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Doch nach einigen Stunden hatte sich ihr Ärger über sich selbst gelegt und die Nähe und Aufmerksamkeit Terrs versetzte ihren Körper in Hochstimmung. Dass ihr Herz durchgehend raste und das Kribbeln ihren Körper nicht verlassen wollte, ignorierte sie.

Immer wieder wanderte ihr Blick zu Terr. Er sah zum anbeißen aus. Wie die meisten anderen hatte er sich während des Baues des Rudelhauses Teilen seiner Kleidung entledigt und Luna konnte nicht aufhören, seine Tätowierungen genauestens zu studieren.

Sein Rücken war ebenso wie die Rückseite seiner gewaltigen Arme mit einem Wolf von oben bedeckt und Luna hatte den starken Verdacht, dass sich dieses Bild noch weiter über seine gesamte Rückseite bis hin zu den Fersen erstreckte. Die Zacken einer Krone ragten vorne aus seinem Hosenbund heraus, ein Löwe prangte auf seiner Brust und feminine Hände umschlossen seine Taille von hinten. Dazwischen wimmelte es von Minni-Tätowierungen, wie Daten in römischen Zahlen, den griechischen Buchstabe Alpha, alle möglichen Waffen, dem Anarchiezeichen und zierlichen Geishas.

Luna selbst besaß keine Tätowierungen und sie hatte auch kein Faible dafür, doch an Terr wirkten sie faszinierend, lebendig. Sie verspürte das Verlangen, mit den Fingern sanft darüber zu streichen und jedes einzelne Detail zu erfassen. Doch er war nicht ihres, und sie nicht seines.

Terr schleppte gerade einen dicken Ast durch die Gegend, als eine Beta aus ihrem vorrübergehenden Rudel ihn ansprach. An sich kein Problem, doch wie sprachen lange, locker und irgendwann lachte Terr laut auf. Lunas Drang, sich an ihn zu schmiegen, stieg. Dabei konnte sie sich noch nicht einmal sicher sein, dass die andere tatsächlich mit Terr flirtete.

Und wenn schon. Terr war nicht ihr Gefährte und würde es nicht sein wollen. Er würde sie ein-, vielleicht auch zweimal durchnehmen und das wäre es gewesen. Sollte er sich mit anderen vergnügen, es würde Luna vielleicht vor einem gebrochenen Herzen bewahren.

Denn im Gegensatz zu ihm verband sie Sex mit einem Mindestmaß an Gefühlen. Wenigstens gegenseitige Sympathie sollte vorhanden sein. Doch Luna fand Terr nicht sympathisch, ganz im Gegenteil. Jemand wie er zog das Drama nur an, und solange sie Drama nur beobachten musste, hatte sie nichts dagegen. Doch sie wollte kein Teil dieses Dramas sein. Alles was sie wollte, war verschwinden. Wäre nur diese quälende Sehnsucht ihres Körpers nicht.

Langsam bewegte Terr sich auf Luna zu. Sie hatte es sich auf einem Baum gemütlich gemacht, während die anderen mit dem Haus-, oder eher Hüttenbau, begonnen hatten. Sie hatte seine Befehle einfach ignoriert und er hatte es toleriert. Nun stand er stirnrunzelnd unter ihr.

„Komm runter. Um das Dach mit Zweigen abzudecken, kannst du nicht zu schwach sein.", stellte er fest.

„Doch. Ich bin doch ein armer, kleiner, schwacher Omega.", meinte Luna und schob die Unterlippe vor.

Terr war aus allen Wolken gefallen, als er erfahren hatte, dass sie eine Omega war. Genau genommen hatte sie es ihm auch nicht gesagt, sondern jemand aus ihrem Rudel, der mit ihr in dieser Gruppe war. Denn schon bei der Art Vorstellungsrunde hatte sie sich quer gestellt. Und niemand hätte einem Omega zugetraut, so widerspenstig zu sein.

Er rollte mit den Augen und verschränkte die Arme.

„Bist du nicht, das weißt du selbst und jetzt verarsch mich nicht. Beweg deinen Arsch jetzt hier runter oder ich hole dich.", drohte er. Luna zuckte mit den Schultern.

„Dann komm doch.", meinte sie leichtfertig.

Knurrend begann er, den Baum hinaufzuklettern. Kaum war er auf ihrer Höhe und wollte nach ihr greifen, entzog sie sich, indem sie einfach heruntersprang. Ihre Fußknöchel ätzten unter dieser Belastung, aber hielten stand. Unschuldig sah sie zu ihm hoch. Seufzend sprang er hinter ihr her.

