Der Tag, an dem eine Bank so viele Veränderungen herbeiführte.

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Letztendlich schaltete sich mein Gehirn dann tatsächlich ein.

Was tat ich hier eigentlich? Warum ließ ich mich von diesem Jungen trösten, schmiegte mich an ihn und ließ meine salzigen Tränen in sein T-Shirt sickern?

Wollte ich nicht stark bleiben? Das war doch das, was ich mir fest vorgenommen hatte, als ich wieder hergekommen bin. Es sollte vorbei sein mit der Schwäche und nun, weniger als eine Woche später, war ich zu einem Springbrunnen mutiert.

Dem musste sofort ein Ende gesetzt werden!

Abrupt entzog ich mich der wundervollen Umarmung und dem Geruch von Kirschen. Davids Gesicht wurde ganz erstaunt, vielleicht hatte ich zu schnell reagiert? Naja, auch egal.

,,Ehm...'' Betreten biss ich mir auf die Unterlippe und trocknete meine Tränen. ,,Tut mir leid''

,,Was ist los?'' fragte er verwirrt.

,,Nichts, vergiss es einfach'' seufzend hielt ich mir die Hände vor das Gesicht, denn ich wollte nicht, dass er meine feuerroten Wangen sah. Ich musste rüberkommen, wie ein kompletter Psycho. Na super.

,,Aber...''

,,Nein!'' unterbrach ich ihn und bereute es sogleich wieder, weil ich so streng geklungen hatte. Ein wenig sanfter fügte ich hinzu: ,,Bitte... Frag einfach nicht. Und erzähl es auch niemanden, nicht einmal Daphne. Kannst du das für mich tun?''

Misstrauisch haftete sein Blick an mir. Bestimmt fragte er sich, warum ich geweint hatte, was der Grund dafür war und weshalb ich nicht wollte, dass jemand davon erfuhr.

Zu meinem Überraschen seufzte er schließlich und nickte wortlos.

Müde rieb ich mir die Stirn. Der Tag würde höllische Kopfschmerzen hinterlassen.  Mit einem letzten, dankbaren Blick zu David, nahm ich mein Rad und fuhr nach Hause.

Wie würden andere reagieren?

So oft hatte ich mir vorgestellt, meine Mutter kennenzulernen. Ihr zufällig in einer Stadt auf der Straße zu begegnen und sie sofort zu erkennen. Natürlich hätte sie auch sofort mich erblickt. Ein Dutzend Mal hatte ich in meinem Inneren Auge gesehen, wie sie mich in ihre Arme gezogen hat und anfing zu weinen. In meinem Kopf hatte sie mich jahrelang gesucht und versucht aus den Fängen meines Vaters zu befreien.

Aber stattdessen war meine Mutter all die Jahre da gewesen, hatte das Mädchen großgezogen, welches sich ein Ziel gesetzt hatte, mein Leben zur Hölle zu machen. Ihr war immer bewusst gewesen, dass ich da war.

Eine einzelne, warme Träne rollte mir die Wange hinunter, doch ich wischte sie sofort weg. Verdammt, hatte ich mir nicht vorgenommen, stark zu bleiben?! Verzweifelt kuschelte ich mich an meine Matratze und ließ mich von der Decke wärmen.

Warum hatte sie das getan? Hasste sie mich?

Es war bestimmt nicht empfehlenswert den zweiten Schultag zu schwänzen. Am meisten nicht im letzten Schuljahr, wo doch all die Prüfungen nahten.

Dummerweise kam genau jetzt mein Vater wieder zurück, sodass ich eine Krankheit vortäuschen musste, damit ich keinen Ärger bekam.

Überraschenderweise verhielt er sich daraufhin vollkommen fürsorglich und machte sich sofort auf den Weg in den nächsten Supermarkt, um Zutaten für eine Suppe zu kaufen. Es war merkwürdig... Er wirkte so besonnen und glücklich.

Ich saß gerade auf dem Sofa, eingehüllt in fünf Decken, und diktierte meinem Vater die Zutaten, als es an der Tür klingelte. Sofort ergriff ich die Gelegenheit und sprang auf, damit ich der Hitze für einen Moment entkommen konnte. ,,Ich geh schon!''

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