Der Tag, an dem Jan drohte, die Säge von Maiks Großvater zu benutzten.

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Bevor es sich mein Vater anders überlegen konnte, schnappte ich meine Jacke und schlüpfte in die Schuhe.

,,Bis morgen, Papa! Und danke!'' Glücklich drängte ich mich an ihm vorbei durch die Tür und packte dann Daphnes Arm, um sie schnell weiterzuziehen.

,,Jetzt hast du dir ja gar nichts zum Anziehen mitgenommen'' meinte sie enttäuscht.

Irritiert blickte ich meine beste Freundin an. ,,Etwas zum Anziehen?'' wiederholte ich dann. Warum musste ich mich schick machen für eine Party bei Maik?

Daphne blies geräuschvoll die Luft aus ihren Lungen. ,,Du bist ein hoffnungsloser Fall. Na gut, behalt die Jeans an, ich schätze meine Hosen würden dir eh nicht passen, bei deinen langen Beinen. Aber ein Oberteil bekommst du von mir! Sonst lass ich mich nicht mit dir dort blicken!'' Drohend hob sie den Zeigefinger, um mir zu signalisieren, dass sie es ernst meinte.

,,Sie haben Ihr Ziel erreicht'' surrte die monotone Stimme von Daphnes GPS-App, die sie sich installiert hatte. Wir standen im Vorgarten eines kleinen Häuschens, bei welchem wir schon lautstarke Musik hören konnten.

,,Trinken wir Alkohol?'' erkundigte ich mich bei ihr. Eigentlich hatte ich mit einem energischen Kopfschütteln gerechnet, weil Daphne ja schon so sehr gegen das Rauchen war, aber sie zuckte nur mit den Schultern.

,,Wird wohl eine spontane Entscheidung werden'' Nervös  zupfte sie ihren kurzen, schwarzen Rock zurecht, in welchem das lockere Comicartige-Shirt gestopft war. Dann stöckelte sie umständlich mit den High-Heels Richtung Türe. Ob ich es bereute immer noch Sneakers anzuhaben? - Keine Sekunde.

Aber ich fragte mich, warum sich Daphne so schick gemacht hatte. Auch wenn es immer noch ihr Stil war, es war hübscher als sonst. Bis jetzt hatte sie sich nur für die Spaghettiparty herausgeputzt, aber für eine Hausparty musste man sich ja nicht laufstegsreif stylen.

Eine mir fremde Frau riss die Tür auf und legte überrascht den Kopf schief. Wir mussten echt ein komisches Bild zusammen abgeben. Aber warum war sie so alt? Hatten wir uns an der Tür geirrt?

,,Wer hat euch eingeladen?'' erkundigte sie sich, wobei sie ein wenig lallte. Ihre glatten, blonden Haare klebten dank des Schweißes an ihrer Stirn und diese blauen Augen kannte ich auch irgendwoher.

,,Jan'' Immer noch mit dem Gefühl an der falschen Adresse gelandet zu sein, beantwortete ich ihre Frage. Ich mein, wenn wir  ihr einfach den Rücken zukehrten und das Anwesen eilig verlassen würden, wäre es doch auch merkwürdig.

,,Ah, kommt rein!'' Mit einem strahlenden Lächeln trat sie von der Tür zurück und lehnte sich erschöpft an die Wand, als hätte sie das ganze stehen müde gemacht.

Nachdem ich mit Daphne einen Blick gewechselt hatte, gingen wir dicht hintereinander in den Flur, welcher außer ein paar knutschenden Pärchen vollkommen leer war.

,,Die anderen sind im Wohnzimmer'' Die blonde Frau zeigte auf eine Tür, durch welche man die Musik hören konnte und ließ uns passieren. Kaum hatten wir den Raum erreicht, schlug uns der abartige Geruch von Alkohol und Zigarettenrauch entgegen, sodass mein Herz kurz aufhörte zu schlagen und ich Löcher in die Luft starrte. Fast erwartete ich im nächsten Moment meinen Vater zu hören, doch stattdessen ertönte die Stimme von Maik.

,,Saphira, Daphne! Hier sind wir''

Ich erwachte aus meinem tranceartigen Zustand und schaute zu Daphne, die den beiden keinerlei Beachtung schenkte und zu einem Jungen stöckelte. Dunkel konnte ich mich daran erinnern sie nach der Schule mal gemeinsam reden gesehen zu haben. Mein Blick fiel zu Jan, dessen Lippen zu einem schmalen Strich gepresst waren. Aha, daher wehte also der Wind. Daphne wollte ihm zeigen, was ihm entgangen war.

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