Prolog

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Die Kämpfe würden bald stattfinden. Aufregung kribbelte in seinem ganzen Körper, als er den steinigen Pfad in Richtung der Rauchenden Berge weiterging. Er musste noch üben. Seinen Körper an die extremen Bedingungen gewöhnen.

Sein Blick glitt hinauf. Weit hinten, über die Gipfel der Tannen hinweg, konnte er die massive Bergkette bereits sehen. Wie ein Mahnmal streckten sich ihre zackigen Spitzen gen Himmel empor, der von dunklem Rauch durchzogen war.

Er schluckte schwer, setzte aber entschlossen ein Bein vor das andere. So schwer konnte es schon nicht sein. Noch während ihm dieser Gedanke kam, zuckten Bilder in seinem Inneren auf. Sein Bruder hatte vor drei Jahren auch an den Kämpfen der Festtage teilgenommen. Hatte sogar die ersten Runden überlebt und das, obwohl er der jüngste Teilnehmer gewesen war. Und das nur, weil durch seine Adern starkes Blut floss.

Er lief weiter. Die dornigen Büsche rechts und links vom schmalen Pfad waren das Einzige, das hier auf den Hügeln der Somohara wuchs. Erst mehrere tausend Fuß weiter, unten am Fluss, bedeckten auch wieder einige große, dürre Tannen die sonstige Ödnis.

Als er einen Steinvorsprung hinauf kletterte, schlug er sich das Knie auf. Es wurde heftig an seinem Bein gerissen. Er hielt sich an den Steinen und einer freigelegten Wurzel fest, doch sein Angreifer war stärker. Er landete bäuchlings auf dem harten, trockenen Boden. Seine Hand hatte beim Aufprall in einen der dornigen Büsche gefasst, um sich abzufedern. Sein Kiefer spannte sich vor Schmerzen an.

„Ich hoffe, das ist Strafe genug."

Die Stimme kam ihm bekannt vor.

„Dachtest du wirklich, ich würde nicht mitkriegen, wo du hingehst? Dass du ausgerechnet zu den Rauchenden Bergen wolltest, ist unfassbar. Du weißt doch, wie gefährlich es dort ist."

„Ich bin kein kleines Kind mehr!", rief er und bedachte seinem Bruder mit zusammengezogenen Augenbrauen. „Ich kann selbst entscheiden, wo-."

„Und du denkst, das sieht Vater genauso?", unterbrach sein Bruder ihn, während er ihn mitleidslos beim Kragen packte und wieder auf die Füße stellte. Er klopfte ihm den Staub von den Klamotten. „Wenn dir der kleine Sturz schon so weh getan hat, dann will ich mal sehen, wie du an einem der Kämpfe teilnehmen willst. Du bist ein Idiot und ein Narr. Die zerfetzen dich doch in der Arena in wenigen Sekunden."

Sein Bruder schüttelte fassungslos lächelnd den Kopf. Sein Blick glitt zu der Bergkette, die von schwarzen, dicken Rauch umhüllt wurde. Der kalte Wind schnitt scharf in seine Haut, wehte die Haare aus seinem Gesicht und entblößte dadurch eine lange, breite Narbe, die von der rechten Augenbraue über das Auge hinweg bis zu seinem rechten Mundwinkel verlief.

Feuertanz [Band 1]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt