Kapitel 8

107 6 4
                                    

Lias Sicht

Sie kennt diese Stimme. Ohne sich umzudrehen fragt sie: „Und du weißt wie es geht?“, fragt Lia argwöhnisch. „Natürlich. Ich habe dir doch gesagt ich bin gleich wie du“, antwortet Jack. „Wie meinst du das?“, fragt sie ihn.

„Gleich wie du bin ich kein Mensch. Ich bin ein Nephilim genauso wie du. Genauso wie du dürfte ich eigentlich nicht mehr am Leben sein“, sagt er. „Das heißt du bist der Sohn eines hochrangigen Engel. Wer ist dein Vater?“ „Das darf ich dir noch nicht verraten, doch die Zeit wird kommen. Nun lass mich erklären wie du die Engel rufen kannst“, fordert er Lia auf. „Ok. Erkläre es mir.“

„ Zuerst musst du dich vor die Statue auf den Boden setzen.“ Lia macht wie ihr geheißen und setzt sich nieder. „Siehst du die zwei kleinen goldenen Spiralen am jeweiligen Ende des Sockels? Ja? Dann musst du sie mit deinen Zeigefingern berühren und deine Bitte vorbringen und schon wird es funktionieren“, erklärt Jack.

„Danke. Ich werde es sofort ausprobieren und wehe du lügst“, sagt sie und blickt Jack ernst an. „Nein ich lüge nicht. Nur noch eins bevor du loslegst. Erwähne mich nicht. Sie dürfen nicht wissen, dass ich existiere denn ansonsten werde ich wohl nicht mehr sonderlich lange am Leben sein. Nun tschüss und bis zum nächsten Mal“, verabschiedet der Nephilim sich. Lia blickt ihm nach bis er aus ihrem Blickwinkel verschwunden ist. Dann wendet sie sich wieder der Engelsstatue zu.

„Na gut“, flüstert sie. Sie legt ihre Finger auf die Spiralen und schließt die Augen. Jack sagte zwar nichts davon, dass sie die Augen schließen sollte doch es fühlt sich so einfach richtig an. Dann ruft sie aus: „Erzengel Chamuel! Ich rufe dich. Bitte komm zu mir!“ Diesmal kommt ein stärkerer Wind auf und der Geruch von Feuer brennt ihr in der Nase. Sie öffnet die Augen um zu sehen was geschehen ist und erstarrt. Sie ist nicht mehr im Park, sondern auf einem großen Schlachtfeld.

Die Schlacht ist zwar schon vorüber doch hat ein großes Chaos hinterlassen. Überall liegen tote Körper und Waffen. Der Boden ist zertrampelt und einige brennende Fackeln liegen noch herum. Doch nirgendwo kann Lia Lebende entdecken. Sie schließt kurz wieder die Augen um sicher zu sein, dass das Ganze kein Traum ist. Als sie die Augen wieder aufschlägt weicht sie erschrocken einige Schritte zurück.

Vor ihr steht ein Engel – Chamuel. Er trägt eine Rüstung und ist von oben bis unten von Blut und Erde bedeckt. Trotzdem ist er das schönste Wesen, das Lia in ihrem Leben gesehen hat. Seine harten Gesichtszüge passen perfekt zu seinen schmalen eisblauen Augen und seiner kantigen Nase. Sein braunes Haar ist ebenfalls verschmutzt und steht in alle Richtungen.

Doch seine Flügel lassen den Rest unwichtig erscheinen. Sie ragen mindestens fünf Meter in den Himmel hinauf und schimmern Perlmutfarben. Kein einziger Makel ist an ihnen zu erkennen. Außerdem scheinen sie von innen heraus zu strahlen, gleich wie der Engel selbst.

„Ich bin Chamuel. Ich habe schon auf dich gewartet. Wie ich sehe fühlst du dich hier nicht besonders wohl also lass uns lieber einen anderen Ort für unser Gespräch wählen.“ Noch während er das mit seiner rauen Stimme sagt beginnt das Schlachtfeld zu verschwinden. An seiner Stelle sind sie jetzt von einer kargen Steinlandschaft umgeben. Nirgendwo eine Pflanze oder ein Lebewesen zu sehen.

„Wo sind wir?“, fragt Lia verblüfft. „Wir sind am Mars“, antwortet Chamuel ohne mit der Wimper zu zucken. „Am Mars?“, ruft Lia ungläubig aus. „Ja am Mars. Lass mich erklären. In meiner Welt gibt es nichts das ewig währt. Du brauchst dir nur eine Umgebung vorzustellen und schon verändert sich auch dein Umfeld. Da ich der Engel des Krieges und des Mars bin, bevorzuge ich aber diese zwei Kulissen“, erklärt er geduldig.

„Wow, das ist alles so neu für mich“, flüstert Lia überwältigt. „Versuch du es doch einmal. Stell dir vor, vor uns steht ein kleiner Tisch mit zwei Stühlen. Das würde dieses Gespräch nämlich viel bequemer gestalten.“ „Ich glaube nicht, dass ich das kann“, lehnt Lia ab. „Doch du kannst es du musst es nur glauben. Also komm mach was ich dir gesagt habe.“ Von dem Erzengel eingeschüchtert schließt sie schließlich die Augen und stellt sich vor, was er von ihr verlangt hat.

