Ich beeile mich mit 66 Schritt zu halten, deren langes blondes Haar schon hinter der nächsten Baumreihe verschwunden ist. Nur 43 hält es wohl nicht für nötig uns zu folgen. Er sitzt einfach da und starrt in die Luft, während seine Augen sich abwechselnd weiten und verengen. Ein Schauer läuft meine Wirbelsäule herunter. Im Gegensatz zu 66 würde ich es eher nicht bevorzugen mit ihm alleine in einem abgeschlossenen Raum zu sitzen. Obwohl ich ihm soweit vertraue, dass er mir nichts tun würde, könnte ich die ganze Zeit nicht entspannen. Ich beschleunige meinen sowieso schon zügigen Gang, als ich spüre, wie sich seine Augen glühend heiß in meinen Rücken bohren. Ich wage es nicht mich umzudrehen, auch wenn das Gefühl, genau das Gegenteil zu tun, so überwältigend ist.
Die Bäume sind doch bestimmt viel interessanter als der gruselige Junge, dessen schlurfenden Schritte ich hinter mir hören. Die ständig die Form verändernden Stühle können sich bestimmt leicht gegen die Hand durchsetzen, die sich stetig auf meinen nackten Arm legt.
Und dann realisiere ich es endlich: Auf leisen Fußsohlen hat sich 43 bedächtig angeschlichen, bis er meinen Arm berühren konnte. Seine großen braunen Augen schauen mich unschuldig an: Ein blutrünstiger Wolf, der sich als treues Lamm verkleidet hat. Graue Schlieren verdunkeln seine wild hin und her zuckende Iris. Sein Blick schweift über alles und jeden, nur mich hat er kein einziges mal angeschaut. Alle Haare auf meinem Körper stellen sich ruckartig auf. Keiner der anderen Jugendlichen in dem Speiseraum scheint uns zu bemerken. Als ich in meinem Rachen nach einem Laut suche, finde ich nichts außer ein wehleidiges Wimmern. Blut rauscht ohrenbetäubend hinter meinen Trommelfellen. Wenn ich jetzt weglaufe, werde ich direkt am ersten Tag einen mehr als schlechten Eindruck hinterlassen. Andererseits ist mir das lieber, als direkt am ersten Tag von einem offenbar verrückten Teenager angegriffen zu werden. Ohne weiteres Nachdenken entscheide ich mich für Ersteres. Doch als ich mich versuche von ihm loszureißen, klammert er sich mit einer so gewaltigen Kraft, die ich bei seinem dünnen Ärmchen niemals vermutet habe, an mir fest. Seine Fingernägel graben sich unbarmherzig in das kühle Fleisch meines Unterarms. Ich wimmere ein weiteres Mal bei den überwältigenden Schmerzen, bis seine Augen plötzlich auf meine treffen. Sein Blick ist jetzt klarer, da die grauen Schlieren aus seiner Pupille verschwunden sind. Mit einer säuselnden Kinderstimme krächzt er Worte auf einer so kreischenden Tonfrequenz, die nicht von dieser Welt ist, geschweige denn mit einer normalen Stimme erreicht werden kann:
„Sein Name ist Joe, weißt du. Joe verfolgt mich. Er lässt mich Sachen tun. Joe, er lässt mich Dinge fühlen. Joe denkt Dinge, die verboten sind. Joe, Joe ist falsch."
Er schlägt seine Hand bei jedem Satz an seinen Kopf, als müsste er die Worte aus seinem Gehirn schütteln. Irgendwann hört er auf und lässt sie sinken, während etwas bei dem letzten Satz des Gekreisches in seinem Rachen bricht. Er fällt auf dem Boden zusammen, die Hand immer noch an meine Arm geklammert. Von den hohen Tönen heiser wimmert er:
„Hilf mir! Du kannst mir helfen! Du darfst Joe das nicht machen lassen. Wenn Joe ihnen von dir erzählt, werden sie dir böse Dingen tun. Du musst aufpassen. Hilf mir doc... !"
Ich weiß nicht, wie das Plastikstück in meine Hand gekommen ist, ich weiß nicht, wann ich es gehoben habe, so weit, dass es in das Blickfeld des Jungen kommt. Das einzige, was ich wahrnehme ist, dass er bei dem Anblick der potenziellen Waffe mit seinem flehendlichen Singsang aufgehört hat. Seine Augen verfolgen meine zitternde Hand, als ich das improvisiertes Messer bedächtig wieder einstecke. Langsam sickert meine Tat in mein Gehirn und das des Jungen. Mit einer einzigen ruckartigen Bewegung löst er seinen Klammergriff und stolpert unbeholfen auf die Beine. So schnell er kann, sprintet er um die nächste Ecke und lässt mich geschockt liegen
__
Hi,
Ein etwas düsteres Kapitel. Wie findet ihr das ?
In den nächsten Kapitel wird wahrscheinlich auch mehr passieren bzw. Fragen geklärt...-Was denkt ihr, könnte mit 43 los sein ?-
- wenn es euch gefallen hat, würde ich mich echt über ein Sternchen freuen! Danke !-
-Außerdem wäre ich sehr froh über ein Feedback in den Kommentaren! Danke für alles!-
DU LIEST GERADE
Divit
Science Fiction„Wir haben das erschaffen, wodran Götter ganzer Völker gescheitert sind. Es ist doch mehr als berechtigt uns als Götter zu bezeichnen. Wenn wir den Eingriff überstanden haben sind wir nicht nur Götter. Wir sind Diviten. Eine höhere Macht, die selbs...