„Herzlich Willkommen zum diesjährigen Teenwolf-Camp!", rief die Stimme durch die Lautsprecher von der Insel in der Mitte des Sees aus.
Sämtliche Jungwölfe hatten sich an unzähligen Lagerfeuern rund um den See niedergelassen. Noch sehr in ihren Rudeln formiert, doch da der Wodka schon seine Runden machte, konnte es nicht mehr lange so bleiben. Auf der Insel befanden sich die wenigen Betreuer, welche begannen, die Regeln aufzuzählen.
Luna achtete nicht auf die Worte, sie scannte das andere Seeufer ab. Bis sie bemerkte, was sie tat und stattdessen ins Feuer starrte. Warum konnte sie an nichts anderes denken? Genetische Anziehung, schön und gut, aber warum nur bei ihm? Die meisten anderen Jungwölfe fanden hier im Camp mindestens zehn andere, die mit unterschiedlich starker Anziehungskraft auf sie wirkten.
Doch sie spürte nur ihn. Ihn, der vermutlich gerade eine andere auf seinem Schoß sitzen hatte oder schon eine andere vögelte. Denn er war sicherlich niemand, der das Wort Enthaltsamkeit in dder Praxis kannte oder vertrat.
„Hey.", stubste Amelia Luna an.
„Was ist los?", fragte sie. Luna schüttelte mit dem Kopf.
„Nichts. Müde.", meinte sie.
„Tja, hättest du mal so wie Lenny und ich geschlafen.", stellte Amelia fest. Luna zuckte mit den Schultern.
„Hätte ich machen sollen, wirklich.", antwortete sie und meinte es exakt so.
Langsam kam Stimmung auf. Musik wurde laut gestellt, Techno vermischte sich im Wind mit Pop und Rock, Rudel mit Rudel. Die Sterne glitzerten am Himmel und Luna begann zu frösteln. Josh hatte sich längst verzogen, vermutlich mit einem weiblichen Wesen, Ligg und Jenny lagen auf dem Boden und lieferten einen kostenlosen Softporno ab und Amelia und Lenny unterhielten sich angeregt.
Luna war nicht nach reden. Ihr war nach etwas anderem. Mit jemand anderem. Zu allem Überfluss fing es auch noch an zu nieseln. Wölfen machte das nichts aus, die meisten jubelten, doch für Luna war das ein sicheres Zeichen zu verschwinden.
„Leute, ich bin weg.", teilte sie einmal laut in die Runde mit und wollte sich ohne einen weiteren Blick zu ihrem Zelt begeben, doch etwas hielt sie davon ab.
Sie spürte einen Wolf. Sie drehte sich um und sah einen Wolf vor sich sehen, weiß und schleierhaft wie der Nebel. Die Augen blau wie Eis. Er sah sie durchdringend an, schien sie zum bleiben bewegen zu wollen.
Unbeachtet von den anderen ließ Luna sich zurück auf einen Baumstamm fallen und fixierte die Augen es Wolfes. Alles andere rückte in den Hintergrund, die Stimmen der anderen waren nur noch gedämpft, ihr klammer Hoodie kaum zu spüren auf ihrer Haut. Dann schlug sie die Augen auf.
Vorsichtig näherte sie sich dem weißen Wolf. Während ihr Fell mit der Dunkelheit zu verschmelzen schien, strahlte er wie ein Engel. Ihre Augen hätten zwei Lagerfeuer in der Ferne sein können, sein Blick hätte Menschen zu Eis erstarren lassen können. Langsam umkreiste sie ihn.
Sein Geist war gesund, glänzend, ohne jeden Makel. Zu perfekt. Sie verbarg ihren Glanz im Schatten, sodass es niemand sehen würde, sollte sie jemals Narben erhalten. Und doch zogen sie sich an wie Magneten. Ihre Kinder wurden strahlende Engel werden, mit einer Seele so undurchschaubar wie der Tod. So war es ihnen vorherbestimmt, so versprachen sie einander.
Luna schlug die Augen auf. Der weiße Wolf vor ihr war ebenfalls verschwunden. Doch eine Gruppe Wölfe begann sich zielsicher in ihre Richtung zu bewegen und Luna hatte nicht vor, noch da zu sein, wenn sie ankamen. Sie erhob sich und verschwand in dem Labyrinth aus Zelten.

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fireweed #traumtaenzerawards2019
Short StoryZwei Herzen, gebunden. Des Schicksals Wille, offenbart. Feuer wurde gelegt, auf Eis. Der Wolf rennt, schnell genug? Der Wolf jagt, schnell genug?