Danach hält sie die Augen aber geschlossen aus Furcht, es nicht geschafft zu haben. „Komm schon öffne deine Augen“, befiehlt Chamuel. Lia macht wie ihr geheißen und staunt nicht schlecht, als sie vor sich genau denselben Tisch sieht, den sie sich vorgestellt hat. Auch die Stühle sehen genauso aus. „Siehst du, du musst anfangen mehr an dich zu glauben. Der Glaube ist einer der wichtigsten Dinge in unserem Leben. Jetzt aber zu dir. Lehn dich bitte zurück und hör mir genau zu.“

Lia setzt sich hin und lehnt sich zurück. Sie blickt zu Chamuel auf und auch er setzt sich gemütlich hin. „Vor vielen Jahren als Gott den Menschen erschuf, lebte Luzifer an seiner Seite. Er war der erste Engel und deshalb auch der, der Gott am nächsten stand. Doch mit den Menschen konnte Luzifer nichts anfangen. Er verstand nicht wieso Gott sie erschaffen hat und noch weniger, warum er ihnen so viel Liebe schenkt. Er sah Menschen als etwas Minderwertiges an und fühlte sich von Gott vernachlässigt. Darum beschloss er Gott vor die Wahl zu stellen – entweder er oder die Menschen. Doch Gott wollte nicht wählen und darum versuchte Luzifer ihn zu stürzen. Michael aber war zur Stelle und besiegte ihn. So Leid es Gott auch tat, nun musste er Luzifer der damals noch Samuel hieß bestrafen. Er verbannte ihn aus dem Himmel und aus seinem Herzen. Doch ganz konnte er ihn nie vergessen. Auch heute noch hofft er, dass Luzifer doch noch zur Vernunft kommt und alles wieder so wird wie es einmal war. Doch deinem Vater ist das egal. Er würde nie auf Knien angekrochen kommen. Dafür ist sein Ego zu groß. Darum verkroch er sich in seinem Versteck und glaubt bis heute noch immer wir wüssten nicht wo er steckt. Doch Gott ist allwissend nichts entgeht seinen Augen. So überwachen wir Luzifer jetzt schon seit vielen Jahren. Doch anscheinend hat er es einmal geschafft uns in die Irre zu führen, denn bis vor eurem Geburtstag wussten wir noch nichts von dir und deiner Schwester“, endet er.

„Ihr wisst wo er ist? Ist Liz auch dort?“, fragt sie mit hoffnungsvollem Blick. „Ja wir wissen wo er steckt und Liz ist auch dort.“ „Das ist ja großartig“, freut sich Lia. „Warum gehen wir dann nicht einfach hin und befreien sie?“ „So einfach ist das nicht. Sie wird gut bewacht. Ansonsten hätten wir sie uns schon längst geschnappt. Denn sie ist eine große Gefahr für uns“, sagt er grimmig.

„Eine Gefahr? Liz würde niemals jemanden etwas antun“, sagt sie verzweifelt. Chamuel macht ihr Angst. Er tut gerade so als wollte er ihrer Schwester etwas antun. Als sie ihm nun in die Augen schaut, stellt sie fest, dass es wahr ist, er will ihr wirklich nichts Gutes.

„Sie ist das Einzige, dass Luzifer zu einem Sieg verhelfen kann. Wenn Luzifer diesen Krieg gewinnt wird alles anders sein. Nichts Gutes würde mehr vorhanden sein. Er würde alle Menschen und Engel die nicht auf seiner Seite stehen quälen. Das Böse würde herrschen.“ „Ja, das kann ich verstehen. Doch ich kann dir versichern, dass Liz ihm niemals helfen würde“, versucht Lia ihn zu erklären.

„Denkst du das wirklich? Du hast Recht. Freiwillig wird sie ihm wahrscheinlich nicht helfen, doch Luzifer hat seine Wege das zu bekommen was er möchte“, sagt der Erzengel. „Doch genug für heute. Komm morgen wieder um mit einem meiner Brüder zu sprechen. Und denk immer daran – glaube, denn dann ist nichts unmöglich“, sagt Chamuel zum Abschied.

Ehe sich Lia versieht sitzt sie wieder im Park. So viele Gedanken gehen ihr durch den Kopf, dass er zu schmerzen beginnt. Ihr Blick fällt auf das Hotel und ihr fällt wieder ein, dass sie ja um fünf Uhr wieder in der Lobby sein muss. Um vier Uhr sind sie hier angekommen und ihre Zusammenkunft mit dem Erzengel hat mindestens eine Stunde verbraucht. „Mist!“, flucht Lia und rennt auf den Eingang des Hotels zu.

Sie darf nicht zu spät kommen! Wer weiß was Frau Richard dann mit ihr anstellen würde. Keuchend erreicht sie den Eingang und tritt in die Lobby. Zu ihrem Wunder ist sie leer. Nirgendwo kann sie ihre Klasse entdecken. Ob sie wohl schon wieder aufgebrochen sind? Verzweifelt blickt sie auf die große Bahnhofsuhr die über der Rezeption hängt und runzelt verwundert die Stirn. Es ist er viertel nach vier.

----------------------------------------------------

Ein neues Kapitel!

Bitte sagt mir wie ihr es findet! (ehrliche Meinung)

Luzifers TöchterWhere stories live. Discover now