„Dach.", sagte er nur. Luna setzte sich auf den Boden.

„Dach.", wiederholte er leiser, als die ersten anderen Jungwölfe auf sie aufmerksam wurden. Genervt sah Luna ihn an.

„Dach. Dach. Was Dach? Dein Dach? Das scheint einen Schaden zu haben.", trällerte sie.

Nun starrten die anderen Wölfe. Terr bemerkte es. Er musste handeln, wenn er seine Autorität wahren wollte. Nur wie? Seine Instinkte hinderten ihn daran, sie zurechtzuweisen, wie er es mit jedem anderen getan hätte. Sein Kiefer knackte, als er ihn fest zusammenpresste.

„Geh. Rouge.", knurrte er, während neben ihm sein Wolf leicht sichtbar wurde.

Dies drückte große Wut aus. Normalerweise konnten sie ihr Wölfe nur sichtbar machen und in ihren Körper wechseln, wenn sie höchst konzentriert waren. Oder wenn ihre Instinkte übernahmen. Oder wenn Wut sie überrollte, sie einfach nur verschwinden und sich nicht direkt mit der Situation befassen wollten. Was bei Terr der Fall war.

Und das hatte sie allen gezeigt. Sie war seine Schwäche, seine Ausnahme, er konnte sich nicht gegen seine Instinkte wehren. Solange sie ihn nicht körperlich angriff, konnte er es auch nicht. Auch, wenn er es wollte. Er hatte die Vorrunde gewonnen, nun hatte sie den Ausgleich. Doch wer würde das Finale gewinnen?

Ohne ihn noch eines Blickes zu würdigen, dreht sie sich um und stapfte lächelnd davon. Auch, wenn etwas in ihr schrie, sich ihm unterzuordnen. Damit er mit ihr machen konnte, was er wollte. Damit sie ihm gehörte. Damit sie nicht mehr kämpfen müsste, wie der Omega in ihr es wollte.

Doch sie war nicht nur ein Omega, sie war Luna. Deshalb wiederstand sie diesem innerlichen Drang, deshalb trug sie das Lächeln auf ihrem Gesicht wie eingefroren, bis sie den See erreichte. Sie sah sich um, doch fast alle Wölfe waren im Wald und hielten sich bei ihrem neuen Rudel auf. Nur vereinzelt huschten Gestalten zwischen den Zelten hin und her.

Erst jetzt ließ sie ihren siegessicheren Gesichtsausdruck fallen und seufzte tief. Die nächsten Wochen würden anstrengend werden, ein ständiges Versteckspiel. Denn im Gegensatz zu ihr schien er nicht gegen seine Triebe ankämpfen zu wollen. Vorhin hatte seine Alpha-Seite mit dem Drang, sie zu beschützen, gekämpft.

Doch er hatte gegen seinen Drag verloren. Er war schwach. Er sah ihren Widerwillen, doch es schien ihn nicht zu kümmern. Seine Instinkte waren stärker. Und sie wusste, würde er ihre Mauer auch nur einmal durchbrechen, würde auch sie ihnen erliegen und sich ihm hingeben, solange er wollte. Mit wem er wollte. Bei dem Gedanken begann ihre Mitte erneut zu prickeln.

Energisch rief sie sich zur Ordnung. Sie war ihm gerade entkommen, verdammt. Und sie würde sich nicht in Gedanken von ihm gefangen halten lassen. Tief atmete sie durch die Nase ein.

Sie roch das modrige Seewasser, Wölfe und den Nachhauch von Sex. Sie hörte die Zelte im leichten Wind flattern, Enten quaken und knacken und krachen aus dem Wald. Es war trotzdem friedlich, ruhig. So könnte es immer sein.

Luna könnte auch einfach ihre Eltern anrufen und sie bitten, sie anzuholen, doch damit würde sie ihnen unnötig Sorgen bereiten. Noch dazu musste sie diesen Kampf kämpfen. Das sagte ihr ihr Stolz. Er erschien nur selten um ihr etwas vorzuschreiben, doch nun verließ er sie nicht mehr. Er sagte ihr, dass sie kämpfen musste, Terr und damit ihre Triebe besiegen musste.

Gedankenverloren zog sie sich ihren leicht hochgerutschten Pulli wieder über den Hintern und setzte sich, um gedankenverloren auf das dunkle Wasser zu starren.


fireweed #traumtaenzerawards2019Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt