Kapitel 16

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„Hee- Oh mein Gott, wie siehst du denn aus?!"

Maja stockt in ihrer Bewegung und beide schauen mich ungläubig, aber vor allem geschockt an. Auf gut Deutsch, ich bin ziemlich am Arsch, aus der Sache komme ich dieses Mal nicht mehr so leicht raus. Meine tiefen Augenringe, mein eingefallenes Gesicht und meine blasse Haut dürften Bände sprechen.

„Hallo."

Luke hat anscheinend gemerkt, dass ich dieser Situation am liebsten entfliehen möchte und versucht die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken.

„Hey! Luke, richtig?"

Finn geht auf ihn zu und sie geben sich die Hand, doch Maja lässt sich nicht so leicht ablenken.

„Kannst du mir endlich mal sagen, was los ist?! Ich dachte wir wären beste Freunde, aber im Moment wirst du immer mehr zu einer Fremden! Du schottest dich von uns ab, hängst nur noch mit Luke rum und wir treffen uns kaum noch. Du kannst zwar denken, dass ich blöd bin, aber ich merke doch, dass hier irgendetwas gewaltig faul ist! Ich erkenne dich gar nicht wieder!"

Sie hat sich richtig in Rage geredet und die Wut und Verzweiflung steht ihr ins Gesicht geschrieben.

„Es. Ist. Nichts."

Ich beiße die Zähne fest zusammen, denn so langsam werde ich auch sauer. Sowas muss ich mir wirklich nicht gefallen lassen.

„Hör verdammt nochmal auf uns anzulügen!"

Finn und Picasso halten sich im Hintergrund und beobachten uns nur still. Ich denke jetzt ist es soweit. Früher oder später wäre es so oder so rausgekommen, also warum nicht jetzt?

Sie glauben und vertrauen mir nicht mehr. Wenn ich es sage wird alles anders, aber ich muss. Jetzt oder nie...

„Ich habe scheiß Lungenkrebs! Bist du jetzt zufrieden?!"

Ich schreie ihr die alles verändernden Worte hysterisch entgegen und mein Gesicht ähnelt sicherlich eher einer hässlichen Grimasse als alles andere.

„Ich weiß, dass du einen sehr speziellen und offensiven Humor hast, aber das geht zu weit! Sowas ist absolut nicht witzig!"

Hat sie das gerade ernsthaft laut ausgesprochen?

„Ich wünschte es! Ich wünschte es wäre einer meiner blöden Scherze, wir könnten gleich alle darüber lachen und alles ist gut, aber so ist es nun mal nicht! Das Leben ist kein scheiß Scherz! Ich sterbe! Verdammt nochmal ich sterbe und es gibt keinen verschissenen Ausweg!"

Heiße Tränen strömen meine Wangen herunter, wie so oft in letzter Zeit, während meine Stimme bricht. Luke will mir seine Hand auf die Schulter legen, um mich zu beruhigen, doch ich schlage sie weg.

Ich bin sauer, verdammt sauer!

Sauer, dass sie denkt ich mache darüber Scherze, sauer, dass sich alles ändern wird und sauer, dass ich sterben muss, früher als geplant.

Mein Brustkorb hebt und senkt sich unregelmäßig und ich merke, wie die Leistung meiner Lunge nachlässt. Majas Gesichtsfarbe hat nun von rot zu kreidebleich gewechselt und Finn sieht auch nicht viel besser aus. Luke starrt währenddessen, wie in Trance, an die Wand.

Jedes Mal, wenn ich es laut ausspreche, wird es ein Stück mehr Realität.

„Das... Das kann überhaupt nicht sein. Du warst doch letztens noch gesund und munter, warst in der Schule... Alles war normal..."

„Weil ich wollte, dass ihr denkt, dass alles normal ist. Bei mir ist nichts mehr normal, ich wollte wenigstens noch diese Normalität aufrecht erhalten und euch das alles ersparen so lange es geht, falls man normal überhaupt definieren kann. Es war nur gut gemeint..."

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