„Und was genau machst du hier?", ließ eine tiefe Stimme Luna schließlich herumfahren.
Hinter ihr hatte sich ein Typ Mitte zwanzig aufgebaut, seine blonden Haare strahlten selbst bei diesem grauen, trüben Licht golden und seine braunen Augen schimmerten wie feuchtes Karamell. Er trug ein schwarzes T-Shirt, Camouflage-Hose und matschverschmierte, klobige Wanderschuhe. Nur das rote Bändchen um sein Handgelenk unterschied ihn von den anderen Jungwölfen und wies ihn als Betreuer aus. Als Luna nicht antwortete, machte er noch einen Schritt auf sie zu.
„Warum bist du nicht bei deinem Rudel?", fragte er noch einmal nach, die Stirn in Falten gelegt. Nun zuckte Luna mit den Schultern.
„Welches Rudel?", fragte sie und überraschte ihn damit sichtlich.
„Standest du etwa nicht auf der Liste? Bist du ein Verwaltungsfehler?", fragte er, nun sichtlich verwirrt. Luna schüttelte mit dem Kopf.
„Nein, keine Sorge. Ich bin unserem Wannebe-Alpha einfach so lange auf die Nerven gegangen, bis er mich rausgeschmissen hat.", erklärte sie und wunderte sich ein wenig, dass sie mit diesem Fremden schon in so einem vertraulichen Ton sprach.
Normalerweise hätte sie zumindest das „Wannebe-Alpha" weggelassen. Aber der fremde Betreuer hatte etwas Sympathisches an sich. Vor allem, als sich sein Gesicht nun zeitlupenmäßig erhellte und er schließlich zu kichern begann. Zu kichern!
Gerade männliche Alpha-Wölfe hielten es für unter ihrer Würde, zu kichern, die lachten höchstens. Doch dieser Kerl vor Luna kicherte wie ein kleines Mädchen und sah sie schalkhaft an. Das Ganze war so ansteckend, dass Lunas Mundwinkel sich zu einem echten kleinen Grinsen anhoben.
„Na dann, kleine Rouge, Bock auf Kaffee?", fragte der Typ, nachdem er sich beruhigt hatte.
„Habt ihr auch Milch mit Karamellsirup? Mir ist nach was Süßem.", gab Luna von sich und stand auf.
Ihr Gesprächspartner grinste.
„Bin ich nicht süß genug?", fragte er gespielt enttäuscht. Luna rollte mit den Augen. Er lachte leicht.
„Schon klar, sollte da sein. Wenn nicht, finden wir was anderes Süßes für dich.", meinte er und begann sich seinen Weg durch die Zelte zu bahnen. Luna folgte ihm.
„Und, was hast du angestellt, dass dein Wannebe-Alpha dich rausgeschmissen hat?", fragte er neugierig und sah sie mit funkelnden Augen an.
„Nichts. Ich hab nichts gemacht. Das war wohl sein Problem.", antwortete sie und er sah sie halb belustigt, halb erstaunt an.
„Und da hat er dich rausgeschmissen? Nicht verdroschen?", hakte er nach. Luna zuckte mit den Schultern.
„War ihm wohl nicht möglich.", sagte sie und Erkenntnis breitete sich in dem Gesicht des Typen aus.
„Aha, aber wie kommt's, dass du ihn dann mehr oder weniger freiwillig verlassen hast?", fragte er verwundert.
„Ich teste meine Willensstärke. Außerdem ist der Kerl ein Idiot, der hat es nicht anders verdient.", keines ihrer gesprochenen Worte war gelogen.
„Cool.", war sein einziger Kommentar dazu.
Den Rest des Weges legten sie schweigend zurück. Doch es herrschte keine unangenehme Stille, denn er summte die fröhliche Melodie eines Popsongs. Luna dachte darüber nach, wieso er ihr so sympathisch war.
Normalerweise verhielt sie sich selbst gegenüber der Socialkings und –queens mit Therapeutenqualifikation misstrauisch. Doch der leicht muskulöse Typ vor ihr weckte ein Gefühl der Vertrautheit und der Geborgenheit in ihr. Kennen tat sie ihn auch nicht, das wusste sie. Denn Gesichter konnte sie sich gut merken und seines hatte sie definitiv noch nie gesehen.
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fireweed #traumtaenzerawards2019
Krótkie OpowiadaniaZwei Herzen, gebunden. Des Schicksals Wille, offenbart. Feuer wurde gelegt, auf Eis. Der Wolf rennt, schnell genug? Der Wolf jagt, schnell genug?