oft verlor ich Daphne aus den Augen oder ich wurde so stark angerempelt, dass ich beinahe hinfiel.

Gerade suchte ich die Menge wieder nach meiner Freundin ab, die aus meinem Blickfeld verschwunden war, als ich David ein paar Meter weiter ausmachen konnte. Im selben Moment schien auch er mich zu bemerken und drehte sich um. Der Junge grinste mich an und winkte mich zu sich heran.

Ich setzte mich in Bewegung und blieb vor ihm stehen. ,,Hey, was machst du denn hier?''

,,Jan muss seiner Familie noch etwas kaufen'' Er deutete mit dem Kinn zu einem braunhaarigem Jungen, der neben einer Rock-Lady Geschirr aussuchte. Nun hatte ich auch Daphne gefunden.

Sie hob den Kopf und schrie mir zu: ,,Ihr könnt ruhig wo anders hin gehen, ich bleib noch eine Weile. Wir treffen uns wieder im Schullandheim''

David schien es hier wohl auch nicht so sehr zu gefallen, denn er ließ es sich nicht zwei Mal sagen und zog mich weg.

Zusammen suchten wir einen Ausweg aus dem riesigen Getümmel an Menschen und den ständig gleich aussehenden Verkaufsständen. Ich versuchte die herumschwirrenden Schmetterlinge in meinem Bauch zu unterdrücken, als er nach meiner Hand griff, um mich nicht zu verlieren. Wir waren schon fast am Ausgang, als er plötzlich stehen blieb und eine Frau zusah, die ein Schmuckstück mit einer Nadel bearbeitete.

,,Gravierungen'' stellte ich fest und verstand nicht, warum er stehen geblieben war. Brauchte er vielleicht eine Kette für seine Mutter oder Schwester? Oder für seinen Schwarm? Ich konnte nicht verhindern, dass sich mein Magen bei diesem Gedanken schmerzhaft zusammenzog.

Widerwillig folgte ich ihm zu dem Tisch mit der Auswahl an Ketten und Armbändern, die er ausführlich begutachtete.  Dann nahm er eine dunkelblaue Lederkette und suchte sich einen Schmetterlingsanhänger aus. David reichte der Frau die Stücke und diese verlangte, dass er einen Namen auf den Block schrieb.

Es überraschte mich, dass er mit seiner schrecklich unordentlichen Schrift ,,Saphira'' aufschrieb.

Überrumpelt starrte ich ihn an, während die Frau ihrer Arbeit nachging und meinen Namen auf den Schmetterling schrieb. Außer natürlich er meinte eine andere Saphira, aber so geläufig war der Name nicht, das war mir klar. Warum ich selber so hieß, hatte mir damals mein Vater erklärt, als er noch nicht so aggressiv war. Er hatte mir erzählt, dass er aufgehalten wurde und mich erst einen Tag nach meiner Geburt sah, meine Mutter war bereits verschwunden und das Einzige, was sie dagelassen hatte war diese Kette um meinen Hals gewesen mit dem Herzanhänger aus echtem Saphir.

Sprachlos sah ich, wie David die Kette entgegennahm und sie um meinen Hals legte. Ich spürte das kühle Metall des Schmetterlings in meinem Dekolleté und es war, als würde er das ganze Hormonchaos in meinem Körper nur verstärken.

,,Danke'' hauchte ich und ich verfluchte meine Schwäche. Was war bloß los mit mir?

Er lächelte mich mit diesem Lächeln an, welches ich so sehr an ihm mochte. Es war nicht das Lächeln, dass er hatte, wen er mit einem Mädchen wie Lydia oder Sarah flirtete, nicht das Lächeln, welches er aufsetzte, wenn er mit seinen Kumpeln irgendwelche schlechten Witze riss.

Nein, es war wärmer, sanfter und einfach nur wundervoll.

Nach der Gravierung gingen wir sofort zum Schullandheim zurück, wo David mich versuchte zu überreden mit ihm an den Strand zu gehen.

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