Kapitel 4 - Verworrene Schulgänge

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„Guten Morgen, mein Schatz", flötete meine Mutter gut gelaunt, als ich in die Küche trat. Sie saß an dem großen, dunklen Holztisch auf einem der weißen Polsterstühle. Ihr Blick war aus dem Fenster gerichtet.

„Was gibt's zu essen?", fragte ich, während ich mir mit meinem Handtuch die Haare versuchte trocken zu rubbeln. „Ich sterbe nämlich vor Hunger."

„Wir haben Fertig-Sandwiches und", sie stand auf, um in die Einkaufstüte beim Herd zu schauen, „Birnen."

„Dann gib mir mal bitte das Sandwich", rief ich und sprintete die Treppe nach oben zurück in den ersten Stock, wo sich nicht nur unser Badezimmer, sondern auch vorübergehender Schlafraum befand. Wir hatten dort erst einmal eine große Campingmatratze aufgeblasen, weil wir gestern um die späte Uhrzeit keine Lust mehr hatten, das Bettgestell zusammen zuschrauben.

Im Bad angekommen, betrachtete ich meine kurzen, braunen Haare. Ich sollte meiner Mutter mal wieder Bescheid geben, dass ich einen neuen Schnitt verkraften könnte. Meine Spitzen waren einfach nicht mehr schön. Schnell schnappte ich mir meine Zahnbürste und lief anschließend nach unten ins Wohnzimmer, in dem unsere Kartons standen. Irgendwo dazwischen befand sich meine fertig gepackte Schultasche, die ich gleich brauchen würde.

„Komm, Zoe. Beeil dich. Du willst doch nicht an deinem ersten Tag zu spät kommen", rief meine Mutter.

Ich schnappte mir meine Tasche und schlüpfte in meine Turnschuhe, die im Eingangsbereich standen. Zusammen liefen wir zum Auto.

„Mit der Schule ist übrigens schon alles abgeklärt. Deinen Stundenplan hast du noch, oder?"

„Klar", sagte ich und kramte in meiner Tasche nach meinem Hausaufgabenheft, in das ich ihn in weiser Voraussicht gelegt hatte.

„Gut. Soll ich dich dann noch zu deinem Klassenraum begleiten?"

„Ma, wie alt bin ich? Sechs? Bestimmt kommst du nicht mit." Wie peinlich wäre das denn? Manchmal kam sie auf echt komische Ideen.

Wir fuhren die trostlose Landstraße entlang Richtung Manchester und unterhielten uns noch über die kommenden Tage. Immerhin musste noch alles ausgepackt werden.

„So, da wären wir, Schatz. Einen wundervollen, ersten Schultag wünsche ich dir. Aber denk dran, die Bushaltestelle ist den Hügel runter. Du musst dich beeilen, wenn du den Bus nicht verpassen willst." Wir hielten vor einem riesigen Schulgebäudekomplex. Es war aus Backstein und sah mit dem von Bäumen umzäunten Gelände gar nicht mal so doof aus. Es war keines der Gebäude, bei deren Anblick man schon den Rückwärtsgang einstellen wollte. Es sah nicht zu sehr nach Schule und Langeweile aus. Ja, von außen war es ganz nett anzuschauen.

Ich stieg aus und drehte mich noch einmal zu meiner Mutter um, die das Fenster herunter gekurbelt hatte.

„Wann fahren die Busse denn überhaupt?"

Sie antwortete mir nicht mehr, da sie schon losfuhr. Offenbar hatte sie meine Frage gar nicht gehört gehabt. Na toll.

Ehrfürchtig wandte ich mich meiner neuen Schule zu. Auf dem Parkplatz standen einige Autos, aber Menschen waren kaum unterwegs. Nur vorne am Zaun gelehnt, der wohl zu einem Park oder so gehörte, befand sich eine kleine Menschengruppe. Keine Ahnung, ob das Schüler waren.

Das Reifenquietschen eines klapprigen, blauen Pickups ließ mich vor Schreck zusammenzucken. Wenige Meter von mir entfernt hielt der Wagen. Eine fürchterlich lärmende Musik, die man wohl eher als Krach-machen bezeichnen konnte, kam aus der Richtung.

Zwei Jungen stiegen aus. Der Eine mit dunklen, braunen Wellen, der andere ein kurzrasierter Blondschopf. Beide knallte laut die Autotüren zu, bevor sie sich zum Schulgebäude begaben. Ich folgte ihnen auf die andere Straßenseite, die Treppe hinauf, hinein ins Schulinnere.

Nach einem kurzen Blick auf meinen Stundenplan stellte ich fest, dass ich ins Untergeschoss musste. Aber so wirklich zurecht fand ich mich in den vielen Gängen nicht. Es hatte gefühlte Ewigkeiten gedauert, bis ich zwischen den immer lichter werdenden Schülern und den vielen Türen eine Treppe entdeckte, die nach unten führte. Auch hier war ich komplett damit überfordert, den richtigen Raum zu finden. Ich marschierte gerade los, als eine Person, die gerade um die Ecke bog, mich umnietete. Oder ich sie? Ich landete schmerzhaft auf meinem Hinterteil.

"Oh, das tut mir Leid. Verzeihung." Ein Mädchen mit roten Haaren und Sommersprossen stand vor mir und balancierte einen gefährlich hohen Turm aus Büchern in den Händen. "Ich habe dich gar nicht gesehen. Warte ich helf' dir hoch."

Bevor sie noch mehr Schaden anrichten konnte, rappelte ich mich lieber selbst wieder auf die Beine. Ich nahm ihr einen Stapel Bücher ab und grinste sie freundlich an. Meine Chance Freunde zu finden. Sie sah aus, als wäre sie in etwa in meinem Alter.

"Wo willst du die denn alle hinbringen? Ich nehm' dir gerne welche ab."

Sie lugte zu mir rüber und schob sich ihre Brille durch akrobatische Körperverrenkung mit dem Oberarm zurück auf die Nase.

"Danke. Voll nett von dir."

Zusammen liefen wir eine endlose Strecke entlang, bis wir vor einem Raum halt machten. Er war mit Regalen zugestellt, in denen Bücher, Kabel und anderer Krempel zu finden waren.

"So hier ist es. Leg die Bücher am besten dort hin. Mein Name ist übrigens Emma."

„Zoe", sagte ich lächelnd. „Du, Emma? Du kannst mir aber nicht zufällig sagen, wo der Geschichtsraum von Herrn Smith ist, oder? Ich hab's echt eilig."

Um meine Aussage zu unterstreichen, tippte ich mit den Finger auf meine imaginäre Armbanduhr.

"Doch, klar. Nächster Gang rechts. Bist du eigentlich neu hier?"

Ich bejahte und bedankte mich noch mal bei ihr, bevor ich los rannte, um noch rechtzeitig im Unterricht zu erscheinen.

Ich klopfte an die Tür, als ich das Schild mit der Zweiundsechzig entdeckte. Ein klobiger, alter Mann mit Glatze öffnete sie und blickte mich fragend an. „Was gibt's?"

„Ich bin leider etwas spät dran, weil ich neu hier bin und nicht gleich den Raum gefunden habe. Das tut mir schon einmal sehr Lei-."

„Wenn du zu spät bist, kannst du nicht mehr am Kurs teilnehmen."

„Aber ich-."

„Nichts aber! Du hast ja jetzt eineinhalb Stunden Zeit, um dich hier im Schulgebäude zu orientieren, dann bist du beim nächsten Mal auch hoffentlich pünktlich. Wiederhören!", sagte er und schloss die Tür wieder.


Feuertanz [Band 1]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt