Verträumt schlenderte Luna durch den Wald. Überall raschelte und knisterte es, wie sie es gewohnt war. Dank ihres wölfischen Gehöres war es für sie kein Problem zu erahnen, was sich im Dickicht verbarg.
Die Luft roch süßlich nach Waldmeister und Luna überlegte, ob sie sich auf die Suche nach einigen der Pflanzen machen sollte, um sie später weiter zu verarbeiten. Ihr Rudel würde sich sicherlich freuen.
Doch sie würden es als Zeichen sehen, dass sich Luna um ihr Rudel kümmern wollte. Eine typische Omega Eigenschaft. Und Luna mochte ein Omega sein, doch typisch war sie sicher nicht.
Man könnte die verschiedenen Rudelränge gut mit den Harry Potter – Häusern vergleichen. Die Alphafamilie bestand aus Gryffindores, die Betas waren kluge Rawenclaws, die Deltas Slytherins und die Omegas glichen den Huffelpuffs am meisten.
Blöd nur, dass Luna laut dem offiziellen Test eine Gryffindore war und sich generell nicht gerne unterordnete. Generell hatte der Wolfsrang nicht immer etwas mit der Persönlichkeit zu tun, doch meistens stimmte beides bis zu einem gewissen Grad überein.
Die einzige typische Omegaeigenschaft, die Luna besaß, war dass sie emotionalen Konflikten lieber aus dem Weg ging. In rationalen Diskussionen machte sie die meisten anderen platt, doch gegen andere anschreien konnte sie einfach nicht.
Bisher war dies auch noch nicht nötig gewesen, denn nur die wenigsten Wölfe konnten dem Drang, einen Omega zu beschützen, widerstehen. Und das war auch gut so, denn Omegas besaßen meistens einen schlanken Körperbau ohne viele Muskeln.
Doch in ihrer Wolfsform waren sie so stark wie alle anderen Wölfe auch. Denn ihre Wolfsform war nicht physisch, sondern glich eher einem Geist in einer anderen Weltenebene. Und dort hing ihre Stärke von ihrer Willenskraft ab.
Und Luna hatte verdammt viel Willenskraft, jedoch auch nur, wenn ihr etwas wirklich wichtig war. Und da ihr vieles am Arsch vorbeiging, zeigte sich ihre Stärke nur selten. Sie hasste es, wenn sich Wölfe immer um jeden Preis durchsetzen wollten.
Das Beste an ihrer wölfischen Geisterform war, dass sie ihren Wolf ausschicken konnte und zwar nicht durch seine Augen sah, wenn sie sich nicht konzentrierte, doch durch seine Ohren hören konnte. Und sie hörte die Schritte von Menschen.
Vielen Menschen, betrunkenen Menschen. Sie rümpfte die Nase. Normalerweise mieden die Menschen das Rudelgebiet. Sie hielten das Rudel für eine Sekte und im Wald sollte es spuken. Aber unter Alkoholeinfluss schien der Wald plötzlich spannend zu werden.
Seufzend suchte Luna sich eine Stelle auf dem Boden, die nicht so stark verdreckt war wie der Rest und konzentrierte sich. Erst spürte sie noch die frische, aber kühle Abendluft, doch innerhalb von Sekunden spürte sie diese irdischen Empfindungen nicht mehr.
Stattdessen schlug sie die Augen auf und stand vor einer Gruppe von sieben jungen Menschen, die sich prächtig zu amüsieren schienen. Lunas schwarzes Fell verschmolz mit den Schatten, nur ihre Augen waren für die Menschen sichtbar.
Doch als sie sich aus den Schatten entfernte und langsam auf die Menschen zulief, sahen diese sie. Weniger sie, mehr einen durchscheinenden Wolf mit glühenden Augen, wie vom Teufel besessen. Sie schrien auf, warfen mit halb gefüllten Bierflaschen nach ihr.
Die Flaschen glitten widerstandslos durch sie hindurch, ohne das Tempo zu verändern hielt Luna auf sie zu. Die Menschen wichen vor ihr zurück, stolperten und fingen schließlich an zu rennen. Zufrieden setzte Luna sich hin.
Noch immer stank es nach ihnen und ihren Hinterlassenschaften. Der Wolf konnte dies auf seiner Ebene nicht wahrnehmen, doch er konnte es an Lunas menschlichen Körper weiterleiten und so öffnete Luna die Augen.

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fireweed #traumtaenzerawards2019
Short StoryZwei Herzen, gebunden. Des Schicksals Wille, offenbart. Feuer wurde gelegt, auf Eis. Der Wolf rennt, schnell genug? Der Wolf jagt, schnell genug?