Kapitel 8

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Ich starre meine weiße Decke an, irgendwie erinnert sie mich gerade stark ans Krankenhaus.

Das sollte sich dringend ändern, denn das Krankenhaus erinnert mich an Schmerzen. An Leid. An den Tod.

Vielleicht sollte ich sie einfach streichen. Vielleicht so, wie den Nachthimmel, der so wunderschön und unendlich ist.

Also das komplette Gegenteil vom Leben.

Ich wünschte es wäre vorbei. Ich wünschte ich wäre heute einfach nicht mehr aufgewacht. Ich wünschte es hätte endlich ein Ende. Alles.

Ich habe keine Lust mehr zu leben. Zu existieren.

Mein Körper fühlt sich schwer, träge und von Schmerz verzerrt an. Es fühlt sich an als würde ein Betonklotz direkt auf meinem Herzen liegen und es beinahe ganz zerquetschen.

Warum kann es nicht einfach ganz zerquetscht werden und aufhören zu schlagen? Warum?

Ich muss aufstehen.

Wie ein Roboter befolge ich den Befehl meines Gehirns und gehe ins Bad, aber ich erledige nur das Nötigste.

Wozu groß darauf achten wie ich aussehe, wenn ich sowieso bald unter der Erde liege und mich keiner mehr zu Gesicht bekommt?

Ich frage mich, ob es möglich ist, dass meine Haut noch blasser wird. Man könnte fast denken, dass ich ein Vampir oder eine wandelnde Leiche bin, was in gewisser Weise ja zutrifft.

Körperlich bin ich so gut wie tot und innerlich bin ich schon gestorben.

Meine Haare binde ich zu einem hohen Zopf und als ich mein Zimmer verlassen will, wird mir schlecht.

Ich renne zur Toilette und schaffe es gerade rechtzeitig nicht auf den Fußboden zu kotzen. Gut, dass ich die Haare heute nicht offen trage, das hätte schiefgehen können.

Erbrechen soll wohl zu den Nebenwirkungen der Medikamente gehören, hat der Doktor zumindest mal erwähnt, als ich doch tatsächlich mal zugehört habe. Applaus Applaus.

Ich spüle meinen Mund aus, um den ekligen Geschmack loszuwerden und setzte meinen eigentlichen Weg fort, aber natürlich nicht ohne einen kräftigen Hustenanfall einzulegen.

Unten in der Küche warten Mom und Dad schon auf mich. Der Tisch ist wunderbar gedeckt, aber allein schon bei dem Anblick von Essen wird mir wieder schlecht.

Falls ich es noch nicht erwähnt habe, heute ist Montag.

Ich werde gleich in die großartige Schule gehen und danach zu einem noch viel großartigeren Arzttermin. Ich frage mich wann ich endlich ein Dauerbesuchergeschenk bekomme oder sowas wie eine VIP-Karte. Das wäre schon ziemlich angemessen.

„Guten Morgen Spätzchen, setz dich und iss was, du hast schon so abgenommen, nicht dass du uns noch umfällst!", begrüßt mich meine Mutter mit einem Elan, den ich niemals hatte und in der beschissenen Zeit, die ich noch habe, auch nicht mehr bekommen werde.

„Früher oder später, wobei eher ersteres der Fall ist, werde ich so oder so umfallen, also macht es keinen Unterschied ob ich jetzt etwas esse und später umfalle oder eben genau in diesem Moment."

Ich zucke mit den Schultern, greife nach meiner Tasche und mache mich auf den Weg zur Haustür, wo ich mir meine Jacke anziehe und einen Regenschirm schnappe.

Mom scheint ziemlich entsetzt und ich höre wie sie anfängt zu weinen.

Es war nicht sonderlich nett von mir, sie meinte es ja nur gut, aber es ist doch nur die Wahrheit und war es nicht so, dass man nicht lügen soll?

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