Luzifers Töchter

Kapitel 10

Lias Sicht

Sie steht vor der Statue und atmet noch einmal tief durch. Dann ruft sie nach dem zweiten Erzengel, Gabriel. Wie auch beim ersten Mal kommt ein starker Wind auf und sie befindet sich plötzlich wieder an einem anderen Ort.

Diesmal aber Gott sei Dank nicht wieder mitten in einem Schlachtfeld, sondern auf einem Sonnenüberfluteten Felsen an einem Fluss. Sie hört das Rauschen des Flusses und das Zwitschern der Vögel und lässt sich von der Sonne wärmen. Sie sieht sich um, doch kann sie keinen Engel finden. Sie sieht gar nichts außer die Lichtung auf der sie sitzt und den Wald der sie umgibt.

Sie richtet ihren Blick zum Himmel als eine kühle Brise durch ihre Haare fährt. Als sie die Augen ein von den Sonnenstrahlen abschirmt und zusammenkneift erkennt sie eine Gestalt die auf sie zugeflogen kommt.

Als der Engel sich nähert sieht sie erst wie schneeweiß seine Flügel sind. Sie sieht seine himmelblauen Augen und blonden Locken und der süßliche Geruch von Honig steigt ihr in die Nase. Als der Engel vor ihr landet, fällt ihr als erstes sein gütiges Lächeln auf. Danach bemerkt sie, dass dieser Erzengel weibliche Gesichtszüge hat. Jedoch ist sie sich hundertprozentig sicher, dass er männlich ist.

Er sieht Chamuel ganz und gar nicht ähnlich. Anders als der Engel des Krieges, hat Gabriel eine positive Ausstrahlung die nur so vor Lebendigkeit glüht, doch sieht er ruhig aus. Sein Lächeln schenkt ihr Zuversicht. „Du bist also Gabriel?“, fragt sie obwohl sie die Antwort schon längst kennt. „Ja, das bin ich. Gabriel der Engel der Verkündung stets zu deinen Diensten“, antwortet er mit einer leichten Verbeugung die Lia schnell erwidert.

„Die Freude ist ganz meinerseits. Was sollt ihr mir heute erklären oder beibringen?“ „Ich werde heute ein kleines Reinigungsritual mit dir durchführen, dass dir helfen sollte alle Unklarheiten wegzuspülen und wieder Kraft zu tanken. Denn die wirst du brauchen, wenn du schließlich den Himmel betreten wirst“, erklärt der Engel mit lieblicher Stimme.

„Ok. Was muss ich dafür machen?“ „Gar nichts. Lass einfach locker und ich erledige die Arbeit.“ Sie tut was der Gabriel ihr gesagt hat und entspannt sich.

Die Hände des Engels schließen sich um sie und sie spürt wie sich ihre Füße langsam von der Erde entfernen. Sie hat keine Angst, denn sie weiß dass sie dem Engel vollkommen vertrauen kann. Schließlich lässt er sie mitten im Fluss auf einer Sandbank wieder nieder. Er bettet sie in den Sand ein und sie schließt ihre Augen.

Die Sonne scheint noch immer heiß auf sie hinunter, doch der Sand auf dem sie liegt kühlt sie ein wenig. Plötzlich spürt sie wie Wasser auf ihre Stirn tropft und ihre Wange hinunterrinnt. Das Wasser ist angenehm kühl und Gabriel der zu summen begonnen hat lässt etwas mehr davon über ihren Brustkorb laufen.

Er fängt an in einer ihr nicht bekannten Sprache zu singen und seine liebliche Stimme umschmeichelt ihre Ohren. Als sie noch mehr Wasser über ihren Bauch und ihre Beine fließen spürt, bemerkt sie erst, dass sie keine Kleider mehr trägt. Im Anbetracht der Tatsache, dass ein männliches Wesen, das sie gerade erst kennengelernt hat, sie so sieht, sollte sie sich eigentlich beunruhigen. Doch dies war Gabriel, bei ihm fühlt sie nichts dergleichen, bloß die Ruhe die er ausstrahlt.

Nachdem er ihren gesamten Körper fertig gewaschen hat bittet er sie die Augen wieder zu öffnen und sich aufzusetzen. Sie macht wie gebeten und sieht zu Gabriel, der neben ihr Kniet. „Hier. Du musst das hier schlucken“, trägt er ihr auf und hält ihr eine erbsengroße Kugel hin, die so hell leuchtet wie die Sonne.

Lia ist geblendet von der Schönheit der Kugel und nimmt sie entgegen. „Was ist das?“, fragt sie den Erzengel neugierig. „Das ist eine Kugel der Erleuchtung. Sie lässt dich Dinge klarer sehen und wird dir dabei helfen die ganzen Neuigkeiten zu verarbeiten“, erklärt er ihr geduldig und reicht ihr ein Glas Wasser, das wie aus Geisterhand in seiner Hand erschienen ist. Sie nimmt das Glas, gibt die hellleuchtende Kugel in ihren Mund und nimmt einen Schluck aus Wasser um sie hinunterzuspülen.